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News Arbeitssicherheit 20 Jahre Arbeitsschutzgesetz

20 Jahre Arbeitsschutzgesetz

Startschuss 1996:

1996 war das Jahr, in dem Dolly als erstes Klonschaf für viel Empörung sorgte. Helmut Kohl war Bundeskanzler, Borussia Dortmund Deutscher Meister. Ach ja, und Deutschland wurde in England Fußball-Europameister. 1996 war aber auch das Jahr, in dem der Arbeitsschutz eine wichtige Wendung bekam: Im August trat das neue Arbeitsschutzgesetz in Kraft.

Stand:  22.9.2016
Lesezeit:  05:00 min
Schutz auf der Arbeit - 20 Jahre Arbeitsschutzgesetz | © Fotolia.com | Wilm Ihlenfeld

Am 21. August 1996 trat es in Kraft: das neue Arbeitsschutzgesetz. Mit ihm wurde erstmals ein einheitliches Arbeitsschutzrecht geschaffen. Zuvor waren Unternehmen lediglich dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten gegen Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit zu schützen, wie es die Natur des Betriebs vorsah – (zu) viel Spielraum der Arbeitgeber für ein enorm wichtiges Ziel. Das Arbeitsschutzgesetz führte erstmals ein umfassendes Konzept des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes ein.

Anlass für das Gesetz war die europäische Richtlinie zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit, die sogenannte EU-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz – auch bekannt als „Grundgesetz des betrieblichen Arbeitsschutzes." Durch das Arbeitsschutzgesetz wurde sie in deutsches Recht umgesetzt.

Menschengerechte Gestaltung der Arbeit

Das grundlegende Ziel des Gesetzes ist es, heute wie vor 20 Jahren, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu sichern und zu verbessern. Wichtig: Es gilt in nahezu allen Tätigkeitsbereichen und für nahezu alle Beschäftigten in Deutschland. Es umfasst Arbeitsmittel, Arbeitsbedingungen, Arbeitsorganisation und Qualifikation der Beschäftigten... und hat damit quasi einen ganzheitlichen Ansatz.

Hierzu regelt das Gesetz Aufgaben, Rechte und Pflichten zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit – einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Denn es geht nicht mehr nur darum, Unfälle zu verhindern. Auch arbeitsbedingte Beeinträchtigungen sowie psychische Belastungen sollen vermindert werden.

Kurzpausen für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit

Laut einer Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2006 sind bezahlte Kurzpausen von fünf bis zehn Minuten in der Stunde eine wirksame Maßnahme zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit.

Sie tragen zur Ausführbarkeit und Aushaltbarkeit der Arbeit bei, u.a. weil notwendige physiologische Organpausen besser gewährleistet werden. Außerdem kann sich weniger Ermüdung ansammeln. Dies verbessert sogar die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten! Zudem sorgen Kurzpausen für Abwechslung bei gleichförmigen und eintönigen Verrichtungen.

Das Fazit der Studie der Hans Böckler Stiftung: Nie waren stündliche Kurzpausen von fünf bis zehn Minuten als Maßnahmen menschengerechter Gestaltung der Arbeit so wertvoll wie heute!

Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie

Eine spätere Neuerung des Gesetzes war die Einführung einer „Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie". Sie wurde erst 2008 nachträglich verankert. Bund, Länder und Unfallversicherungsträger sind damit zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Arbeitsschutz verpflichtet. Ziel ist es, Bürokratie und Doppelregelungen abzubauen und den Informationsfluss zu verbessern.

Besonders wichtig: Prävention

Der Arbeitsschutz setzt nicht erst dann an, wenn etwas passiert, sondern idealerweise viel früher. Der Leitgedanke ist die Prävention, also die Vorbeugung und Verhütung. Damit ist der Arbeitsschutz im Unternehmen nicht „in Stein gemeißelt", vielmehr muss ständig an ihm gearbeitet werden. Gibt es technische Fortschritte? Oder neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse? Hier setzt die Gefährdungsanalyse an, vgl. § 5 ArbSchG. Mit diesem Instrument sollen frühzeitig Gefährdungen bei der Arbeit erkannt und abgestellt werden, noch bevor gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Unfälle auftreten.

