Was versteht man unter Präsentismus bzw. Absentismus?
Kennen Sie diesen Kollegen, der Ihnen niesend, hustend und mit glasigen Augen gegenübersitzt? Oder die Kollegin mit der Armschiene am rechten Arm, die sich dann mit der Linken mühsam mit der Tastatur abmüht? Dann kennen Sie Menschen mit „Präsentismus“! Diese Arbeitnehmer arbeiten, obwohl sie eigentlich krank sind oder erhebliche gesundheitliche Einschränkungen haben. Dreht man die Verhaltens-Münze um, dann treffen wir auf den Begriff „Absentismus“. Jetzt wird die Definition schwieriger, denn wie so oft, scheiden sich hier die Geister. Die verständlichste Erklärung sind dazu die Fehltage einer Person, wenn sie krank ist. Eine weitere Beschreibung ist das „Blaumachen“ oder „Krankfeiern“ von der Arbeit mit und ohne Krankschreibung. Da das absichtliche Fehlen im Job, ohne krank zu sein, nicht zu messen ist, haben sich Experten als Definition auf die Fehltage im Job geeinigt.
In der einen Hälfte des Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben. In der anderen Hälfte opfern wir Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen.
Ursachen von Präsentismus und Absentismus?
Wie Voltaire schon so treffend sagte: „In der einen Hälfte des Lebens opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu erwerben. In der anderen Hälfte opfern wir Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen.“ Schauen wir genauer hin, dann finden wir für Präsentismus (arbeiten im Krankenzustand) verschiedene Ursachen:
- Der Arbeits- und Termindruck ist zu hoch
- Die Personaldecke ist zu niedrig
- Gelebte Unternehmens- und Führungskultur lässt zu wünschen übrig
- Es herrscht Jobunsicherheit und eine schlechte konjunkturelle Geschäftslage
- Individuelle Persönlichkeit – der Arbeitnehmer sieht sich selbst als unersetzlich.
- Zufriedenheit im Job und hohe Bindung zum Arbeitgeber führen zu Verpflichtungen
Spannend hierbei ist, dass tatsächlich auch die Arbeitszufriedenheit eng mit Präsentismus verknüpft ist. Je zufriedener die Befragten sind, desto häufiger arbeiten sie trotz Krankheit. Das lässt sich mit der Motivation erklären, die sich aus einer starken Verbundenheit mit dem Arbeitgeber ergibt. Wichtig für die Praxis ist also, dass der Arbeitgeber seine motivierten Beschäftigten schützt, damit sie auch langfristig gesund und leistungsfähig arbeiten können.
Der Absentismus (fehlen aufgrund von Krankheit oder auch nicht krank sein) hat oft ganz andere Auslöser:
- Arbeitsunfähig aufgrund von Krankheit
- Fehlzeiten wegen psychischer Belastung
- Suchtkrank durch Alkohol oder andere Drogen
- Fehlende Motivation wegen innerer Kündigung
- Betriebliche oder persönliche Gründe (Todesfall, Scheidung, Pflege von Angehörigen)
- Mangelnde Ansprache, Bindung und/oder Kommunikation mit dem Vorgesetzen
Egal ob Präsentismus oder Absentismus: Tatsache ist, dass beide Arten dem Unternehmen Geld kosten. Was vermuten Sie, welche der beiden Varianten dem Unternehmen mehr Geld kostet?
Sein Bestes zu geben, heißt nicht, zu arbeiten, bis man umfällt.
Die Folgen für das Unternehmen
Sein Bestes zu geben, heißt nicht, zu arbeiten, bis man umfällt. Das sollten alle kranken und arbeitenden Kollegen verinnerlichen. Durch ihr zu gut gemeintes Engagement entstehen den Unternehmen im Jahr erhebliche Kosten. Unter HR-Mitarbeitern und Personalern werden unter Präsentismus auch ganz konkret die Produktivitätsverluste verstanden, die durch anwesende Mitarbeiter mit tatsächlichen Gesundheitsproblemen entstehen. Denn wer krank zur Arbeit geht, leistet sicherlich weniger als in seinem gesunden Zustand. Gleichzeitig passieren auch mehr Fehler, die sich dann auf andere Mitarbeiter auswirken (Lawineneffekt). In der Folge sind womöglich viele Korrekturen notwendig, man hat Ausschuss in der Produktion oder es kommt im schlimmsten Fall zu Arbeitsunfällen.
Dieses Verhalten hilft also weder dem Arbeitgeber noch dem kranken Arbeitnehmer. Denn laut dem Statistikdienst Statista entstehen Unternehmen doppelt so hohe Kosten durch Präsentismus wie durch Absentismus.
Fördert die mobile Arbeitswelt Präsentismus?
Haben Sie schon mal im Home-Office gearbeitet und waren eigentlich krank? Oft fällt in dem Zusammenhang der Spruch, „von zuhause geht das schon irgendwie!“ Gerade in der Corona-Krise mit der mobilen Zwangsverlagerung der Arbeit in die privaten vier Wände war der Präsentismus stark verbreitet.
Wie häufig trotz Abraten des Arztes krank gearbeitet wird, ist deshalb auch abhängig von der Anzahl der mobilen Arbeitstage. Nur 4,1 Prozent der Beschäftigten, die nie im Homeoffice arbeiten, geben an, sehr häufig trotz Abraten des Arztes zu arbeiten. Bei Beschäftigten, die mehr als vier Tage pro Woche im Home-Office arbeiten, sind es dagegen 14,8 Prozent. Personen im Home-Office sollten deshalb vom Arbeitgeber besonders geschützt werden. (Quelle einer Studie der TK 2022: Präsentismus in einer zunehmend mobilen Arbeitswelt)
Was können Sie als Betriebsrat tun?
Laut dem Wissenschaftlichen Institut der AOK-Krankenkasse (WIdO) ist eine wertschätzende, sichere und gesunde Unternehmenskultur die beste Prävention. Hat die Gesundheit der Mitarbeiter und der Erhalt der Arbeits- und Leistungsfähigkeit einen hohen Stellenwert im Unternehmen, so sinken die Fallzahlen von Präsentismus und Absentismus automatisch.
Unser Tipp:
- Schauen Sie sich regelmäßig als Betriebsrat die Fehltage und BEM-Fälle Ihres Unternehmens an.
- Prüfen Sie die vielschichtigen Ursachen von Präsentismus und Absentismus nach folgenden Kriterien:
- Arbeitsbezogen: Mit den Kollegen sprechen und betriebliche, belastende Faktoren ermitteln und beseitigen.
- Personenbezogen: Den Arbeitgeber für eine unterstützende Kultur überzeugen und belastende Personen durch individuelle Maßnahmen helfen.
- Organisationsbezogen: Diskriminierung, Angst um den Arbeitsplatz oder eine strikte Anwesenheitspolitik abbauen und Sinnstiftung durch gemeinsam getragene Unternehmensziele erarbeiten.
- Bauen Sie Hürden ab – die seelische Gesundheit eines Mitarbeiters sollte kein Tabu-Thema sein.
- Schaffen Sie für die Nachteile von Präsentismus Bewusstsein im Unternehmen.
Ein gut funktionierendes betriebliches Gesundheitsmanagement fördert das gesunde Verhalten der Kollegen erheblich. Und hier können Sie als Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmen.