Folgende Situation wurde mir kürzlich während eines SBV-Seminars von einer Teilnehmerin geschildert:
„Einer meine Schutzbefohlenen hatte wegen einer psychischen Erkrankung auf Anraten ihres Arztes die Umgestaltung ihres Arbeitsplatzes beantragt, um Belastungen zu reduzieren. Angedacht hatten wir zum Beispiel die Anpassung ihres Arbeitszeitmodells und eine Umverteilung des Aufgabenbereichs. Hochmotiviert habe ich mich daraufhin in einer Betriebsratssitzung für die Umsetzung dieser Maßnahmen stark gemacht. Allerdings kippte im Laufe der Sitzung die Stimmung: Das Gremium diskutierte die Maßnahmen, hörte mir aber kaum noch zu und ignorierte meine Argumente. Ein Kollege meinte sogar, dass hier ja wieder Privilegien geschaffen würden, die nur Kosten verursachen, und ob das wirklich nötig sei. Ich fühlte mich richtig klein gemacht, frustriert und allein gelassen.“
Psychische Belastung durch fehlende Akzeptanz kennen Schwerbehindertenvertreter nicht nur wie in diesem Beispiel von Betriebsratskollegen. Diese sehen die SBV gelegentlich als Konkurrenz, wenn es um die Vertretung von Mitarbeiterinteressen geht. Die Geschäftsführung hingegen befürchtet hohe Kosten und Umstände, wenn es um die Belange schwerbehinderter Beschäftigter geht und zögert nicht selten die Umsetzung von Maßnahmen hinaus. Mitarbeitende wiederum stehen der Arbeit der SBV teilweise skeptisch gegenüber, da sie die Unterstützung von schwerbehinderten Kollegen und Kolleginnen als "Sonderbehandlung" wahrnehmen.
Diese Haltungen führen nicht selten zu einer Isolation der Schwerbehindertenvertretungen. Betroffene berichten von mangelnder Unterstützung, ausbleibender Kommunikation oder gar aktiver Ablehnung. Die Konsequenzen sind erheblich: Unsicherheit, Frustration und psychische Belastungen machen die Arbeit für die SBV zur Herausforderung und können im schlimmsten Fall zu Überlastung und sogar Erkrankung führen. Darunter leiden dann nicht nur die schwerbehinderten Beschäftigten, die auf eine wirksame innerbetriebliche Unterstützung angewiesen sind. Langfristig wird auch die gesamte Unternehmenskultur negativ beeinflusst, wenn Inklusion und Diversität im Betrieb in den Hintergrund gedrängt werden.
Die mangelnde Akzeptanz der Schwerbehindertenvertreter ist eine ernstzunehmende Herausforderung, der man mit gezielten Maßnahmen zur Sensibilisierung, Zusammenarbeit und Unterstützung entgegentreten kann. Selbstverständlich ist hier die Unternehmensführung in der Pflicht, doch Sie als SBV können ebenfalls einiges für die Akzeptanz und die Wertschätzung Ihrer Arbeit tun – zum Wohle aller Beteiligten und für Ihre eigene psychische Widerstandskraft und Gesundheit.
Schaffen Sie Transparenz und stärken Sie das Verständnis für Ihre Arbeit durch proaktive Öffentlichkeitsarbeit.
Hier kommen die wichtigsten Handlungsfelder und Tipps:
- Setzen Sie auf Kommunikation und machen Sie Erfolge sichtbar!
