Der Betriebsratsvorsitzende als Führungspersönlichkeit
Nein, BRV heißt nicht Betriebsratsvorgesetzter – auch wenn es sich manchmal vielleicht so anfühlt. Der Betriebsratsvorsitzende ist derjenige, der dem Gremium vorsitzt, die Sitzungen und Versammlungen leitet sowie die Beschlüsse des Betriebsrats nach außen hin vertritt. Er ist keine Führungskraft – hat also keine Disziplinargewalt – und dennoch muss er eine Führungspersönlichkeit sein.
Wieso brauchen Sie als Betriebsratsvorsitzender Führungskompetenzen?
Als Betriebsratsvorsitzender haben Sie die spannende, aber nicht immer leichte Aufgabe, ein bunt gemischtes Betriebsratsteam mit den verschiedensten Charakteren nicht nur zusammenzuführen, sondern auch zu führen.
Erster unter Gleichen
Zwar sind Sie als BRV zunächst auch ein „einfaches Betriebsratsmitglied“ wie alle anderen Mitglieder auch. Über Ihr Mandat hinaus hat Ihnen aber das Betriebsverfassungsgesetz zusätzliche Befugnisse, Aufgaben und Zuständigkeiten aufgetragen. So kommt es, dass nicht nur Ihre eigenen Kollegen im Betriebsrat, sondern auch die Belegschaft und der Arbeitgeber ein anderes Rollenverhalten als vom „einfachen Betriebsratsmitglied“ erwarten. Auch Ihre BR-Kollegen schenkten Ihnen mit der Wahl Ihr Vertrauen und erwarten, einmal ganz salopp ausgedrückt, dass Sie nun den „Laden schmeißen“ und die „Mannschaft zusammenhalten“.
Welche Form von Führungskraft ist der Betriebsratsvorsitzende?
Wer in einem Unternehmen eine klassische Führungsposition übernimmt, legt der Arbeitgeber fest. Er stattet die Führungskraft mit den entsprechenden Kompetenzen aus und definiert den Verantwortungsbereich und Entscheidungs-/Weisungskompetenzen. In der klassischen Linienorganisation übernehmen Führungskräfte Disziplinar- und Fachverantwortung.
Projektleiter oder Fachvorgesetzte hingegen sind meist lediglich mit Weisungs- und Entscheidungskompetenzen in sachlich/fachlicher Hinsicht ausgestattet. Disziplinarische Maßnahmen obliegen in der Regel der Linienführungskraft eines Mitarbeiters. In diesem Fall spricht man von lateraler Führung – Führen ohne Weisungsbefugnis.
Tja, und welche Art von Führungskraft ist der Betriebsratsvorsitzende? Die kryptische Antwort lautet: Es kommt darauf an.
Denn schlussendlich bestimmt das BR-Gremium neben den vom Gesetz bereits definierten Führungsaufgaben, in welchem Umfang der Betriebsratsvorsitzende Führung wahrnimmt.
Weshalb ist das so?
Im Gegensatz zur klassischen Führungskraft wird der BRV von seinem Gremium gewählt. Das Gremium beauftragt wiederum den BRV mit der Wahrnehmung von Aufgaben. Hierzu gehören auch die Führungsaufgaben. Das bedeutet: Sie müssen sich als BRV einen Auftrag von Ihrem Gremium abholen, um für eine allein verantwortliche Wahrnehmung von Aufgaben berechtigt zu sein.
Unser Tipp:
Wenn Sie sich nicht sicher sind, was Ihr Gremium genau von Ihnen erwartet, dann fragen Sie es doch einfach – beispielsweise in einer Teambildungs-Klausur.
Klar ist aber auch: Eine Vorgesetztenfunktion mit Disziplinarvollmacht hat der Betriebsratsvorsitzende in keinem Fall.
Führung ohne Vorgesetztenfunktion: Wie geht das?
