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Achtung, Arbeitszeugnis!

Formulierungen und ihre Tücken

Haben Sie sich schon einmal bei einem Arbeitgeber beworben und sind trotz passender Qualifikation abgelehnt worden? Vielleicht liegt das an Ihrem Arbeitszeugnis. Denn mit bestimmten Geheimzeichen, Formulierungen und rhetorischen Tricks werden zuweilen negative Inhalte transportiert – ohne dass man es auf den ersten Blick merkt. Unsere Referentin Inga Bösel klärt auf, worauf man beim Arbeitszeugnis achten muss.

Inga Bösel

Inga Bösel

Stand:  13.6.2023
Lesezeit:  02:45 min
Achtung, Arbeitszeugnis! | © Fotolia.com | Kzenon

Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitszeugnisse klar und verständlich zu formulieren. Sie dürfen zudem keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. So steht es im Gesetz (vgl. § 109 GewO).

Zur „Umgehung“ der Vorschrift hat sich jedoch eine eigene Zeugnissprache etabliert, und zwar mit zahlreichen Geheimcodes. Diese klingen auf den ersten Blick zwar sehr positiv, bedeuten aber zum Teil das genaue Gegenteil – und vermasseln Ihnen unter Umständen die Suche nach einem neuen Job. Deshalb müssen Sie darauf achten, im Arbeitszeugnis „zwischen den Zeilen“ zu lesen.

Durch eine ausführliche und konkrete Aufgabenbeschreibung wird ein zukünftiger Arbeitgeber einschätzen können, ob Sie die gewünschten und erforderlichen Qualifikationen mitbringen.

Die Tätigkeitsbeschreibung

Kernstück des Arbeitszeugnisses ist die Beschreibung Ihrer ausgeübten Tätigkeiten. Nur durch eine ausführliche und konkrete Aufgabenbeschreibung wird ein zukünftiger Arbeitgeber einschätzen können, ob Sie die gewünschten und erforderlichen Qualifikationen für die Stelle mitbringen.

Ihr ehemaliger Chef kann die Aufgabenbeschreibung in Form von Aufzählungspunkten oder als Fließtext ins Arbeitszeugnis einbauen. Der Bewertung bzw. der Benotung der aufgezählten Aufgaben sollten Sie nun besonders hohe Aufmerksamkeit schenken. In vielen Arbeitszeugnissen findet man hier nämlich verklausulierte Schulnoten wieder. Diese erkennt man meist an der Formulierung „stets“ oder „zur vollsten“ beziehungsweise „zur vollen Zufriedenheit“. Nach diesen Formeln funktioniert der klassische Notencode:

Arbeitszeugnis | © AdobeStock |nmann77

Herr Karl erledigte alle Aufgaben …

  • Note 1: …stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.
  • Note 2: …stets zu unserer vollen Zufriedenheit.
  • Note 3: …zu unserer vollen Zufriedenheit.
  • Note 4: …zu unserer Zufriedenheit.
  • Note 5: …im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit.
  • Note 6: …hat sich bemüht.

Blick hinter die Kulissen

Na, beeindruckt? Abwarten, es kommt noch dicker! Schauen wir uns doch weitere aktuelle Leistungsbewertungen im Arbeitszeugnis an und was sie wirklich bedeuten:

Arbeitszeugnis | © AdobeStock |nmann77

Das steht im Zeugnis - Das ist tatsächlich gemeint

„Herr Karl erfüllte die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit.“

Klingt erstmal gut, bedeutet aber die Note 2. Für eine Note 1 hätte „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ im Arbeitszeugnis stehen müssen.

„Herr Karl hat alle Arbeiten ordnungsgemäß erledigt."

Herr Karl war ein Arbeitnehmer ohne jegliche Eigeninitiative.

„Herr Karl war wegen seiner Pünktlichkeit, Loyalität und Ehrlichkeit stets ein gutes Vorbild.“

Durch die Betonung von solchen Selbstverständlichkeiten wird zum Ausdruck gebracht, dass die Arbeitsleistungen und der Arbeitserfolg nicht so besonders waren.

„Herr Karl hat sich im Rahmen seiner Fähigkeiten eingesetzt“.

