Im Frühjahr 2026 stehen die Betriebsratswahlen an. Oftmals sind sie eine Chance für Gremien, manchmal bedeuten sie aber auch eine Zäsur. Und zwar immer dann, wenn sich erfahrene Betriebsräte entscheiden, nicht mehr zu kandidieren oder aber nicht mehr ins Gremium gewählt werden – schließlich ist die Wahl ein demokratischer Prozess. Besonders spürbar wird dieser Wandel, wenn Kollegen ausscheiden, die zentrale Rollen übernommen hatten: sei es die juristisch versierte Stellvertreterin, das erfahrene Ausschussmitglied oder der kommunikative Öffentlichkeitsexperte. Ganz zu schweigen von der engagierten, langjährigen Betriebsratsvorsitzenden.
Wahlen sind oftmals eine Chance für Gremien, manchmal bedeuten sie aber auch eine Zäsur.
In vielen Gremien zeigt sich: Einige dieser Rollen sind nicht formal geregelt, sondern über die Zeit gewachsen und mit einer speziellen Persönlichkeit verbunden. Wird dieses „informelle“ Kompetenzsystem durch eine Wahl unterbrochen, fehlt es womöglich an Überblick, Routine oder schlicht an der Zeit, sich einzuarbeiten.
Verhaltensweisen, Erfahrungswerte und Handlungsempfehlungen weitergeben
Ein großer Teil des Betriebsrats-Wissen ist meist nicht schriftlich dokumentiert, sondern sitzt in den Köpfen der einzelnen Mitglieder. „Implizites Wissen“ nennt sich das; und es umfasst nicht nur Fakten, sondern auch Verhaltensweisen, Erfahrungswerte und Handlungsempfehlungen – zum Beispiel, wie man mit bestimmten Vorgesetzen am besten verhandelt oder welche Kommunikationskanäle bei der eigenen Belegschaft wirklich funktionieren. Geht dieses Wissen verloren, steht das Gremium schnell vor der Herausforderung, sich in Bereichen neu zu orientieren, die zuvor selbstverständlich liefen. Genau deshalb ist es so wichtig, bereits im Vorfeld Mechanismen zu etablieren, um das Wissen entsprechend weiterzugeben.
Tandem-Lösung als Möglichkeit
Zu dieser Wissensweitergabe gehört zunächst eine fundierte Einschätzung, wer eigentlich welche Aufgabe und welche Rolle übernimmt. Wer hat welches Wissen? Wer hat welche Kontakte? Wo liegen die Stärken jedes Einzelnen? Ein klarer Blick auf die im Gremium vorhandenen Kompetenzen ermöglicht es, Übergänge rechtzeitig zu organisieren. Ideal ist es, wenn (wissentlich) ausscheidende Mitglieder ihr Wissen strukturiert übergeben können – etwa durch Protokolle oder konkrete Arbeitshilfen. Hilfreich ist ebenso eine Art Tandem-Lösung, bei denen erfahrene Betriebsratsmitglieder gemeinsam mit „Neulingen“ an Themen arbeiten und dabei ihr Know-how weitergeben. Einige Gremien etablieren mittlerweile sogenannte „Mentoring-Systeme“ oder führen Kompetenztage ein, bei denen Wissen bewusst geteilt wird. Und ganz klar: Sich frühzeitig umzusehen, wer den Betriebsrat ergänzen könnte, macht großen Sinn. Eine systematische Öffentlichkeitsarbeit und viele persönliche Gespräche sind der Schlüssel, damit einem als Gremium kein Betriebsrats-Talent „durch die Lappen geht“.
Verlust oder Impuls?
So bedauerlich der Verlust jedes einzelnen Betriebsrats sein mag: Jede Wahl kann auch ein Impuls zur Erneuerung sein. Neue Mitglieder bringen frische Perspektiven und andere berufliche Hintergründe mit. Das eröffnet wiederum Gestaltungspielräume. Anstatt also ausschließlich mit dem „Lückenschließen“ beschäftigt zu sein, lohnt sich vielleicht die Frage: Was wollen wir als Gremium in der neuen Konstellation anders machen? Wo können wir uns strategisch neu aufstellen? Wer bringt vielleicht unerwartete Fähigkeiten mit, die bisher ungenutzt blieben? Eine Klausurtagung könnte der passende Rahmen sein, Kompetenzen richtig einzuordnen.
Gleichzeitig sollten Weiterbildungen frühzeitig ins Auge gefasst werden – umso gezielter, desto besser.
Gleichzeitig sollten Weiterbildungen frühzeitig ins Auge gefasst werden – umso gezielter, desto besser. Und solche Schulungen haben immer noch einen weiteren, fast schon beiläufigen, positiven Effekt: Der Austausch mit anderen Betriebsräten liefert wertvolle Orientierung. Der Blick über den Tellerrand zeigt oft, dass andere Gremien ähnliche Herausforderungen erlebt und hierfür kreative Lösungen gefunden haben.
Betriebsräte, es ist an der Zeit!
Schlussendlich ist der Umgang mit Kompetenzverlust immer eine Frage der Haltung, und damit sollten sich Betriebsräte spätestens jetzt beschäftigen. Gelingt es einem Gremium, offen über Schwächen zu sprechen? Wird bewusst nach Nachwuchs gesucht? Und: Wer ist bereit, sich weiterzuentwickeln, Neues zu lernen und Verantwortung zu übernehmen?
So müssen (unausweichliche) Kompetenzverluste im Betriebsrat nicht zwangsläufig zu Unruhe führen. Wer frühzeitig vorausschauend plant, Aufgaben transparent macht, Wissen teilt und Neues zulässt, kann Veränderungen konstruktiv mitgestalten. Mit Mut zur Lücke und einem Plan, diese zu schließen. (tis)