Um Ihr Gremium erfolgreich zu leiten, helfen Ihnen verschiedene Verhaltensweisen und Fertigkeiten. Unter anderem sollten Sie als BRV:
- Vorbild sein und dadurch Vertrauen aufbauen
- Stärken im Team erkennen und Aufgaben richtig delegieren
- für einen guten Zusammenhalt im Gremium sorgen durch faire Moderation bei Diskussionen und konstruktive Konfliktlösung
- klare Ziele festlegen und Strategien entwickeln
- Informationen für alle transparent machen.
- Gute Führung als BRV durch Klarheit und Haltung
Als Erster (BRV) unter Gleichen (BR-Mitglied) nimmt der Betriebsratsvorsitzende ohne disziplinarische Weisungsbefugnis eine Rolle ein, die er ausschließlich über seine Persönlichkeit ausfüllen muss. Respekt, Anerkennung und Akzeptanz seiner Führungsrolle leben von seiner Integrität, Vorbildfunktion, Klarheit und Verlässlichkeit, den gelebten Werten und seinen persönlichen Stärken. Wenn es Ihnen gelingt, das zu zeigen und zu leben, dann brauchen Sie auch keine Druckmittel und Disziplinierungsmöglichkeiten – denn Sie werden aus Ihrer Person heraus überzeugen.
Nur wer sich selbst gut führt, kann auch andere führen
Erfolgreiches Führen von Menschen setzt die sogenannte Leitungskompetenz voraus. Wer Leitungskompetenz hat, verfügt über eine hohe Fähigkeit der Selbststeuerung. Gleichzeitig umfasst sie soziale, kommunikative, methodische und fachliche Kompetenzen.
Wer andere Menschen führen will, braucht die Fähigkeit, sich selbst gut zu kennen und sich damit auch selbst steuern zu können. Insoweit braucht es ein Bewusstsein über persönliche Stärken und Schwächen und das, was den Einzelnen im Leben leitet.
Dabei sollte man sich über folgende Punkte im Klaren sein:
- die eigenen Werte
- seinen Glauben und sein Menschenbild
- seine eigenen Stärken und Schwächen und
- den Umgang mit Erfolg und Misserfolg.
Unser Tipp:
Fragen Sie doch einmal vertraute Menschen nach einer Rückmeldung zu Ihren Stärken und Schwächen – oft ist es interessant, herauszufinden, ob Selbst- und Fremdwahrnehmung übereinstimmen.
Die Rollen eines Betriebsratsvorsitzenden
Mit Ihren Aufgaben kommen Ihnen als Betriebsratsvorsitzendem verschiedene Rollen zu. Abhängig von der jeweiligen Situation schlüpfen Sie in eine Rolle. Dies hat nichts mit Schauspielerei zu tun, vielmehr bestimmt Ihre Rolle Ihre innere Haltung und Verantwortung.
Checkliste zum Thema:
Möglichkeiten der Führung durch Betriebsratsvorsitzende
Welches ist nun der richtige Führungsstil im Gremium? Der Begriff Führungsstil bezeichnet ein langfristiges, relativ stabiles, von der Situation unabhängiges Verhaltensmuster einer Führungskraft oder eines Betriebsratsvorsitzenden. Dieses bringt zugleich die Grundeinstellung gegenüber den Mitarbeitern bzw. Betriebsratsmitgliedern zum Ausdruck.
In den letzten 100 Jahren hat sich die Idee, wie Führung funktioniert, stetig gewandelt. Die Führungslehre basiert noch heute auf den von Kurt Lewin entwickelten Führungsstilen:
Alle diese Führungsstile haben Vor- und Nachteile.
So hat der autoritäre Führungsstil seine Vorteile, wenn schnell und entschlossen gehandelt werden muss. Da die Verantwortung klar ist, kann in Krisensituationen rasch und auf den Punkt entschieden werden. Auf Dauer wird aber bei den Mitarbeitern die Motivation schwinden. Da keine Selbstständigkeit vorhanden ist, geht die Arbeit nicht weiter, wenn der Vorgesetzte nicht da ist. Vorgesetzte kommen auch leicht in eine Überforderung.
Beim Laissez-Faire-Stil haben die Mitarbeiter ein hohes Maß an Freiheit, mit dem sie unter Umständen nicht umgehen können. Absolute Freiheit kann auch zu Desorientierung führen. Andererseits: Da die Mitarbeiter selbstbestimmt mit einem großen Spielraum handeln, kann sich das motivierend auswirken und sie können ihre persönlichen Stärken einbringen.
