Laut des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) planen vier von zehn Unternehmen, 2025 Stellen abzubauen. Massenentlassungen sind selten das Ergebnis einer einzigen Krise – meist kommen mehrere Faktoren zusammen. Unternehmen stehen unter wirtschaftlichem Druck und streichen Stellen oft als erste Maßnahme zur Kostensenkung. Schließlich sind Personalkosten einer der größten Posten in der Bilanz. Doch nicht immer ist diese Entscheidung nachhaltig: Während Manager auf kurzfristige Einsparungen setzen, warnen Experten davor, dass der Verlust qualifizierter Mitarbeiter langfristig teuer werden kann.
Während neue Technologien Innovationen ermöglichen, machen sie gleichzeitig viele klassische Jobs überflüssig.
Hier einige Hauptgründe für die aktuellen Entlassungswellen:
- Wirtschaftliche Unsicherheiten und Rezession
Die weltweite Konjunktur schwächelt, die Zinsen sind hoch, Investitionen gehen zurück – viele Unternehmen reagieren darauf mit Sparmaßnahmen. In unsicheren Zeiten werden Personalstellen oft als erste Stellschraube genutzt, um Kosten zu senken. - Digitalisierung und Automatisierung
Während neue Technologien Innovationen ermöglichen, machen sie gleichzeitig viele klassische Jobs überflüssig. Unternehmen setzen zunehmend auf Künstliche Intelligenz und Automatisierung, müssen neue Strukturen und Arbeitsprozesse schaffen – und brauchen in manchen Bereichen deswegen einfach weniger Personal. - Fehlende oder gescheiterte Wachstumsstrategien
Besonders in der Tech-Branche haben viele Unternehmen jahrelang aggressiv expandiert und neue Mitarbeiter eingestellt. Bleiben die erhofften hohen Wachstumsraten aus, bleibt oft nur der Stellenabbau, um die Kosten wieder in den Griff zu bekommen. - Veränderte Marktbedingungen
Die Nachwirkungen der Pandemie, geopolitische Spannungen, Nachhaltigkeitsbestimmungen und gestiegene Energiekosten haben Geschäftsmodelle verändert. Unternehmen, die zuvor von Boom-Phasen profitiert haben, müssen sich nun an eine neue Realität anpassen – oft mit Personalabbau. - Druck von Investoren
Börsennotierte Unternehmen stehen unter Druck, hohe Gewinne zu erwirtschaften. Wenn die Zahlen nicht stimmen, fordern Investoren schnelle Maßnahmen – und das bedeutet oft Entlassungen, um kurzfristig die Bilanz aufzubessern.
Es wirkt paradox: Während Unternehmen tausende Mitarbeiter entlassen, wird gleichzeitig nach Fachkräften gesucht.
Warum gibt es trotz Massenentlassungen einen Fachkräftemangel?
Es wirkt paradox: Während Unternehmen tausende Mitarbeiter entlassen, wird gleichzeitig nach Fachkräften gesucht. Wie passt das zusammen?
Der Hauptgrund ist die Diskrepanz zwischen den gestrichenen Stellen und den benötigten Qualifikationen. Massenentlassungen betreffen häufig Verwaltungsbereiche, Produktion oder Support-Abteilungen, während in hochspezialisierten Bereichen wie IT, Künstliche Intelligenz oder Ingenieurwesen weiterhin Fachkräfte fehlen. Rund jeder fünfte Job könnte beispielsweise in der Automobilbranche einer Studie des VDA zufolge in den kommenden Jahren wegbrechen. Hauptursache ist die Transformation zur Elektromobilität. Berufe in der technischen Forschung und Entwicklung sowie in der Informatik, der Elektrotechnik und der Softwareentwicklung werden dagegen in dieser Branche wieder gesucht.
