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News Ersatzmitglied Ersatzmitglied rückt automatisch nach

Ersatzmitglied rückt automatisch nach

Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds

Das Ersatzmitglied: Niemand hat es informiert, es weiß von keiner Verhinderung, es hat auch keine Betriebsratstätigkeit ausgeübt und trotzdem rückt es im Verhinderungsfall eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds automatisch nach und genießt den vollen Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 103 BetrVG! Dies hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt. Viele Betriebsräte und Ersatzmitglieder kennen diese für die Praxis sehr wichtige Rechtsprechung nicht, wie unser Referent Michael Luthin aus zahlreichen Seminaren weiß.

Michael Luthin

Michael Luthin

Stand:  9.10.2015
Ersatzmitglied Betriebsrat | © Fotolia.de | Woodapple

Eine bislang nicht sonderlich beachtete Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 8.9.2011, 2 AZR 388/10) hat es eindeutig klargestellt: Ein Ersatzmitglied rückt in die Position als Betriebsrat nach, auch wenn es in der Zeit der Verhinderung des ordentlichen Betriebsratsmitgliedes tatsächlich gar keine Aufgaben als Betriebsrat wahrnimmt. Der bloße Verhinderungsfall eines Mitglieds des Betriebsrats, wie Urlaub, Arbeitsunfähigkeit, Dienstreise, Seminarteilnahme oder die eigene Betroffenheit in einer Angelegenheit etc. reicht aus, um den vollen besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 103 BetrVG zu Gunsten des Ersatzmitgliedes zu entfalten.

Was ist passiert?

Bei der Arbeitgeberin, die weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt, ist ein fünfköpfiger Betriebsrat gewählt, der Kläger war erstes Ersatzmitglied. Am 15.4.2009 hatte ein Mitglied des Betriebsrats Urlaub. Trotzdem nahm dieses beurlaubte Betriebsratsmitglied – nach telefonischer Abstimmung mit der Betriebsratsvorsitzenden – an einem Beratungsgespräch in einer Rechtsanwaltskanzlei teil.

Am gleichen Tag erhielt der Kläger eine fristlose Kündigung. Er ist aber der Meinung, dass ihm beim Zugang der Kündigung der Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG zugestanden habe, weil er am Morgen des 15.4.2009 für das urlaubsbedingt verhinderte ordentliche Mitglied in den Betriebsrat automatisch nachgerückt sei.

Das sagt das BAG

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Ersatzmitglied Recht. Die Kündigung ist unwirksam, da sie ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats erklärt worden ist. Der Kläger war am 15.4.2009 mit Beginn dieses Arbeitstags für das urlaubsbedingt verhinderte Betriebsratsmitglied in den Betriebsrat nachgerückt, so die Richter. Ihm stand damit im Kündigungszeitpunkt der besondere Kündigungsschutz zu.

Das Bundesarbeitsgericht stellt in seiner Entscheidung klar:

  1. Wird einem Betriebsratsmitglied Erholungsurlaub bewilligt, führt dies nicht nur zum Ruhen seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung, sondern zugleich zur Suspendierung seiner Amtspflichten. Dem Betriebsratsmitglied wird zwar aufgrund des Erholungsurlaubs die Verrichtung seiner Amtspflichten nicht ohne weiteres objektiv unmöglich, grundsätzlich aber unzumutbar. Das beurlaubte Betriebsratsmitglied gilt zumindest so lange als zeitweilig verhindert, bis es seine Bereitschaft, gleichwohl Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, positiv anzeigt.
  2. Anders, als man es sonst von den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts kennt, kommt es vorliegend gerade nicht auf den Einzelfall an, denn „Hinge die Beurteilung, ob einem Betriebsratsmitglied während des Urlaubs eine Betriebsratstätigkeit persönlich zumutbar ist oder nicht, von den Umständen des Einzelfalls ab, würde dies die Feststellung einer Verhinderung erheblich erschweren. Dies wiederum würde zum einen die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigen ... Es bedarf deshalb einfacher, klarer Kriterien für die Feststellung einer zeitweiligen Verhinderung.“
  3. Das Ersatzmitglied erwirbt den Sonderkündigungsschutzschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für die Dauer der Verhinderung des Betriebsratsmitglieds.
    „Der Schutz hängt nicht davon ab, dass das Ersatzmitglied während der Vertretungszeit tatsächlich Betriebsratsaufgaben erledigt.“ Der besondere Schutz setzt im Urlaubsfall regelmäßig mit dem üblichen Arbeitsbeginn am ersten Urlaubstag des verhinderten Betriebsratsmitglieds ein.
  4. Ersatzmitglieder vertreten ordentliche Mitglieder des Betriebsrats nicht nur in einzelnen Amtsgeschäften, wie etwa in der Teilnahme an Betriebsratssitzungen. Sie rücken vielmehr gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Dauer der Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds in den Betriebsrat nach.
  5. „Der Eintritt des Ersatzmitglieds vollzieht sich automatisch mit Beginn des Verhinderungsfalls. Er hängt nicht davon ab, dass die Verhinderung des ordentlichen Mitglieds dem Ersatzmitglied bekannt ist“.
  6.  

Auch bei nur kurzzeitiger Verhinderung

Dem Kündigungsschutz steht auch nicht entgegen, dass sich das beurlaubte Betriebsratsmitglied noch am 15.4.2009 bereit erklärt hat, trotz des Urlaubs einen Betriebsrats-Termin beim Rechtsanwalt wahrzunehmen. Es ist schon fraglich, ob damit seine Verhinderung entfiel. Aber selbst wenn man dies annehmen würde, so wäre damit für das Ersatzmitglied trotzdem nicht der nachträgliche Wegfall des zuvor erworbenen Kündigungsschutzes verbunden. Denn der besondere Schutz aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG steht dem Ersatzmitglied unabhängig von der Dauer des Verhinderungsfalls zu –damit auch bei einer nur kurzzeitigen Verhinderung.

Überraschend klar!

Die Entscheidung überrascht und ist dankenswerter Weise an Klarheit nicht zu übertreffen.

Für den Betriebsrat und dessen Ersatzmitglieder heißt dies in Zukunft, noch genauer zu vermerken, wann und für welchen Zeitraum ein Verhinderungsfall im Sinne § 25 Abs. 1 BetrVG vorliegt, da das entsprechende Ersatzmitglied ohne weiteres Zutun, also automatisch nachrückt und den besonderen Kündigungsschutz eines Betriebsrats gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG, § 103 BetrVG genießt.

Aber Achtung: Außerhalb des Vertretungsfalls genießen Ersatzmitglieder nur den nachwirkenden Kündigungsschutz eines Betriebsrats gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG, wenn das Ersatzmitglied im Vertretungsfall tatsächlich Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat (BAG vom 12.02.2004, 2 AZR 163/03).

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