Mit seinen 396.960 Einwohnern (Stand: 3. Quartal 2023) ist Island bei einer Bevölkerungsdichte von 3,88 Einwohnern pro km² der am dünnsten besiedelte Staat der Welt. Trotz der niedrigen Temperaturen zählt Island zu den Ländern mit der höchsten Lebensqualität weltweit. Kaum Kriminalität, ein kinderfreundliches Sozialsystem, geringe Umweltverschmutzung und eine hohe Lebenserwartung sind nur einige der Faktoren, die zu Islands Spitzenplatz im internationalen Ranking beitragen. Besonders interessant für Betriebsräte: Island hat den geringsten Gender Pay Gap (Geschlechtsspezifisches Lohngefälle) weltweit.
Arbeiten in Island
Das Arbeitsleben der Isländer ist nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes deutlich länger als in vielen anderen Ländern. Isländische Männer arbeiten etwa 49 Jahre ihres Lebens, isländische Frauen etwa 45 Jahre. Kein Wunder also, dass das fleißige Inselvolk sich 2021 eine bessere Work-Life-Balance gegönnt hat. Heute haben 86 Prozent der Isländer einen Rechtsanspruch auf eine verminderte Arbeitszeit von 35 bis 36 Stunden pro Woche – im Pflege-Schichtdienst sind es sogar 32 Stunden – bei vollem Lohnausgleich. Die Erwerbstätigenquote ist besonders bei älteren Arbeitnehmern hoch: 79,10 % der 60- bis 64-Jährigen sind erwerbstätig. Zum Vergleich: In Deutschland sind es nur 63,30 %.
Rentensystem – Top auf Platz 2
Island ist bekannt als das Land der Geysire, Vulkane und Feen. Übrigens glauben 8 % der Isländer fest an die Existenz von Feen, 16,5 % halten es für wahrscheinlich, 31 % für möglich, 21,5 % für unwahrscheinlich und 13,5 % für unmöglich. Der Rest hat keine Meinung. Vielleicht haben die Feen auch ein wenig bei der Gestaltung des Rentensystems mitgeholfen, denn laut Mercer CFA Institute Global Pension Index 2023 galt es jahrelang als das Beste der Welt. Inzwischen ist es hinter die Niederlande auf Platz 2 gerutscht. Trotzdem lohnt sich ein genauerer Blick.
Volksrente und Zusatzrente – zwei wichtige Säulen
In Island besteht das Rentensystem aus zwei sich ergänzenden Säulen, die eine umfassende Absicherung im Alter gewährleisten: Auf der einen Seite steht das Volksrentensystem (Fjölskyldutryggingar), das für die gesamte Bevölkerung gilt, unabhängig von ihrem derzeitigen oder vergangenen Arbeitsstatus. Auf der anderen Seite gibt es das Zusatzrentensystem (Lífeyrissjóðir), aus dem Ansprüche für alle (ehemals) erwerbstätigen Personen entstehen. In der Regel erhält jede ältere Person somit zwei Renten.
Volle Volksrente – ab 67 und 40 Jahren auf der Insel
Das allgemeine Rentensystem wird von der Staatlichen Sozialversicherungsanstalt in Reykjavík (Tryggingastofnun Ríkisins) unter der Aufsicht des Sozialministeriums (Velferðarráðuneytið) verwaltet. Die Volksrente stellt eine garantierte Mindestrente dar, die jeder Bürger erhält, der in der Regel 67 Jahre oder älter ist und mindestens drei Jahre auf der Insel gelebt hat. Finanziert wird sie durch Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitgeber. Die Höhe der Volksrente steigt mit der Anzahl der Jahre, die ein Bürger auf der Insel lebt. Personen, die 40 Jahre auf der Insel verbracht haben, erhalten die volle Grundrente, während diejenigen, die kürzer dort leben, geringere Bezüge bekommen.
