Die Zufriedenheit der Arbeitnehmer ist massiv gesunken. Laut einer Umfrage von EY bezeichneten sich 2023 nur 31 Prozent der Befragten als zufrieden mit ihrer Arbeitssituation. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 49 Prozent. Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen, die mit ihrer beruflichen Situation „eher unzufrieden“ oder „unzufrieden“ sind, von zehn Prozent im Jahr 2021 auf aktuell 17 Prozent gestiegen. Auch der Krankenstand in Deutschland erreichte 2023 im zweiten Jahr in Folge ein Rekordniveau und blieb auch im 1. Quartal 2024 konstant hoch. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten war mindestens einmal krankgeschrieben. Neben Erkältungen und Muskel-Skelett-Erkrankungen sind insbesondere psychische Erkrankungen für den stark gestiegenen Krankenstand verantwortlich.
Mehr Zufriedenheit im Job, aber wie?
Unzufriedenheit und hoher Krankenstand? Bei diesen Zahlen sollten bei jedem die Alarmglocken klingeln – nicht nur bei Führungskräften, sondern auch bei jedem Betriebsrat. Was tun? Das Zauberwort für mehr Zufriedenheit und Sinnhaftigkeit im Job heißt vielleicht „Job-Crafting“. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter ihre eigene Arbeit selbstbestimmt gestalten können. Dabei gilt die Devise: „Man muss seine Arbeit aus dem Holz schnitzen, das man zur Verfügung hat.“ Also den Job an die eigenen Stärken und Talente anpassen.
Führungskräfte hatten schon immer weitgehend die Freiheit, das Wann, Wie und Wo ihrer Arbeit zu gestalten. Es überrascht daher nicht, dass es viele Vorteile haben kann, auch den Mitarbeitern in darunter liegenden Hierarchieebenen mehr Kontrolle über ihre eigenen Rollen und Aufgaben zu geben. Hier kommt das „Job-Crafting” ins Spiel.
Woher kommt der Begriff Job Crafting?
Job-Crafting ist ein Konzept der positiven Organisations-, Wirtschafts- und Arbeitspsychologie. Es bezieht sich auf die Anpassung des Jobinhalts (physische Komponente), der Bedeutung von Aufgaben (kognitive Komponente) und der Beziehungen im Arbeitsumfeld (soziale Komponente). Die Begründer des Konzepts, Amy Wrzesniewski und Jane E. Dutton von der Yale School of Management, stellten die These auf: Den perfekten Job gibt es nicht, aber jeder kann ihn selbst gestalten. Eine Meta-Studie von Rudolph aus dem Jahr 2017 zeigte, dass Job-Crafting die Arbeitszufriedenheit und -leistung steigert und den Stress reduziert. Doch wie geht man dabei am besten methodisch vor?
Wie gelingt Job Crafting?
Job-Crafting ist ein Prozess. Die Anpassung des Arbeitsplatzes an die eigenen Stärken, Interessen und Leidenschaften passiert bestenfalls mit Unterstützung des Vorgesetzten und des Teams. Am Anfang steht die Analyse der Aufgaben, der sozialen Beziehungen im Unternehmen und der eigenen Einstellung zum Job. Was mag ich an meiner Arbeit und was nicht? Was kann ich besonders gut und was liegt mir nicht so besonders? Feedback-Gespräche im Team und mit der Führungskraft sind bei der Analyse sehr hilfreich. Schnell kristallisieren sich Highlights für den Arbeitsalltag heraus, die die Routinearbeit versüßen können. Ein Beispiel: Eine besonders kreative Verkäuferin sitzt nicht nur an der Kasse, sondern hilft auch bei der Präsentation von Aktionsartikeln.
Wichtig dabei ist, dass die Arbeit gerecht im Team verteilt wird. Wer sich nur die „Gold Nuggets“ unter den Nagel reißt und den anderen die unangenehmen Aufgaben überlässt, wird im Team nicht unbedingt beliebt sein und nimmt den anderen noch mehr Freude an der Arbeit. Schlimmer noch: Die Kollegen machen nur noch Dienst nach Vorschrift, und der vermeintlich Job-Optimierte muss viele Aufgaben allein erledigen.
