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Entgeltgleichbehandlung: Der Arbeitgeber muss beweisen, dass eine ungleiche Bezahlung gerechtfertigt ist

Eine Arbeitnehmerin erhält nachweislich eine niedrigere Vergütung als die Vergleichsgruppe der männlichen Kollegen, die eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet. Beruft sich die Arbeitgeberin darauf, dass die ungleiche Bezahlung gerechtfertigt sei, muss sie darlegen und beweisen, dass ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung der Arbeitnehmerin geführt haben.

LAG Baden-Württemberg, Teilurteil vom 19.06.2024, 4 Sa 26/23 

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Redaktion
Stand:  2.7.2024
Lesezeit:  02:15 min
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Das ist passiert

Die Arbeitnehmerin streitet mit der Arbeitgeberin, einem im Großraum Stuttgart ansässigen Unternehmen, unter anderem über Ansprüche auf Entgeltgleichbehandlung für das Jahr 2021. Sie macht geltend, dass sie im Hinblick auf ihr Arbeitsentgelt gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt werde.  

Zum Nachweis der Entgeltdifferenz hat die Arbeitnehmerin eine Vergleichsgruppe männlicher Kollegen herangezogen. Diese entsprach der von der Arbeitgeberin selbst gebildeten Vergleichsgruppe. Die Arbeitgeberin stellt dafür im Unternehmen ein Entgelttransparenz-Dashboard mit Vergleichsgruppen zur Verfügung.  

Die Arbeitnehmerin erklärte im Verfahren vor dem Arbeitsgericht, sie sei ihrer Darlegungslast nach § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nachgekommen. Sie verdiene nämlich weniger als die von der Arbeitgeberin zum Vergleich herangezogenen Männer. Diesen ersten Anschein einer auf dem Geschlecht beruhenden Ungleichbehandlung habe die Arbeitgeberin nicht zu widerlegen vermocht. 

Das Arbeitsgericht sprach der Arbeitnehmerin in der ersten Instanz eine Vergütungsdifferenz in Höhe von rund 21.600 Euro für das Jahr 2021 aus dem Gesichtspunkt der Entgeltgleichbehandlung nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) zu.  

Unter anderem dagegen richtet sich die Berufung der Arbeitgeberin. Sie behauptet weiterhin, die unterschiedliche Bezahlung der vergleichbaren männlichen Kollegen sei lediglich durch deren Lebensalter und deren längere Berufserfahrung bedingt. Außerdem sei maßgeblich, dass die Wertbeiträge der Arbeitnehmerin erheblich hinter denjenigen der Kollegen ihrer Vergleichsgruppe, gleich welchen Geschlechts, gelegen haben.  
 

Das entschied das Gericht

Die Arbeitnehmerin hat einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Entgeltgleichbehandlung für den Zeitraum Januar bis Dezember 2021 bezogen auf das Monatsgehalt in Höhe von 8.362,40 Euro und eine Dividendenäquivalente in Höhe von 931,08 Euro.  

Als Anspruchsgrundlage für gleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit ohne Diskriminierung wegen des Geschlechts würden sowohl der direkt anwendbare Art. 157 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), als auch § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG in Betracht kommen. 

Nach Art. 157 Abs. 1 AEUV, der zwingende Charakter habe und von den nationalen Gerichten direkt anwendbar sei, gelte bei Beschäftigungsverhältnissen der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Die entsprechenden Bestimmungen der RL 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt würden von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV mit erfasst. 

Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sei eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten (§ 3 Abs. 1 EntgTranspG). Zudem sei dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG seien auf die Umsetzung der Bestimmungen der RL 2006/54/EG in das nationale Recht in Deutschland gerichtet. 

Ob die betreffenden Arbeitnehmer die „gleiche Arbeit“ oder „gleichwertige Arbeit“ im Sinne von Art. 157 AEUV verrichten, sei eine Frage der Tatsachenwürdigung durch das Gericht. Es sei Sache der nationalen Gerichte, die allein für die Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts zuständig sind, zu entscheiden, ob die Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer angesichts ihrer konkreten Natur als gleich zu bewerten sind bzw. als gleichwertig anerkannt werden können. Unter anderem führte das Gericht dazu näher aus:  

Nach § 4 Abs. 1 EntgTranspG übten weibliche und männliche Beschäftigte eine gleiche Arbeit aus, wenn sie an verschiedenen Arbeitsplätzen oder nacheinander an demselben Arbeitsplatz eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausführen. 

