Keine Sorge, als Interessenvertreter müssen Sie kein Paragrafenreiter sein. Trotzdem sollte man sich ein bisschen einlesen in die Welt der Gesetze. Denn leider gibt es kein einheitliches Arbeitsgesetz bei uns, in dem alles Wichtige zusammengefasst ist. Stattdessen bietet das Arbeitsrecht eine Fülle unterschiedlicher Rechtsgrundlagen. Als ersten Schritt ist es hilfreich, die Struktur unserer Gesetze zu verstehen.
Strenge Ordnung
Bei den Rechtsgrundlagen geht es streng zu, denn sie stehen in einer „hierarchischen Ordnung". Das bedeutet, dass manche Gesetze Vorrang vor anderen haben.
Die Rangordnung lautet wie folgt:
• Europarecht
• Grundgesetz
• Deutsche Gesetze
• Rechtsverordnungen
Anschließend folgen noch das Tarifrecht, Betriebsvereinbarungen sowie der Arbeitsvertrag.
Europäisches Recht hat große Auswirkungen auf unser Arbeitsrecht!
Europarecht an der Spitze
„Europarecht bricht nationales Recht". Diesen Grundsatz lernen Juristen schon im ersten Semester. Warum? Es ist sehr wichtig zu wissen, welche Vorschriften in der Praxis Vorrang haben. Und europäisches Recht hat zum Teil große Auswirkungen auf unser Arbeitsrecht!
Hierzu gehört z.B. die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU (Art. 39 EGV): Jeder Europäer hat das Recht, innerhalb der EU seinen Arbeitsplatz frei zu wählen.
Häufig findet europäisches Recht über Richtlinien und Verordnungen Einzug bei uns. Beispiele sind die Arbeitszeitrichtlinie (umgesetzt durch das Arbeitszeitgesetz, ArbzG) und die Antidiskriminierungsrichtlinien (umgesetzt durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG).
Grundrechte greifen an verschiedenen Stellen in das Arbeitsrecht ein.
Grundgesetz: Unsere starke Verfassung
Grundrechte für Betriebsräte und Arbeitnehmer? Das klingt erstmal gut. Allerdings garantiert unsere Verfassung nicht nur Rechte, sondern bringt auch Pflichten mit sich. Denn die Grundrechte greifen an verschiedenen Stellen in das Arbeitsrecht ein. Hierzu ein paar Beispiele:
• Keine Willkür!
Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sichert die Gleichbehandlung unter uns Bürgern. Und das Beste: Er gilt auch im Arbeitsrecht, denn auch Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmer gleich behandeln. Wir merken das in unseren Portmonees, wenn es um zusätzliche Entgeltleistungen bzw. Sondervergütungen wie Weihnachtsgeld geht. Hier ist Willkür ausgeschlossen.
• Keine Diskriminierung!
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Und natürlich darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. So steht es in Art. 3 Abs. 3 GG.
Für die Betriebsratsarbeit ein wichtiger Grundsatz, der sich in § 75 Abs. 1 BetrVG wiederfindet. Dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begegnen Betriebsräte immer wieder!
• Kein Maulkorb!
Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 u. 3 GG). Ein in der Praxis sehr wichtiges Recht, das vor Sanktionen durch den Arbeitgeber schützt. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass jeder reden kann, wie ihm der Schnabel gewachsen ist! Sachliche Kritik ist ok und sogar zuweilen sehr hilfreich; Beleidigungen, Lügen und herabwürdigenden Äußerungen muss man definitiv unterlassen.
Das Grundgesetz sollte jedem Betriebsrat geläufig sein. Denn schließlich hat er nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze durchgeführt werden. Und damit sind natürlich auf die Grundrechte gemeint.
Die „Bibel" für die Betriebsratsarbeit ist das Betriebsverfassungsgesetz.
Fülle an deutschen Gesetzen
Last but not least in dieser Normenhierarchie folgen unsere Gesetze. Und davon gibt es viele!
• Die „Bibel" für die Betriebsratsarbeit, und damit an erster Stelle, steht natürlich das Betriebsverfassungsgesetz.
Weitere wichtige Gesetze, mit denen Betriebsräte regelmäßig zu tun haben, sind u.a.:
• das Kündigungsschutzgesetz (KSchG),
• das Arbeitszeitgesetz (ArbZG),
• das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG),
• das Sozialgesetzbuch (SGB) und
• das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).
Jetzt keine Panik!
Jetzt bloß keine Panik; auch wenn Sie sich vielleicht fühlen, als würden Sie vor einem Berg stehen. Gehen Sie strategisch vor und planen Schritt für Schritt, welches Wissen Sie sich zuerst aneignen wollen.
Auch wenn manche Paragrafen vielleicht auf den ersten Blick nicht selbsterklärend sind oder sich sogar recht „schwülstig" anhören: Jedes Gesetz lässt sich knacken – und hilft bei einer guten, soliden Betriebsratsarbeit. Und am Ende kennen Sie sich vielleicht sogar deutlich besser aus als Ihr Chef. (cbo)