In mehr als der Hälfte der Betriebe funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Interessenvertretung, wie die aktuelle Betriebsrätebefragung der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Allerdings stehen auch immer noch viele Unternehmen Betriebsräten skeptisch gegenüber – oder gehen sogar strategisch gegen existierende Gremien oder Neugründungen vor.
Behinderung der Mitbestimmung: So gehen Arbeitgeber vor
Welche Maßnahmen setzen Arbeitgeber ein, um die betriebliche Mitbestimmung zu verhindern und was können Sie als Betriebsrat dagegen tun? Für eine neue, von der Hans-Böcker-Stiftung geförderte Studie mit dem Titel „Kampf um Mitbestimmung – Antworten auf ´Union Busting´ und die Behinderung von Betriebsräten“.
Mit einer Bandbreite an Maßnahmen werden Betriebsratsgremien systematisch in ihrer Arbeit behindert.
Prof. Dr. Markus Hertwig und Oliver Thünken (Technische Universität Chemnitz, Professur Soziologie mit Schwerpunkt Arbeit und Organisation) zusammen mit Alrun Fischer und Sissy Morgenroth von der Beratungsgesellschaft AFB am Beispiel von 28 Unternehmen die Strategien von mitbestimmungsfeindlichen Arbeitgebern untersucht. Nach ihrer Analyse gibt es eine Bandbreite an Maßnahmen, die eingesetzt werden, um Betriebsratsgremien systematisch an ihrer Arbeit zu hindern.
In diesen Fällen sollten Sie aufhorchen:
Der Arbeitgeber informiert Sie als Betriebsrat zu spät oder nur unvollständig
Die Geschäftsleitung hält sich nicht an vereinbarte Fristen
Anfragen werden ignoriert und Termine nicht wahrgenommen
Der Arbeitgeber versucht, die Teilnahme an Schulungen oder Betriebsratssitzungen zu verhindern
Der Arbeitgeber strebt offensichtlich die Spaltung der Belegschaft an, z. B. durch „arbeitgeberfreundliche“ Listen bei der Betriebsratswahl oder durch Angriffe auf einzelne Betriebsräte (z. B. durch willkürliche Versetzungen, Drohungen oder Abmahnungen und Kündigungen)
Im Extremfall kann es sogar vorkommen, dass die Geschäftsleitung mit der Restrukturierung oder Schließung einer ganzen Abteilung oder eines Standortes droht
Auch in Unternehmen, in denen ein Betriebsrat erst gegründet werden soll, greifen manche Arbeitgeber zu drastischen Mitteln. Wie die dritte WSI-Befragung zur Be- und Verhinderung von Betriebsratswahlen zeigt, wird hier von Unternehmensseite oft extremer Druck ausgeübt, um eine Betriebsratswahl gar nicht erst stattfinden zu lassen.
Oft wird von Unternehmensseite extremer Druck ausgeübt, um eine Betriebsratswahl gar nicht erst stattfinden zu lassen.
Was hilft bei Betriebsratsfressern?
Vorneweg das Wichtigste: Sowohl die Behinderung der Wahl eines Betriebsratsals auch die Behinderung der Betriebsratstätigkeit ist eine Straftat und kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden (vgl. §§ 119 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG). Das heißt, wenn eine vorsätzliche Behinderung vorliegt, können Sie auf dem rechtlichen Weg dagegen vorgehen. Ein Verfahren zieht sich aber oft lange hin, frisst Nerven und Ressourcen – und bleibt am Ende leider in der Praxis häufig folgenlos.
Wenn Sie es in Ihrem Betrieb mit einem betriebsratsfeindlichen Arbeitgeber zu tun haben, versuchen Sie es zunächst auf einem anderen Weg: Sichern Sie sich den Rückhalt der Belegschaft! Wie die Studie „Kampf um Mitbestimmung“ betont, ist dies oft „der entscheidende Faktor“:
- Betreiben Sie eine transparente Interessenvertretung, die sich auf die Sache konzentriert
- Informieren Sie die Belegschaft regelmäßig über das, was Sie tun
- Ziehen Sie die Kollegen in strategische Entscheidungen mit ein, z. B. durch Umfragen in Abteilungs- oder Betriebsversammlungen
- Halten Sie regelmäßig Sprechstunden und gehen Sie auch von sich aus auf Kollegen zu.
Wer als Gremium damit rechnen kann, dass die Belegschaft zum Betriebsrat hält, hat bessere Karten. Denn so führen Schikanen des Arbeitgebers nicht zur Spaltung der Kollegen, sondern zur Solidarisierung. So wird der Druck auf den Arbeitgeber erhöht.
„Der Kampf um die Mitbestimmung entscheidet sich nicht vor Gericht, sondern im Betrieb“ – so die Forscher.
Es braucht rechtliche Reformen!
Zusätzlich empfiehlt die Studie rechtliche Reformen, um die Interessenarbeit besser zu schützen – unter anderem einen Ausbau des Kündigungsschutzes für Mitglieder des Wahlvorstands, höhere Strafmaße und die Umwandlung der Mitbestimmungsbehinderung von einem Antrags- in ein Offizialdelikt. Bei letzterem ist eine Strafverfolgung nämlich auch ohne Anzeige der Betroffenen möglich. (NB)