Schaffen Sie Transparenz und stärken Sie das Verständnis für Ihre Arbeit durch proaktive Öffentlichkeitsarbeit. Trommeln Sie! Ja genau, Werbung in eigener Sache ist gefragt. Nach meiner Erfahrung arbeiten viele Vertrauenspersonen im Verborgenen und scheuen sich vor Auftritten. Aber: Übung und evtl. eine Rhetorik Schulung machen den Meister. Und ein selbstbewusstes Äußeres stärkt auch innerlich und lässt Sie in schwierigen Situationen gelassener bleiben. Starten Sie zunächst z.B. mit regelmäßigen Rundschreiben und Beiträgen im Intranet. Und wenn Sie Angst vor einem Auftritt bei der Betriebsversammlung haben, üben Sie durch kleine Vorträge im übersichtlichen Kreis wohlgesonnener Menschen, z.B. bei den Treffen mit Ihren schwerbehinderten Kollegen im Betrieb. Dokumentieren und kommunizieren Sie gelungene Maßnahmen oder positive Veränderungen, die durch Ihre Arbeit erreicht wurden. Beispiele motivieren und zeigen den Mehrwert Ihrer Tätigkeit. Fragen Sie außerdem regelmäßig nach Rückmeldungen von Mitarbeitenden und Führungskräften, um die Wahrnehmung Ihrer Arbeit zu reflektieren und Optimierungspotenziale zu erkennen.
- Gewinnen Sie Bündnispartner!
Suchen Sie aktiv den Kontakt zu wichtigen Gremien wie Betriebsrat und Geschäftsführung, um sich als Partner zu positionieren. Finden Sie Verbündete, z. B. Führungskräfte und engagierte Kolleginnen und Kollegen, die Inklusion aktiv unterstützen. Starten Sie zudem (gemeinsam mit anderen) Projekte, die den gesamten Betrieb betreffen, wie Schulungen zur Sensibilisierung oder Aktionen zur Barrierefreiheit. Das schafft gemeinsame Erfolgserlebnisse und fördert die Anerkennung Ihrer Arbeit.
- Bauen Sie auf Fachwissen, Kompetenz und Strategie!
Vertiefen Sie Ihr Wissen über rechtliche Grundlagen, Arbeitsrecht und Inklusion. Gut informierte Interessenvertreter werden ernster genommen und können sicherer auftreten.
Machen Sie sich im Unternehmen als Fachperson für Inklusion und Barrierefreiheit bekannt. Je mehr Sie als kompetent und lösungsorientiert wahrgenommen werden, desto mehr wächst die Akzeptanz. Zudem sollten Sie sich klare und erreichbare Ziele für Ihre Arbeit setzen, und diese regelmäßig kommunizieren. Ein Plan gibt Ihnen Orientierung und motiviert durch Erfolge. Bereiten Sie sich zudem gut auf mögliche Konflikte vor, indem Sie sachliche Argumente und Lösungsansätze parat haben. Das gibt Selbstsicherheit und man wird Sie als kompetenten Gesprächspartner bei Konfliktklärungen schätzen.
- Nutzen Sie Netzwerke!
Knüpfen und pflegen Sie Kontakte zu anderen Schwerbehindertenvertretungen in Ihrer Region oder Branche. Der Austausch über Herausforderungen und Lösungen kann sehr bereichernd und stärkend sein. Und auch offizielle Stellen wie Behindertenverbände, Gewerkschaften oder das Integrationsamt können nicht nur fachlichen Input liefern, sondern unterstützen auch bei der Öffentlichkeitsarbeit und stellen Materialien und Fachleute für Marketingaktionen zur Verfügung.
- Priorisieren Sie Ihr eigenes Wohlbefinden!
Resilienz, d.h. die psychische Widerstandskraft und innere Stärke ist unabdingbar, um als Vertrauensperson ernst genommen und als Experte akzeptiert zu werden. Sich für andere einzusetzen, verlangt viel Kraft und Frustrationstoleranz. Diese können Sie nur aufbringen, wenn Sie gut für sich sorgen und Ihre psychischen Belastungen reduzieren. Ein guter Schlaf, die gesunde Abgrenzung von Job und Privatleben, „Nein“-sagen-können und die Akzeptanz von nicht änderbaren Dingen sind nur einige der Faktoren, die Sie lernen und verinnerlichen können, um sich psychisch zu stabilisieren.
- Zu guter Letzt: Üben Sie sich in Geduld und feiern Sie auch kleine Erfolge!
Veränderungen in der Unternehmenskultur und in der Wahrnehmung der SBV brauchen Zeit und Krisenkompetenz. Da heißt es: Bleiben Sie geduldig, auch wenn Fortschritte manchmal klein erscheinen und vertrauen Sie darauf, dass Kontinuität und Engagement langfristig Wirkung zeigen!