Herr Karl hat zwar getan was er konnte, das war jedoch nicht ganz so viel.

„Die gezeigten Leistungen bewegten sich durchaus im Rahmen seiner Fähigkeiten“

Die Fähigkeiten waren sehr bescheiden. Note: ungenügend!

„Herr Karl war mit Interesse bei der Sache“

Herr Karl hat sich zwar sich angestrengt, aber nichts geleistet.

„Herr Karl verfügt über Fachwissen und gesundes Selbstvertrauen.“

Herr Karl ist selbstverliebt und anstrengend.

„Herr Karl war bei Kunden schnell beliebt.“

Verhandeln kann Herr Karl überhaupt nicht.

„Herr Karl war tüchtig und in der Lage, seine Meinung zu vertreten.“

Herr Karl konnte keinerlei Kritik vertragen.

Nach so vielen negativen Beispielen schauen wir uns doch auch mal ein paar positive Beispiele an:

„Die Leistungen von Herr Karl haben in jeder Hinsicht unsere volle Anerkennung gefunden.“

Sehr gut, Note 1!

„Herr Karl zeigte stets ein sehr hohes Maß an Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft.“

Herr Karl hat mehr als nur seinen Job gemacht. Sehr gut, Note 1.

„Herr Karl erledigte seine Aufgaben stets selbstständig mit äußerster Sorgfalt und Genauigkeit.“

Sehr gut, Note 1!

„Herr Karl war im höchsten Maße zuverlässig.“

Sehr gut, Note 1!

„Herr Karl erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit.“

Sehr gut, Note 1!

„Herr Karl hat unseren Erwartungen in jeder Hinsicht und bester Weise entsprochen.“

Gut, Note 2!

„Wir waren mit den Leistungen von Herrn Karl immer sehr zufrieden.“

Gut, Note 2!

Die Beurteilung des Sozialverhaltens

Nach der Beschreibung Ihrer Tätigkeit und deren Beurteilung sollte Ihr Arbeitgeber auch Ihr an den Tag gelegtes Sozialverhalten im Betrieb im Arbeitszeugnis bewerten. Sie wollen Ihr Arbeitszeugnis diesbezüglich entschlüsseln? Das bedeuten die Beurteilungen zum Sozialverhalten wirklich:

Arbeitszeugnis | © AdobeStock |nmann77

Das steht im Zeugnis - Das ist tatsächlich gemeint

„Herr Karl war ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter.“

Er war ein notorischer Querulant.

„Herr Karl zeigte eine erfrischende Art im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten.“

Er ist frech und hat keine Manieren.

„Herr Karl war ein umgänglicher Kollege.“

Anstrengender Dampfplauderer. Die meisten Kollegen sind in Deckung gegangen, wenn er um die Ecke kam.

„Herr Karl trat innerhalb und außerhalb des Betriebes für die Interessen der Arbeitnehmer ein.“

Hinweis auf eine gewerkschaftliche Betätigung

„Herr Karl trug durch seine Geselligkeit zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.“

Die "Betriebsnudel", eventuell auch dem Alkohol nicht abgeneigt.

„Im Kollegenkreis galt er als toleranter Mitarbeiter.“

Für Vorgesetzte war er ein schwerer Brocken.

„Herr Karl bewies für die Belange der Mitarbeiter Einfühlungsvermögen.“

Herr Karl suchte während der Arbeitszeit nach sexuellen Kontakten zu den Mitarbeitern.

„Herr Karl trat engagiert für die Interessen der Kollegen ein.“

Herr Karl war Mitglied im Betriebsrat.

Nach so vielen negativen Formulierungen Lust auf ein positives Beurteilungsbeispiel? Aber gerne!

„Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets vorbildlich.“

Dies entspricht der Note 1! Aber bitte auf die Reihenfolge achten: Erst die Chefs, dann die Kollegen. Ansonsten war er beim Chef ein Querulant!

Beurteilungen zum Führungsstil

Scheidet eine Führungskraft freiwillig oder unfreiwillig aus einem Unternehmen aus, dann ist die Beschreibung von Führungsstil und Führungsleistung im Arbeitszeugnis ein besonderes Muss. Und das bedeuten die Klauseln im Arbeitszeugnis zum Führungsstil wirklich.