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG übten weibliche und männliche Beschäftigte eine gleichwertige Arbeit im Sinne des EntgTranspG aus, wenn sie unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden könnten. Zu den Faktoren, die zu berücksichtigen seien, gehörten unter anderem die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und die Arbeitsbedingungen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EntgTranspG).  

§ 22 AGG, der auch im Rechtsstreit um gleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit unabhängig vom Geschlecht maßgebend sei, sähe für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweise, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Geschlechts vermuten ließen, trage die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen habe. 

Vorliegend hätte die Arbeitgeberin zur Widerlegung der Vermutung vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die festgestellte unterschiedliche Vergütung durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, zu erklären sei und dass die Ungleichbehandlung auch tatsächlich ausschließlich auf einem geschlechtsunabhängigen Unterschied beruhe.  

Bloße allgemeine Behauptungen des Arbeitgebers genügten zur Widerlegung der Vermutung nicht, der Arbeitgeber muss vielmehr einen Vortrag leisten, der eine wirksame Kontrolle und Nachprüfung durch die Gerichte ermöglicht. Gelingt ihm dies nicht, so geht dies zu seinen Lasten. Zulässig wären zum Beispiel geschlechtsunabhängige Differenzierungen nach der Berufserfahrung, nach dem Dienstalter oder nach der Qualität der Arbeit. 

In Anwendung der dargestellten Maßstäbe kam das Gericht zum Ergebnis: 

a) Die Arbeitnehmerin hätte zur Vergleichsbetrachtung einen solchen Personenkreis einbezogen, den die Arbeitgeberin in ihrem Entgelttransparenzdashboard selbst als passende „betriebliche Vergleichsgruppe“ benannt habe. 

b) Das Indiz für die Ungleichbehandlung lasse sich den Angaben der Arbeitgeberin im Entgelttransparenzdashboard entnehmen. Die Arbeitnehmerin werde geringer vergütet als die männlichen Kollegen ihrer Vergleichsgruppe. 

c) Soweit sich die Arbeitgeberin darauf berufe, dass die Entgeltdifferenzen auf nicht geschlechtsspezifischen Differenzierungen beruhen, habe sie die angewandten Differenzierungskriterien nicht hinreichend konkret dargestellt. 

Die Arbeitgeberin berufe sich zwar darauf, dass die männlichen Kollegen durchschnittlich etwas länger bei ihr beschäftigt seien. Außerdem behaupte sie, dass die Arbeitnehmerin unterdurchschnittlich performed hätte. Wie die Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ und „Arbeitsqualität“ im Einzelnen bewertet wurden, hätte die Arbeitgeberin jedoch nicht dargestellt, genauso wenig wie die Gewichtung dieser Kriterien zueinander.

Bedeutung für die Praxis

Führte das Entgelttransparenzgesetz in den ersten Jahren seiner Entstehung eher ein Schattendasein, nehmen die Klageverfahren wegen Diskriminierung durch ungleiches Entgelt für gleiche sowie gleichwertige Arbeit in den letzten Jahren immer mehr zu. Zu erwähnen sei hier beispielsweise die auch vom LAG Baden-Württemberg mehrfach zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 21. Januar 2021 (Az.: 8 AZR 488/19 - Weniger Gehalt: Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts (betriebsrat.de) ). Das BAG war dort im Gegensatz zum LAG der Auffassung, dass die Auskunft der Arbeitgeberin nach dem Entgelttransparenzgesetz als Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts ausreichend sei. 

Eine weitere Entscheidung zentrale Entscheidung des BAG erging am 16. Februar 2023 (Az.: 8 AZR 450/21- Bundesarbeitsgericht stärkt das Recht auf gleiche Bezahlung (betriebsrat.de) ). Das BAG stellte fest, dass ein Arbeitgeber im Rahmen   der Anwendung des Entgelttransparenzgesetzes einen Verdienstunterschied nicht mit einem unterschiedlichen Verhandlungsgeschick eines Bewerbers im Vergleich zu einer Bewerberin begründen könne. 

Wir verfolgen diese Entwicklung gespannt weiter und werden berichten. (sf) 

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