Wie das Handelsblatt berichtet, hat das Management auf der letzten Betriebsversammlung im Tesla-Werk in Grünheide ein Pilotprojekt für den Produktionsbereich angekündigt: Tesla-Mitarbeiter sollen zukünftig eine Prämie erhalten, wenn sie zur Arbeit erscheinen. Werksleiter André Thierig wird folgendermaßen zitiert: „Ich muss ehrlich sagen, wir haben mit uns gerungen. Warum soll man jemanden für Anwesenheit belohnen?“
Ich muss ehrlich sagen, wir haben mit uns gerungen. Warum soll man jemanden für Anwesenheit belohnen?
André Thierig, Werksleiter der Tesla-Gigafactory in Grünheide im Handelsblatt
Laut Informationen des Blattes soll mit dem Programm den „über dem industriellen Durchschnitt“ liegenden krankheitsbedingten Abwesenheiten entgegengesteuert werden. Es soll zunächst ein Jahr laufen, hundert Mitarbeiter werden den Angaben zufolge in der Pilotphase dabei sein. Funktioniert alles wie erwartet und ohne größere Kritik, soll das Vorhaben auch auf die anderen Angestellten ausgeweitet werden. Für die Beschäftigten wird es dann möglich sein, einen gewissen Status zu erreichen, an dem am Ende eines Jahres ein Anwesenheitsbonus geknüpft ist – bis zu 1.000 Euro sind dabei im sogenannten „Gold-Status“ möglich. Da Thierig im vergangenen Jahr noch die überdurchschnittliche Abwesenheit seiner Mitarbeiter angeprangert hatte, lobte er jetzt die Prämie fürs „Gesundbleiben“ jetzt ausdrücklich. Den Betriebsrat rüffelte der Werksleiter hingegen laut Handelsblatt: „Das muss ich ganz ehrlich sagen, da hat sich der Betriebsrat schwergetan, das Programm zu genehmigen, was mich auch geärgert hat.“
Betriebsrat lobt, mahnt aber gleichzeitig
Ganz anders klingen da allerdings die Aussagen von der Betriebsratsvorsitzenden Michaela Schmitz vor der Belegschaft: „Einfach nur eine Anerkennung dafür, dass man zur Arbeit kommt, ist nicht selbstverständlich.“
Einfach nur eine Anerkennung dafür, dass man zur Arbeit kommt, ist nicht selbstverständlich.
Michaela Schmitz, Tesla-Betriebsratsvorsitzende in Grünheide im Handelsblatt
So oder so bleibt die Frage, ob das Prämienmodell tatsächlich ausreicht, den allgemeinen Krankenstand zu verringern – das sieht im Übrigen auch Schmitz so. Bereits im Oktober 2023 hatte der Stern von Arbeitsunfällen und fehlendem Arbeitsschutz in der Fabrik berichtet (wir berichteten). Ob es a einen Zusammenhang gibt? Fakt ist jedenfalls, dass die krankheitsbedingte Abwesenheit in Deutschland im Jahr 2023 mit durchschnittlich 15,2 Tagen einen neuen Höchstwert erreichte hat. Soll heißen: Die hohe Fehlzeitquote ist ein generelles gesellschaftliches Problem.
Kurz vor der Prämie: Was tun bei Krankheit?
Klar, im besten Fall soll mit der Anwesenheitsprämie ein Anreiz geschaffen werden, besonders auf die Gesundheit zu achten, um so Krankschreibungen zu vermeiden. Das könnte allerdings ein bisschen zu kurz gedacht sein: So steckt in dem Bonus ein gewisses Misstrauen, was sich negativ auf das allgemeine Betriebsklima auswirken könnte. Im Extremfall motiviert ein Anwesenheitsbonus natürlich auch, angeschlagen bei der Arbeit zu erscheinen. Man stelle sich vor, ein Mitarbeiter steht genau an der Schwelle, die 1.000 Euro zu erreichen: Bleibt dieser dann zuhause mit dem Extrageld vor Augen, auch wenn es sich womöglich um eine ansteckende Krankheit handelt? Im schlimmsten Fall gipfelt das in einer Krankheitswelle, was Teslas Ziel gänzlich widerspricht.
Betriebsräte, Augen auf!
Ganz davon abgesehen dürfte nicht jeder Mitarbeiter die gleiche Chance haben, den Bonus einzustreichen. Besonders bei Arbeitnehmern mit einer Vorerkrankung ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, die Prämie zu erreichen. Was wirklich zählen würde – und spätestens jetzt kommt der Betriebsrat ins Spiel – ist ein gutes Arbeitsklima. Ein funktionierendes Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM), ein umfassendes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) inklusive Vorsorgeuntersuchungen sowie Sport- und Gesundheitskursen dürften das krankheitsbedingte Fehlzeitenniveau in jedem Fall nachhaltiger sinken lassen als die bloße Aussicht auf monetäre Zuwendungen. (tis)