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Zalando-BRV Rico Baganz und sein nicht alltäglicher Werdegang
Eigentlich hatte Rico Baganz gar nicht den Plan, bei den Zalando Studios in Berlin für den allerersten Betriebsrat zu kandidieren. Mittlerweile ist er freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Und: Er hat „Blut geleckt“. Die Arbeit mit Kollegen, Management und Paragrafen macht ihm so viel Spaß, dass er ein Jurastudium begonnen hat – nebenbei wohl gemerkt. Vielleicht wird das Gremium der Zalando Studios konzernintern auch deshalb als der Betriebsrat mit den schärfsten Zähnen bezeichnet.
2018 wird bei den Zalando Studios in Berlin erstmals ein Betriebsrat gewählt. Da war Rico Baganz erst ein halbes Jahr im Unternehmen. Er lässt sich dennoch aufstellen und wird prompt als Ersatzmitglied ins Gremium gewählt. Nicht schlecht, dafür, „dass mich eigentlich keiner kannte“. Im Vorfeld der Wahl hatte das Unternehmen angekündigt, die flexiblen Arbeitszeiten abzuschaffen – eine bescheidene Aussicht für ihn als Familienvater und der Initialgrund für sein Engagement. Aufgrund diverser Urlaube und Fehlzeiten ist er bereits in der Folgezeit in vielen Sitzungen dabei, später übernimmt er weitere Aufgaben wie etwa das Protokollieren. Als die ehemalige Vorsitzende quasi über Nacht ausfällt, wird der 41-Jährige zum Sprecher der Betriebsversammlung auserkoren. Er erntet viel Lob und wird später, als die amtierende Vorsitzende die Firma verlässt, prompt zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt – bei der Wahl 2022 wird er in seinem Amt erneut gewählt.
Dabei geht es Rico wie so vielen Betriebsratsvorsitzenden hierzulande: Unverhofft kommt oft! Seine berufliche Laufbahn begonnen hatte er einst als Chemielaborant, hinterher wollte er eigentlich Geologie studieren. Er schwenkte um, folgte seiner anderen Leidenschaft und studiert Mediendesign. Nach einigen Jahren als Freelancer landet er in einem Fotostudio und schließlich bei den Zalando Studios in der Bildbearbeitung. Dazu muss man wissen, dass der Bestellriese Zalando der Mutterkonzern der Studios ist. „Wir kümmern uns um Fotos, Videos, Bildbeschreibungen, das ganze Copyright“, erklärt Rico. Die rund 330 Mitarbeiter sind entsprechend Fotografen, Bildbearbeiter, Creative Artists, Art Worker – ein bunter Haufen, was sich auch im Betriebsratsgremium widerspiegelt. Seine Betriebsratskollegen kommen aus Deutschland, aber auch den USA, Australien, Indien, Rumänien, Schweden und Italien. Die offizielle Sprache in den Sitzungen? Englisch! „Wir sind ein gutes Team, auch wenn es schon mal knatscht“, sagt Rico darüber. Er ist froh über die verschiedenen Sichtweisen seiner Multikulti-Truppe.
© Rico Baganz
Flexibilität zeigt das Gremium bei der Rollenverteilung: Die Position des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden rotiert, alle drei Monate ist jemand anderes dran. Derzeit stehen für die neun ordentlichen Mitglieder und fünf Ersatzmitglieder jede Menge Aufgaben auf der Tagesordnung. Allen voran Beratungen der Mitarbeiter, häufig dreht es sich um arbeitsrechtliche Fragen oder Konfliktlösungen. Dazu sitzen sie momentan intensiv an der Ausarbeitung einer Betriebsvereinbarung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement.
Ein Aufschrei ging im Februar durch Berlin-Friedrichshain, als Zalando öffentlich ankündigte, hunderte Stellen streichen zu wollen. „Über das Thema können wir fast ein Buch schreiben“, sagt Rico Baganz vielsagend. Das Management hatte den Betriebsrat unmittelbar vor Veröffentlichung der Pressemitteilung informiert. Warum so kurzfristig? Darüber möchte Rico nicht spekulieren. In jedem Fall musste schnell in den Krisenmodus umgeschaltet werden. Er informierte seine Betriebsratskollegen, „das war ungefähr eine halbe Stunde, bevor die Belegschaft es erfahren hat“. Die Gesichter wurden bleich, so richtig Bescheid wusste keiner. „Bisher ist relativ wenig passiert, wobei ohnehin nur ‚Overheads‘ betroffen sein sollen. Außerdem sind die Studios bei einem Personalabbau wohl außen vor“, relativiert Rico. Also viel Aufregung um nichts? Das bleibt abzuwarten. Der erwartete Ansturm an Rückfragen aus der Belegschaft blieb jedenfalls aus. Und wenn sich doch noch etwas bewegt? „Dann werden wir uns mit allen Mitteln wappnen“, verspricht der Betriebsratsvorsitzende. Auszuschließen ist es jedenfalls nicht, schließlich steckt die Modebranche in der Krise. Ganze Kaufhausketten schließen und auch der Online-Handel scheint Probleme zu haben. Klar, schließlich waren Unternehmen wie Zalando während der Corona-Zeit oft die einzige Hoffnung auf neue Klamotten. Das ist vorbei, hinzu kommen Unsicherheiten wie der Klimawandel, der Krieg und die Inflation.
© Rico Baganz
Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung bezeichnet Rico als ordentlich. „Sie geben sich Mühe und menschlich klappt es sehr gut.“ Das war jedoch nicht immer so. Kurz nachdem bei den Zalando Studios der erste Betriebsrat seine Arbeit aufnahm – es war nach Logistics und Customer Care der dritte Betriebsrat im Konzern – gab es Probleme: Meeting wurden abgesagt, Vorschläge ignoriert, es fehlte schlicht an der Akzeptanz. „Mittlerweile ist der Betriebsrat entdämonisiert“, sagt Rico dazu. Heute werden sie immer häufiger um Rat gefragt, auch von den anderen Betriebsräten im Konzern. „Wir galten lange Zeit als Betriebsrat mit den schärfsten Zähnen, der die Buchstaben des Gesetzes auch mal auf Teufel komm raus durchgedrückt hat.“ Und wer weiß, vielleicht liegt ja ein Zalando-Konzern-Betriebsrat gar nicht mal in allzu weiter Ferne.
Wie es für Rico nach dieser Amtsperiode weitergeht, kann er noch nicht abschließend beantworten. Vielleicht ist er dann schon im juristischen Bereich tätig. Sicherlich wäre es keine Überraschung, würde er erneut als Betriebsrat kandidieren. Gut möglich, dass er also noch länger dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern als Interessenvertreter dient. Denn als vor nicht allzu langer Zeit das Leben in all seiner grausamen Härte zuschlug, was letztlich in einer familiären Tragödie endete, erfuhr Rico eine unglaubliche Unterstützung von seinen Kollegen, aber auch vom Unternehmen selbst. „Da hat man gemerkt, dass wir hier irgendwie eine Familie sind“, sagt er und schiebt nach: „Auch deshalb engagiere ich mich als Betriebsrat – ich möchte etwas zurückgeben.“ (tis)
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