Die Volksrente wird jährlich entsprechend der Haushaltslage angepasst. Dabei wird insbesondere die Lohnentwicklung berücksichtigt, wobei der Anstieg der Rente mindestens dem Anstieg des Lebenshaltungskostenindex entsprechen muss. So wird gewährleistet, dass jeder ältere Bürger eine angemessene Grundversorgung erhält.
Die volle Grundrente lag im Jahr 2023 bei 698.664 ISK (4.612 Euro) monatlich. Dieser Betrag gilt für Alleinstehende, während verheiratete oder nicht verheiratete Paare andere Beträge erhalten. Trotz der scheinbar hohen Summe ist dies aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Island nicht besonders üppig. Diese sind etwa 50 Prozent höher als in Deutschland, da viele Dinge importiert werden müssen. Ein Beispiel: Für eine Pizza Margherita muss ein Isländer ungefähr 15 bis 17 Euro bezahlen.
Die Zusatzrente – das zweite Standbein
Auf der Insel müssen alle Arbeitnehmer und Selbstständigen im Alter von 16 bis 70 Jahren einem Pensionsfonds beitreten und Beiträge zahlen. Der Mindestbeitragssatz beläuft sich bei abhängig Beschäftigten auf 15,5 Prozent des Bruttoarbeitsentgeltes. Davon trägt der Arbeitnehmer vier Prozent und der Arbeitgeber 11,5 Prozent. Tarifvereinbarungen können höhere oder abweichende Beiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorsehen. Selbstständige zahlen diesen Beitrag allein.
Die Pensionsfonds unterscheiden sich je nach Beruf und werden vom Finanzministerium (Fjármála- og Efnahagsráðuneytið) überwacht. Sie bieten verschiedene Leistungen wie Altersrenten, Invaliditätsrenten und Hinterbliebenenrenten an. Diese Renten sichern den Lebensunterhalt im Alter und passen sich regelmäßig wirtschaftlichen Veränderungen an, um eine stabile Versorgung zu gewährleisten.
Kinderrente, Zuschüsse, Abzüge
Das Volksrentensystem bietet ebenfalls eine Kinderrente (barnalífeyrir), eine Waisenrente für Kinder unter 18 Jahren beim Verlust eines Elternteils, auch für adoptierte und Stiefkinder. Voraussetzung ist, dass das Kind oder ein Elternteil seit mindestens drei Jahren auf der Insel lebt. Die Rente wird an die Mutter oder den Vater gezahlt, der das Kind unterhält, oder an die Person, die den Unterhalt bestreitet. Es sind auch weitere Zuschüsse möglich, z.B. zur Haushaltsunterstützung.
Finanzstarke Rentner bekommen allerdings weniger oder gehen unter bestimmten Voraussetzungen ganz leer aus. Vor der Auszahlung wird eine Einkommensprüfung durchgeführt. Erzielt der Rentner zusätzliche Einkünfte, etwa aus Vermietung, wird die Rente reduziert. Das steuerpflichtige Einkommen des Ehepartners, mit Ausnahme von gemeinsamen Kapitaleinkommen, wird nicht angerechnet.
Fazit:
Der Vergleich von Rentensystemen ist ähnlich wie ein Besuch im Isländischen Phallusmuseum in Reykjavik: Man entdeckt sowohl Gemeinsamkeiten als auch große Unterschiede. Dort sieht man das mächtige 1,70 Meter lange Glied eines Pottwals neben dem winzigen, 2 Millimeter kleinen des Marienkäfers ausgestellt. Trotzdem lohnt sich der Versuch: Island hat ein sehr stabiles und gut bewertetes Rentensystem, das eine hohe Angemessenheit und Nachhaltigkeit bietet. Deutschland hingegen steht vor Herausforderungen bezüglich der Zukunftsfähigkeit seines Rentensystems. Es könnte von den Stärken des isländischen Systems lernen, insbesondere in Bezug auf die Sicherstellung einer Mindestrente und die Einbeziehung privater Altersvorsorge. Und vielleicht sollten wir auch den Glauben an Feen und Irrlichter nicht ganz aufgeben, um mit positiver Energie die nächsten Veränderungen im Rentensystem anzugehen. (sw)