Beim kooperativen Führungsstil wird die Motivation der Mitarbeiter gefördert, weil ihre Ideen und Vorschläge ernst genommen werden. Der Vorgesetzte wird entlastet und das Arbeitsklima ist angenehm und fördert gute Ergebnisse. Aber auch dieser Stil hat seine Nachteile: Es besteht die Gefahr, dass es zu keinen klaren Entscheidungen kommt. In seinem Bemühen, es allen recht zu machen, kann sich der Vorgesetzte im Ernstfall nicht durchsetzen. Darunter kann die Disziplin leiden und notwendige Entscheidungen können auf die lange Bank geschoben werden.
Welcher Führungsstil der richtige ist, kommt auf die Situation an
Heute gehen wir davon aus, dass sich der Führungsstil aus der Situation (Bedingungen), den Fähigkeiten und der Motivation von Mitarbeitern ergibt. Man unterscheidet im Wesentlichen zwischen direktiver und kooperativer Führung.
Wer würde spontan nicht sagen, dass der kooperative Führungsstil der richtige ist? Doch ganz so einfach ist es nicht.
Für Routinearbeiten, insbesondere unter Zeitdruck, hat die direktive Führung sehr wohl ihre Berechtigung. Denken Sie nur mal an einen Betriebsunfall: Feuer an einer Maschine, vielleicht sogar Verletzte: In solchen Fällen ist schnelles Handeln gefragt: Notabschaltung, Werksfeuerwehr, Krankentransport – all das wird als Routine eingeübt und muss im Notfall zu 100 Prozent funktionieren. Hier wird direktiv geführt – und muss direktiv geführt werden. Für Diskussionen und neue Ideen ist in solchen Situationen keine Zeit.
Bei komplexen und kreativen Arbeiten hingegen ist die kooperative Führung sinnvoll. Die Arbeiten erfordern meist situative Anpassungen, sie können nicht bis ins Kleinste vorausgeplant werden. Eine hohe Selbstständigkeit der Handelnden ist gefragt.
Anforderungen an den Führenden
Für die direktive Führung brauchen Sie detailliertes Fachwissen und den Überblick. Bei der kooperativen Führung ist vor allem Ihre Fertigkeit gefragt, die Beteiligten zu begeistern und Richtungen (nicht das Ergebnis) vorzugeben.
Führungsaufgaben als Betriebsratsvorsitzende
Was sind nun die klassischen Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden, neben denen, die im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben sind?
Teambildung und Teamentwicklung
Die Teamentwicklung steht am Anfang jeder neuen Wahlperiode an und hört im Endeffekt nie auf. Deswegen ist die berühmte Teamuhr von B. W. Tuckman auch rund.
Mit jeder Veränderung im Team geht der Kreislauf von neuem los. Das kann ein nachrückendes Ersatzmitglied, der Umzug in ein neues Betriebsratsbüro oder ein neuer (nervender) Tick eines Kollegen sein. Immer wieder sind Sie als Betriebsratsvorsitzender da gefordert.
Tipp:
Was Ihnen in Ihrer Rolle da abverlangt wird, finden Sie auch in der folgenden Übersicht:
Ziele für die neue Amtsperiode setzen
Wer nicht weiß, wo er hinwill, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er nicht ankommt. Für eine erfolgreiche und effektive BR-Arbeit braucht es neben der Einigung auf Ziele eine gute und realistische Planung. Dies geschieht am besten durch ein klassisches Projektmanagement: Erarbeiten Sie zunächst die Ziele, klassifizieren und priorisieren Sie diese und delegieren Sie abschließend die Aufgaben. So wissen alle, wo es langgeht!
Da BR-Arbeit meistens neben den eigentlichen Arbeitsaufgaben stattfindet, ist das richtige Projektmanagement hier ganz wichtig.