Arbeitszeugnis | © AdobeStock |nmann77

Das steht im Zeugnis - Das ist tatsächlich gemeint

„Von seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten wurde Herr Karl sehr geschätzt.“

Umgekehrte Reihenfolge: Die Mitarbeiter werden hier an erster Stelle genannt und nicht die Vorgesetzten (eigentlich üblich)! Das drückt aus, dass Herr Karl zu Mitarbeitern ein weit besseres Verhältnis als zu Vorgesetzten hatte.

„Herr Karl verstand es, die Aufgaben mit Erfolg zu delegieren und setzte sich für die Förderung der Mitarbeiter ein.“

Herr Karl hat kaum selbst gearbeitet und Mitarbeiter durch Gehaltserhöhungen von Kritik an seiner Person abgehalten.

„Herr Karl führte mit fester Hand.“

„Herr Karl führte konsequent.“

„Herr Karl führte straff demokratisch.“

Dies ist ein Hinweis auf einen autoritären Führungsstil.

„Herr Karl war ein verständnisvoller und toleranter Vorgesetzter.“

„Herr Karl praktizierte einen kooperativen Führungsstil und war deshalb von seinen Mitarbeitern sehr geschätzt.“

Herr Karl hatte kein Durchsetzungsvermögen.

Mit der Schlussformel steht oder fällt ein Zeugnis.

Und zuletzt: Die Schlussformel

Die Schlussformel rundet das Zeugnis ab. Mit ihr steht oder fällt ein Zeugnis. Auch wenn in Ihrem Arbeitszeugnis einzelne Sätze oder sogar einzelne Worte und Zeichen für die Beurteilung wichtig sind, empfiehlt es sich, das Zeugnis immer als Ganzes zu analysieren. Fehlt zum Beispiel in einem sonst guten Zeugnis eine Schlussformulierung mit Dank und Bedauern, dass der betreffende Mitarbeiter ausscheidet, so fällt die Beurteilung insgesamt doch negativ aus. Schauen wir uns mal dazu die Feinheiten an:

Arbeitszeugnis | © AdobeStock |nmann77

Das steht im Zeugnis - Das ist tatsächlich gemeint

„Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen am gleichen Tag getrennt.“

Es besteht Grund zur Annahme, dass eine fristlose Arbeitgeberkündigung vorangegangen ist.

„Für seine Mitarbeit bedanken wir uns aufs Herzlichste!"

Ironische Überziehung, die das genaue Gegenteil bedeutet, verstärkt noch durch das Ausrufezeichen.

„Wir haben uns einvernehmlich getrennt.“

Hinweis auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder Eigenkündigung des Arbeitnehmers.

„Das Arbeitsverhältnis endete am 18. August 2000.“

Das ungewöhnliche Beendigungsdatum weist auf eine fristlose Kündigung hin.

„Wir wünschen ihm alles Gute und Gesundheit.“

Achtung, der Arbeitnehmer kränkelt oft!

„Für die Zukunft wünschen wir ihm alles Gute, besonders Erfolg.“

Erfolg hatte er in dieser Firma anscheinend gar keinen.

Ein positives Beispiel für eine Schlussformulierung würde demgegenüber lauten:

„Wir bedanken uns bei ihm für die stets ausgezeichnete Arbeit.“

Ihr Arbeitgeber hat Ihre Arbeit wirklich geschätzt. Diese Formulierung ist ausschließlich positiv!

Verbotene Angaben

Übrigens: Zahlreiche Angaben dürfen erst gar nicht in einem Arbeitszeugnis auftauchen. Hierzu gehören z.B. folgende Angaben:

-                Betriebsratstätigkeit,

-                Schwangerschaft, Erziehungsurlaub, Mutterschutz,

-                Krankheiten,

-                Gewerkschaftszugehörigkeit,

-                Straftaten,

-                Drogen- oder Alkoholprobleme.

