Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist bedauerlicherweise längst keine Seltenheit mehr. Bereits 2019 veröffentlichte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine Studie, in der rund neun Prozent der Befragten – also jede elfte erwerbstätige Person – angab, in den vergangenen drei Jahren von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz betroffen gewesen zu sein. Laut einer IAB-Studie aus Mai 2025 haben sogar rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland entsprechende Vorfälle selbst erlebt oder in ihrem Umfeld beobachtet – Frauen ebenso wie Männer. Dunkelziffer nich eingerechtnet. Denn: Noch viel zu häufig wird das Thema totgeschwiegen.
#MeToo: ein Anfang, mehr nicht
Positiv ist, dass das Thema in der Öffentlichkeit immer mehr Beachtung findet. Begonnen hatte die Debatte so richtig mit dem Vergewaltigungsskandal rund um den amerikanischen Filmproduzent Harvey Weinstein im Herbst 2017. Der Ausdruck „Me too“ soll auf die Aktivistin Tarana Burke zurückgehen und wurde dann als Hashtag durch die Schauspielerin Alyssa Milano populär. Damit kam eine Lawine ins Rollen, im Netz wurden die Diksussionen unter #MeToo weltweit angefacht. Fakt ist: Sexueller Belästigung muss entschieden entgegengetreten werden – zu jeder Zeit und überall! Und damit selbstverständlich auch in Unternehmen.
Der tägliche Sexismus belastet viele Menschen im Berufsalltag und ist alles andere als ein Kavaliersdelikt.
Statt „Stell Dich nicht so an“ muss die Devise lauten: „Stopp, das ist ein Übergriff!“ Denn, sexuelle Belästigung kann verschiedene Gesichter haben und manchmal sehr versteckt daherkommen. Auch unangebrachte Sprüche, zotige Kommentare und schmutzige Witze können zu viel sein. Natürlich empfindet jede(r) eine andere Belästigungsgrenze, aber sobald sexuelle Anspielungen im Raum sind, muss Schluss sein. Der tägliche Sexismus belastet viele Menschen im Berufsalltag und ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Und auf die Frage „Muss ich mir das gefallen lassen?“ gibt es eine eindeutige Antwort: „Nein!“
Im August 2025 landete ein Fall vor dem Landesarbeitsgericht Köln, das deutlich macht, wie schwierig der Umgang mit Machtverhältnissen und Grenzverletzungen sein kann. Ein Geschäftsführer hatte einer Assistentin wiederholt sexuell anzügliche WhatsApp-Nachrichten geschickt – darunter explizite Aufforderungen zu ihrem Kleidungsstil und Drohungen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Nachdem die Mitarbeiterin nicht darauf einging, erhielt sie die Kündigung. So nicht! Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam und sprach ihr eine Abfindung von über 68.000 Euro zu.
Eine Entscheidung mit Signalwirkung! Bemerkenswert war in arbeitsrechtlicher Hinsicht vor allem die Höhe der Abfindung. Damit setzt das Landesarbeitsgericht ein deutliches Zeichen, dass Machtmissbrauch schmerzhafte finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Schutz ist Arbeitgeberpflicht
Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Arbeitnehmer aktiv vor Belästigung zu schützen. So sieht es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor. Das Gesetz beschreibt sexuelle Belästigung als unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, das die Würde der betroffenen Person verletzt. Arbeitnehmer haben das Recht auf ein sicheres Arbeitsumfeld.
Zu den Rechten von Betroffenen nach dem AGG gehören:
- Beschwerderecht (§ 13 AGG)
- Leistungsverweigerungsrecht (§ 14 AGG)
- Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz (§ 15 AGG)
Rolle des Betriebsrats
Der Betriebsrat hat gemäß § 17 AGG die Aufgabe, die Beschäftigten vor Benachteiligung zu schützen. Außerdem muss er sicherstellen, dass Arbeitgeber ihre Schutzpflichten ernst nehmen. Bleibt der Arbeitgeber untätig oder nimmt er Beschwerden nicht an („War doch bloß Spaß") kommt § 17 Absatz 2 AGG zum Zug. Um den Arbeitgeber zu seiner sozialen Verantwortung zu zwingen, hilft ein Antrag beim Arbeitsgericht mit dem Ziel, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht nachkommt.
Tritt ein Fall von sexueller Belästigung auf, ist es Pflicht des Betriebsrats, sich für die oder den Betroffenen einzusetzen.
Tritt ein Fall von sexueller Belästigung auf, ist es Pflicht des Betriebsrats, sich für die oder den Betroffenen einzusetzen. Unter Umständen kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber sogar konkrete Sanktionen verlangen.
Bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitgeber über die Berechtigung einer Beschwerde hilft schlussendlich die Anrufung der Einigungsstelle.
Seminarempfehlung: Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz
Wirksame Handlungsmöglichkeiten des BR zum Schutz der Mitarbeiter
Prävention und Aufklärung
Was Unternehmen konkret tun können:
- Leitlinien und Verhaltenskodex entwickeln und kommunizieren – z. B. im Leitbild, in der Betriebsvereinbarung oder im Onboarding.
- Schulungen und Workshops für Führungskräfte und Beschäftigte anbieten, z. B. zum Thema: „Wo beginnt sexuelle Belästigung?“ oder „Respektvoll kommunizieren“.
- Vertrauenspersonen oder Beschwerdestellen benennen – anonym erreichbar und geschult im Umgang mit sensiblen Anliegen.
- Kampagnen und Plakate im Betrieb – klare Botschaften auf dem Schwarzen Brett, im Intranet oder über Bildschirme im Aufenthaltsraum.
Wichtig:Prävention ist kein einmaliges Projekt, sondern Teil der Unternehmenskultur. Nur wer regelmäßig aufklärt und Haltung zeigt, schafft ein Umfeld, in dem sich Betroffene sicher fühlen – und Täter keine Chance haben. (cbo)