Nicht überall schaut es düster aus
Immerhin: In mehr als 60 Prozent der Betriebe mit Mitbestimmung ist laut einer WSI-Studie von 2021 die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber gut oder sehr gut. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit ist schließlich auch Pflicht für beide Parteien (§ 2 Abs. 1 BetrVG) und die Basis für faire Regelungen, die sowohl den Arbeitnehmern als auch dem Betrieb zugutekommen.
Trotzdem ist die Mitbestimmung vielen Unternehmern ein Dorn im Auge. Systematisch untergraben sie die Arbeit des Betriebsrats oder gehen aktiv gegen anstehende Betriebsratswahlen vor.
Besonders betroffen: Neugründungen
Die Betriebsrätebefragung der Hans-Böckler-Stiftung 2024 hat gezeigt: Mehr als jede fünfte erstmalige Betriebsratswahl wurde von Arbeitgebern torpediert – und in beinahe der Hälfte dieser Fälle kam die Gründung am Ende nicht zustande. Beliebte Union-Busting-Methoden sind die Einschüchterung von Kandidaten, die Blockierung des Wahlvorstands bis hin zur Kündigung von Initiatoren. In einigen Fällen heuerten Unternehmer sogar spezialisierte Berater zur Beeinflussung oder Verhinderung der Betriebsratswahl an.
Doch selbst etablierte BR-Gremien sind vor einer Behinderung durch den Arbeitgeber nicht gefeit
Mit einer Bandbreite an Maßnahmen werden Betriebsratsgremien systematisch in ihrer Arbeit behindert.
Behinderung der Mitbestimmung: So gehen Arbeitgeber vor
Welche Maßnahmen setzen Arbeitgeber ein, um die betriebliche Mitbestimmung zu verhindern? Die von der Hans-Böcker-Stiftung geförderte Studie „Kampf um Mitbestimmung – Antworten auf ‚Union Busting‘ und die Behinderung von Betriebsräten“ verweist auf eine Bandbreite an Maßnahmen, durch die BR-Gremien systematisch in ihrer Arbeit behindert werden.
In diesen Fällen sollten Sie aufhorchen:
Der Arbeitgeber informiert Sie als Betriebsrat zu spät oder nur unvollständig.
Die Geschäftsleitung hält sich nicht an vereinbarte Fristen.
Anfragen werden ignoriert und Termine nicht wahrgenommen.
Der Arbeitgeber versucht, die Teilnahme an Schulungen oder Betriebsratssitzungen zu verhindern.
Der Arbeitgeber strebt offensichtlich die Spaltung der Belegschaft an, z. B. durch „arbeitgeberfreundliche“ Listen bei der Betriebsratswahl oder durch Angriffe auf einzelne Betriebsräte (z. B. durch willkürliche Versetzungen, Drohungen oder Abmahnungen und Kündigungen).
Im Extremfall kann es sogar vorkommen, dass die Geschäftsleitung mit der Restrukturierung oder Schließung einer ganzen Abteilung oder eines Standortes droht.
„Der Kampf um die Mitbestimmung entscheidet sich nicht vor Gericht, sondern im Betrieb.“
Was hilft bei Betriebsratsfressern?
Vorneweg das Wichtigste: Sowohl die Behinderung der Wahl eines Betriebsratsals auch die Behinderung der Betriebsratstätigkeit ist eine Straftat und kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden (vgl. §§ 119 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG). Das heißt, wenn eine vorsätzliche Behinderung vorliegt, können Sie auf dem rechtlichen Weg dagegen vorgehen. Ein Verfahren zieht sich aber oft lange hin, frisst Nerven und Ressourcen – und bleibt am Ende leider in der Praxis häufig folgenlos.
Wenn Sie es in Ihrem Betrieb mit einem betriebsratsfeindlichen Arbeitgeber zu tun haben, versuchen Sie es zunächst auf einem anderen Weg: Sichern Sie sich den Rückhalt der Belegschaft! Wie die Studie „Kampf um Mitbestimmung“ betont, ist dies oft „der entscheidende Faktor“:
- Betreiben Sie eine transparente Interessenvertretung, die sich auf die Sache konzentriert.
- Informieren Sie die Belegschaft regelmäßig über das, was Sie tun.
- Ziehen Sie die Kollegen in strategische Entscheidungen mit ein, z. B. durch Umfragen in Abteilungs- oder Betriebsversammlungen.
- Halten Sie regelmäßig Sprechstunden und gehen Sie auch von sich aus auf Kollegen zu.
Wer als Gremium damit rechnen kann, dass die Belegschaft zum Betriebsrat hält, hat bessere Karten. Denn so führen Schikanen des Arbeitgebers nicht zur Spaltung der Kollegen, sondern zur Solidarisierung. So wird der Druck auf den Arbeitgeber erhöht.
„Der Kampf um die Mitbestimmung entscheidet sich nicht vor Gericht, sondern im Betrieb“ – so die Forscher. Trotzdem müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen dringend verbessert werden.
Es braucht rechtliche Reformen!
Zwar ist die Behinderung der Betriebsratsarbeit bereits eine Straftat – allerdings handelt es sich um ein sogenanntes „Antragsdelikt“, das von der Staatsanwaltschaft nur auf Antrag des Betriebsrats, Wahlvorstands oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft verfolgt. Schon 2022 hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil deshalb eine Verschärfung des Strafrechts gefordert. Im Referentenentwurf von 2024 für das Tariftreuegesetz war vorgesehen, den Tatbestand der Betriebsratsbehinderung künftig zum Offizialdelikt zu machen. Sobald eine Strafverfolgungsbehörde von entsprechenden Vorfällen erfährt, muss sie die Tat dann von Amts wegen verfolgen und Ermittlungen aufnehmen.
Was nach der neuen Regierungsbildung 2025 daraus wird, ist aber noch unklar. Wir sind gespannt – und halten Sie natürlich auf dem Laufenden. (nb)