In oder mit einem demotivierten Team zu arbeiten, bringt niemanden weiter. Das Ziel sollte deshalb sein, für jedes Teammitglied den Job-Crafting-Prozess anzustoßen.

Die verschiedenen Bereiche des Job-Craftings im Blick
Unterteilt man den Job-Crafting-Prozess, dann ergeben sich drei Hauptbereiche:
1. Aufgaben-Crafting (Task Crafting)
Dabei geht es darum, die Art und Weise, wie man seine Aufgaben erledigt, zu verändern. Dies kann beinhalten:
- Hinzufügen neuer Aufgaben: Mitarbeiter übernehmen neue Aufgaben, die ihnen mehr Freude bereiten oder sie mehr fordern.
- Veränderung bestehender Aufgaben: Aufgaben werden so angepasst, dass sie besser zu den eigenen Stärken passen.
- Eliminierung oder Reduzierung weniger erfüllender Aufgaben: Sofern möglich, werden weniger interessante Aufgaben reduziert oder delegiert.
2. Beziehungs-Crafting (Relational Crafting)
Hier wird der soziale Aspekt der Arbeit umgestaltet. Dies kann beinhalten:
- Veränderung der Art und Weise, wie man mit Kollegen interagiert: z.B. mehr Zusammenarbeit mit Kollegen, die ähnliche Interessen haben.
- Aufbau neuer Beziehungen: Kontakte zu neuen Personen im Unternehmen knüpfen, die inspirierend oder unterstützend wirken.
- Reduzierung negativer Interaktionen: Minimierung des Kontakts zu Kollegen, die eine negative Einstellung oder unproduktive Arbeitsweise haben.
3. Kognitives Crafting (Cognitive Crafting)
Dies bezieht sich auf die Veränderung der Wahrnehmung und des Sinns der eigenen Arbeit. Dazu gehören:
- Neudefinition der Arbeit: Die eigene Rolle oder die Bedeutung der Aufgaben neu interpretieren, um mehr Sinn in der Arbeit zu sehen.
- Fokussierung auf positive Aspekte: Sich bewusst auf die positiven und erfüllenden Aspekte der Arbeit konzentrieren.
- Veränderung des Selbstbildes: Das Selbstverständnis in Bezug auf die eigene Arbeit und die Identität im Job überdenken und anpassen.
Herausforderungen und Voraussetzungen für Job-Crafting
Job-Crafting ist ein fortlaufender Prozess, der regelmäßige Reflexion und Anpassung erfordert, um die Arbeitszufriedenheit und das Engagement langfristig zu steigern.
Damit dieses Konzept erfolgreich sein kann, ist es notwendig, dass das Management diese Praxis unterstützt und den Mitarbeitern genügend Freiraum und Flexibilität bietet. Mitarbeiter müssen sich aber auch ihrer eigenen Stärken, Schwächen und Interessen bewusst sein und die Initiative ergreifen, um Veränderungen vorzunehmen. Im Vorfeld ist es wichtig, dass Mitarbeiter ihre Pläne und Änderungen klar kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden und sicherzustellen, dass ihre Anpassungen im Einklang mit den Unternehmenszielen stehen.
Wie können Sie als Betriebsrat unterstützen?
Sie als Betriebsrat können durch die Förderung und Einführung eines Job-Crafting-Konzepts dazu beitragen, die Zufriedenheit und Motivation der Belegschaft zu steigern. Job-Crafting bietet Möglichkeiten, den Arbeitsstress zu reduzieren und die psychische Gesundheit zu fördern - ganz im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Es unterstützt auch eine Kultur der Eigeninitiative und des Engagements, was sich positiv auf das gesamte Arbeitsklima auswirken kann. Damit die Vorteile von diesem Konzept auch vom Management erkannt werden, können Sie als Betriebsrat die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und dem Management unterstützen.
Integrieren Sie Job-Crafting in ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement, das das Wohlbefinden der Mitarbeiter in den Vordergrund stellt. Sie könnten z.B. nach Gesprächen mit Kollegen, die unter hoher psychischer Belastung leiden, Möglichkeiten aufzeigen, wie sie durch Job-Crafting wieder mehr Freude an ihrer Arbeit finden können. Das schafft die besten Voraussetzungen für einen Gesundungsprozess. Und bei Einführung des Konzepts - für alle! (sw)