Zudem hat sich der Arbeitsmarkt durch den digitalen Wandel verschoben. Durch Automatisierung und den verstärkten Einsatz von KI verschwinden viele klassische Berufe, während gleichzeitig neue Jobs entstehen, für die es oft noch nicht genügend qualifizierte Bewerber gibt. Zum Beispiel wird ein klassischer Grafiker weniger gefragt sein, wenn eine KI viele Aufgaben innerhalb kürzester Zeit erledigen kann. Gleichzeitig gibt es einen hohen Bedarf an Experten für Datenanalyse oder KI-gestützte Designprozesse.
Und obwohl Entlassungswellen vor allem große Konzerne erschüttern, steigt die Zahl der unbesetzten Stellen erstmals seit zwei Jahren wieder an. Laut der aktuellen Stellenbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) konnten Unternehmen im vierten Quartal 2024 rund 1,4 Millionen Stellen nicht besetzen – 124.000 mehr als im Vorquartal. Besonders betroffen sind kleinere Betriebe: Mehr als 820.000 offene Stellen entfielen auf Firmen mit weniger als 50 Beschäftigten – ein Anstieg von 18 Prozent, während die Zahl offener Stellen bei Großunternehmen um fünf Prozent zurückging. Die Kluft zwischen Personalabbau und Fachkräftebedarf wächst – und zeigt, wie ungleich der Wandel den Arbeitsmarkt trifft.
Viele Unternehmen setzen auf interne Umschulungen, um Mitarbeiter für neue Aufgaben zu qualifizieren, statt sie zu entlassen.
Welche Maßnahmen können helfen?
Es gibt verschiedene Ansätze, um sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmern eine Perspektive zu bieten:
Umschulungsprogramme innerhalb des Unternehmens
Viele Unternehmen setzen auf interne Umschulungen, um Mitarbeiter für neue Aufgaben zu qualifizieren, statt sie zu entlassen. Besonders große Firmen bieten Programme an, die Beschäftigte auf veränderte Anforderungen vorbereiten – etwa durch IT-Schulungen oder Weiterbildungen im Bereich Künstliche Intelligenz.
Übergreifende Programme und staatliche Unterstützung
Staatliche Initiativen wie die Qualifizierungsoffensive des Bundes oder Förderprogramme der Agentur für Arbeit helfen, den Wandel am Arbeitsmarkt abzufedern. Sie bieten finanzielle Unterstützung für Weiterbildungen und Umschulungen, um Arbeitnehmer auf neue Berufsfelder vorzubereiten.
Weiterbildungsangebote für Arbeitnehmer
Mitarbeiter können sich eigenständig weiterbilden, um ihre Chancen am Arbeitsmarkt zu verbessern. Online-Kurse, berufsbegleitende Studiengänge oder Zertifikatsprogramme in gefragten Bereichen wie IT, Data Science oder Projektmanagement helfen, neue Karrierewege zu erschließen.
Kooperationen zwischen Unternehmen
Einige Unternehmen arbeiten zusammen, um entlassene Mitarbeiter in andere Firmen zu vermitteln. Ein Beispiel hierfür ist die Initiative Allianz der Chancen von Unternehmen wie Covestro, Henkel, Bosch, RWE oder der Deutschen Bank. Besonders in Branchen, in denen Entlassungen und Fachkräftemangel parallel auftreten, können solche Kooperationen eine sinnvolle Lösung sein.
Fazit: Betriebsräte als Begleiter des Wandels
Der Arbeitsmarkt verändert sich rasant. Während hochqualifizierte Fachkräfte nach wie vor gute Chancen haben, wird es für viele Arbeitnehmer schwieriger, sich am Markt zu behaupten. Unternehmen fordern zunehmend Flexibilität und hohe digitale Kompetenzen.
Betriebsräte können in dieser Situation eine entscheidende Rolle spielen: Sie können sich für Weiterbildungsmaßnahmen starkmachen, Beschäftigte über Fördermöglichkeiten informieren und dazu beitragen, sozialverträgliche Lösungen für Umstrukturierungen zu finden. Wer den Wandel aktiv mitgestaltet, kann Beschäftigten helfen, sich frühzeitig auf die neuen Anforderungen einzustellen – und langfristig für mehr Arbeitsplatzsicherheit sorgen. (sw)