Funktionen und Ausschüsse
Nach der Wahl ist die Versuchung groß, durch hohe Stimmenzahl die Machtverhältnisse in den Gremien im eigenen Interesse durchzusetzen. Nicht nur die Frage, wer die Freistellung(en) bekommt, sondern auch, wer in welchem Ausschuss sitzt, wird häufig ohne Rücksicht auf Verluste vom Wahlsieger durchgesetzt. Für eine gute BR-Arbeit ist diese Gewinner-Verlierer-Mentalität aber langfristig fatal. Daher: Vergeben Sie Projekte, thematische Zuständigkeiten und Funktionen vor allem nach der persönlichen Kompetenz und nicht nach dem Wahlergebnis (auch und gerade bei der Listenwahl!).
Aufgaben verteilen
Es gibt in jedem Betriebsrat „Zugpferde“ und Leistungsträger. Diese engagieren sich stark und werden immer um Rat gefragt, weil sie über Wissen und Erfahrung verfügen. Es ist ja auch einfacher, jemanden zu fragen, als selbst nachzulesen. Auf der anderen Seite ist die starke Zurückhaltung einzelner Mitglieder typisch, wenn es um die Übernahme ungeliebter Themen oder Tätigkeiten geht. Deshalb empfiehlt es sich, bereits frühzeitig „passive“ Mitglieder zu aktivieren und ihnen konkrete Aufgaben zu übertragen. Wichtig: Delegieren Sie dabei nicht nur die Pflichten, etwas zu tun, sondern auch die im Zusammenhang mit der Aufgabe stehenden Rechte! Versuchen Sie auch, die Kollegen, soweit es geht, gemäß ihrer Stärken, Fähigkeiten und Kenntnisse einzusetzen. So schaffen Sie sich motivierte und engagierte Mitstreiter.
Kommunikationskultur pflegen
Kein Gremium ist immer einer Meinung. Und die Themen, mit denen Betriebsräte zu tun haben, sind oft „heiß“. In der Hitze der Diskussion und angesichts der unterschiedlichen Persönlichkeiten braucht der Umgang miteinander eine besondere Beachtung: Hart in der Sache – aber weich zur Person. Und niemand wird zum Spezialisten dafür geboren: Deshalb sollten die Kommunikations- und Verhandlungskompetenzen aller Mitglieder systematisch gefördert werden.
Das Verhältnis zum Arbeitgeber
Bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber ist es sehr hilfreich, die eigentlichen Interessen vor die Positionen zu stellen. Dabei hilft es, nicht auf fixen Zahlen zu bestehen (z. B. „drei neue Stellen“), sondern die dahinterstehenden Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen (z. B. „Leistungsdruck vermindern“). Auch hier gilt: Ruhig hart in der Sache – aber weich zur Person!
Fachliche und soziale Kompetenz
BRV-Arbeit ist (immer schon aber doch zunehmend) anspruchsvoll und erfordert viel Kompetenz. Sowohl eine inhaltlich sehr gute Vorbereitung als auch eine hohe soziale Kompetenz sind deshalb notwendig. Schulen Sie Ihre Kompetenzen in jedem Fall. Auch bereits bestehende Fähigkeiten können und müssen weiterentwickelt werden!
Persönlichkeitsentwicklung als Betriebsrat und Schwerbehindertenvertreter
https://www.betriebsrat.de/fachartikel/kommunikation/persoenlichkeitsentwicklung-als-betriebsrat-und-schwerbehindertenvertreter-ID-
Öffentlichkeitsarbeit und Kontakt mit der Belegschaft
Der Betriebsrat arbeitet und keiner bekommt es mit? Die Wichtigkeit von Information und Austausch wird immer wieder unterschätzt. Auch wenn der BR nicht über alles sprechen darf: DASS man gerade an diesem oder jenem Thema arbeitet, kann durchaus erwähnt werden. Der wichtigste Tipp zur Frage, welche Themen für die Mitarbeiter gerade wichtig sind, lautet: „Das Ohr bei den Menschen haben“. Dies ist die beste Basis für eine gute BR-Arbeit. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Amtszeit!
Rundblick zur Öffentlichkeitsarbeit https://www.betriebsrat.de/themen/oeffentlichkeitsarbeit