Wortlaut des § 5 ArbSchG: Beurteilung der Arbeitsbedingungen

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch 1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes, 2.physikalische, chemische und biologische Einwirkungen, 3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken, 5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten, 6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

Betriebsräte, werdet aktiv!

Nicht überall läuft der betriebliche Arbeitsschutz vorbildlich, leider! Nur ein Viertel der Unternehmen analysiert beispielsweise auch Gefährdungen durch psychische Faktoren, so das Ergebnis des Arbeitssicherheitsbarometers 2015/2016 der Dekra. Dabei sind psychische Erkrankungen laut DAK die zweithäufigste Ursache für Fehlzeiten (Stand: 2014). Eine Studie des TÜV Rheinlands aus dem gleichen Jahr bestätigt, dass viele Unternehmen des deutschen Mittelstandes Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit vernachlässigen.

Umso wichtiger ist es, dass sich Betriebsräte für den Arbeitsschutz stark machen. Werdet aktiv und nutzt die Mitbestimmungsrechte aus ArbSchG und BetrVG – denn Betriebsräte sind ein wichtiger Teil der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation.

  • Überwachung und Kontrolle

Der Betriebsrat hat die Aufgabe, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften beachtet werden (§ 80 Abs.1 Nr.1 BetrVG). Besonders wichtig ist hier auch die Berücksichtigung der gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse. Berufsgenossenschaft und Gewerbeaufsicht sind aufgefordert, eng mit dem Betriebsrat zu kooperieren (§ 89 Abs. 1 und 2 BetrVG). Auch bei allen Beratungen und Begehungen, die Fragen des Arbeits- und Gesundheits-schutzes betreffen, ist der Betriebsrat hinzuzuziehen, etwa bei Änderungen in der Arbeitsorganisation (§ 89 Abs. 2 und Abs. 4; § 90 Abs. 2 BetrVG).

  • Gestaltung des Arbeitsschutzes/Initiativrechte nutzen

Die zentrale Vorschrift ist § 87 Abs.1 Nr. 7 BetrVG: Danach ist der Betriebsrat am betrieblichen Arbeitsschutz zu beteiligen, wenn Rahmenvorschriften bestehen, die durch konkrete betriebliche Regelungen ausgefüllt werden müssen. Dies öffnet dem Betriebsrat ein weites Betätigungsfeld. Dabei sollte der Betriebsrat auch sein Initiativrecht nutzen, also von sich aus Themen aufgreifen und den Arbeitsschutz mit eigenen Ideen sowie Anregungen von Beschäftigten ausgestalten.

  • Gute Zusammenarbeit

Hierzu gehört die Beteiligung des Betriebsrats am Arbeitsschutzausschuss in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern ebenso wie die Zusammenarbeit mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit, dem Betriebsarzt und der Berufsgenossenschaften.

  • Arbeit und Gesundheit auf der Tagesordnung

Betriebsräte sollten das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz regelmäßig auf der Tagesordnung haben. Denn es zeigt sich, dass es im betrieblichen Alltag viele Querverbindungen zu wichtigen und aktuellen Themen im Betrieb gibt – z.B. Arbeitszeit. Wichtig ist es, sich regelmäßig einen Überblick über den Stand der Dinge zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zu verschaffen und die Beschäftigten zu beteiligen.

  • Betriebsvereinbarungen abschließen

Sicherheit und Transparenz bringen Betriebsvereinbarungen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, zur Ausstattung von Arbeitsplätzen, zur Gefährdungsbeurteilung oder zu Unterweisungen.

Noch nicht weltmeisterlich – also bleibt dran!

20 Jahre nach Einführung des Arbeitsschutzgesetzes ist Deutschland Fußball-Weltmeister. Den Weltmeistertitel im Arbeitsschutz haben wir aber leider noch nicht verdient. Zweifellos hat sich die Situation in Sachen Arbeitsschutz für die meisten Beschäftigten zwar verbessert – aber es gibt und bleibt noch viel Gestaltungsspielraum. Durch das Arbeitsschutzgesetz haben Betriebsräte sehr gute Möglichkeiten, die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte zu nutzen. Also Betriebsräte: Bleibt dran!

Weiterlesen:

Betriebliches Gesundheitsmanagement: Wie Sie als Betriebsrat Führungskräfte für BGM begeistern

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