Geheimzeichen

Wenn Sie jetzt vielleicht denken: „Diese Geheimsprache ist ja der Gipfel!“, muss ich Ihnen leider sagen: Es kann noch schlimmer kommen. Haben Sie schon mal einen Rechtschreibfehler im Arbeitszeugnis gefunden? Denken Sie etwa an ein Versehen? Mitnichten! Oft verwenden Chefs neben der Geheimsprache auch sogenannte Geheimzeichen in Arbeitszeugnissen. So bedeuten Rechtschreibfehler, Flecken, Ausrufezeichen, Unterstreichungen, Kursivsetzugen, zu viele Leerzeichen, Fettungen und Anführungszeichen das genau das Gegenteil vom Gesagten.

Zwei Punkte am Satzende bedeuten beispielsweise: Hier gäbe es noch viel mehr zu sagen.

Auch die handschriftliche Unterschrift unterhalb des vorgedruckten Namens des Ausstellers (statt darüber) kann eine Aussage beinhalten: Nämlich, dass der Arbeitnehmer ein unterdurchschnittlicher Mitarbeiter war. Findet sich in dem Zeugnis ferner eine unterstrichene Telefonnummer, signalisiert dies, dass bei Anruf weitere Informationen über den Bewerber zu erfahren sind.

Anspruch auf ein individuelles Arbeitszeugnis

Grundsätzlich müssen Sie aktiv – und am besten schriftlich – die Erteilung eines Zeugnisses von ihrem Arbeitgeber verlangen. In der Praxis ist es jedoch mittlerweile üblich, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein solches von sich aus erteilt.

Sie haben zudem einen Anspruch auf ein individuelles Zeugnis, das Ihre Leistungen so beschreibt, dass der Leser des Zeugnisses ein anschauliches und zutreffendes Bild von Ihren Fähigkeiten, Arbeitserfolgen und ihrer Persönlichkeit erhält (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 06.02.1968, 4 Ta 14/68). Ein Anspruch auf ein „sehr gutes“ oder „gutes“ Zeugnis besteht nicht ohne weiteres, sondern nur dann, wenn entsprechende Leistungen vorgelegen haben.

Unzufrieden mit dem Zeugnis?

Was sollte man tun, wenn man mit dem Inhalt des Arbeitszeugnisses unzufrieden ist oder die Geheimsprache oder Geheimzeichen entdeckt hat? Sprechen Sie mit Ihrem Chef und legen Sie dar, was Ihrer Meinung nach fehlt, falsch oder zu schlecht bewertet ist und warum. Fordern Sie bei entdeckten Geheimzeichen eine korrigierte Fassung an.

Falls Sie eine bessere Bewertung erreichen wollen, müssen Sie darlegen und im Bestreitensfall des Arbeitgebers beweisen, dass Sie überdurchschnittliche Arbeitsleistungen erbracht haben (vgl. BAG vom 14.10.2003, 9 AZR 12/03). Diesen Beweis kann man durch z.B. früher geführte Mitarbeiter-Beurteilungsgespräche, ausgehändigte Beurteilungsbögen und Zwischenzeugnisse führen. Lenkt Ihr Arbeitgeber nicht ein, hilft nur ein Gang zum Rechtsanwalt oder vor das Arbeitsgericht.

Frist zur Geltendmachung

Gibt es eine Frist zur Geltendmachung des Zeugnisanspruchs und des Zeugnisberichtigungsanspruchs? Ja, die gibt es: Eine Verjährung des Zeugnisanspruches tritt grundsätzlich erst nach 3 Jahren ein (vgl. § 195 BGB). Aber Achtung: Zu beachten sind auch eventuell bestehende tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Zeugnisanspruchs.

Der Korrekturanspruch des Arbeitszeugnisses muss in einer angemessenen Zeitspanne geltend gemacht werden, da dieser ansonsten verwirkten kann. Eine Verwirkung tritt bereits nach wenigen Monaten ein.

Noch ein letztes Wort

Und Vorsicht, die Zeugnissprache „lebt“! Es ist zu erwarten, dass sich findige Arbeitgeber immer mal wieder neue Formulierungen und Geheimzeichen ausdenken. Im Zweifel sollte man einen Experten (z.B. Fachanwalt für Arbeitsrecht) beauftragen, das Zeugnis einmal kritisch unter die Lupe zu nehmen. 

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