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Digitaler Stress: Betriebsräte, werdet aktiv!

Die Auswirkung der digitalen Arbeit betrifft uns alle

Der digitale Stress nimmt zu. Und er wird bleiben, denn wir werden nicht wieder in die alte Arbeitswelt vor der Pandemie zurückkehren, meint der Wirtschaftsinformatiker Prof. Henner Gimpel. In einer aktuellen Studie kam sein Forschungsteam zu überraschenden Erkenntnissen. Neben der Sorge vor Leistungsüberwachung sind es auch die ständigen Unterbrechungen, die Beschäftigte belasten. Fazit: Es ist höchste Zeit, sich auch im Betriebsrat mit dem Thema digitaler Stress zu befassen.

Stand:  15.2.2021
Lesezeit:  03:30 min
Digitaler Stress | © AdobeStock_WavebreakMediaMicro

Herr Prof. Gimpel, fühlen Sie sich digital gestresst?

Der digitale Stress ist für alle Beschäftigten brisant. Aber ja, je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr reflektiert man natürlich seinen eigenen Arbeitsalltag. Wobei das Thema nicht neu ist. Der Begriff „Technostress“ stammt aus den 1980er Jahren. Schon damals wurde erkannt, dass die Technik weit in unsere Arbeitswelt eingreifen wird. Dies hat in den letzten Jahren mit der Digitalisierung ein ganz neues Ausmaß angenommen. Spätestens seit der Corona-Pandemie merken wir: Die digitale Arbeit betrifft uns alle. Wir müssen das Thema dringend ernst nehmen.

Im Kern geht es um die Arbeitsweise: Die eingesetzte Technik muss zu den Fähigkeiten passen.

Wo liegt das Problem, was verursacht digitalen Stress?

Der digitale Stress gehört zu den psychischen Belastungen, die seit Jahren stärker in den Fokus rücken. Im Kern geht es um die Arbeitsweise: Die eingesetzte Technik muss zu den Aufgaben, Wünschen und Fähigkeiten der Arbeitnehmer:in passen. Ideal ist es, wenn alle gerne und gut mit ihrer Technik arbeiten; das muss das Ziel sein. Besteht keine Akzeptanz, steigt der Stress. Und das betrifft immer mehr Arbeitnehmer:innen. Was uns überrascht hat: Der digitale Stress ist gerade bei den Jüngeren stärker ausgeprägt als bei den Älteren, er nimmt im Alter eher ab. Und die Digitalisierung der Arbeit hat durch die Pandemie im letzten Jahr einen enormen Schub bekommen.

In Ihrer Studie sind Sie auf verschiedene Belastungsfaktoren gestoßen. Was stresst am meisten?

Am häufigsten belastet die Leistungsüberwachung, ein ganz klarer Stressor. Nehmen Sie als Beispiel das kleine grüne Lämpchen bei Microsoft Teams, das anzeigt, ob gerade jemand online ist. Mein Chef sieht, ob ich gerade am Schreibtisch sitze oder an der Tastatur arbeite – oder vermeintlich faul bin. Ein anderes Beispiel ist der digitale Kalender, für alle freigegeben. Das ist ungemein effizient, aber die Gefahr dabei ist: Alle anderen sehen, was ich den ganzen Tag mache und können (vermeintlich) ablesen, wie produktiv ich bin. Oder das Thema Cloudspeicher. Jeder sieht, zu welcher Uhrzeit ich etwas speichere oder wie viele Versionen es von dem Dokument gibt. Wir sehen in den Umfragen, dass es viele Leute belastet, möglicherweise ständig überwacht zu werden.

Und was ist mit der Technik selbst und ihrer Nutzung?

Hier stresst am ehesten die Unzuverlässigkeit. Die digitale Technik ist aus der Arbeit nicht mehr wegzudenken. Wenn sie dann nicht mehr funktioniert, ist das ein echtes Problem. Der Drucker streikt, ich kann mich nicht in die Videokonferenz einwählen, schon wieder ein neues Tool! Wo ist der Knopf, mit dem ich die Kamera bediene? Wie teile ich meinen Bildschirm? Aber auch das Thema Unterbrechung gehört zu den wichtigen Auslösern für digitalen Stress. Wir alle kennen es, dass ständig nebenher das Smartphone piept und im PC neue Mails aufpoppen. Die Ablenkung reißt uns aus der Arbeit. Das belastet.

Wichtig ist, dass es klare Regeln im Unternehmen gibt.

Wie schiebe ich dem einen Riegel vor?

Wichtig ist allem voran, dass es klare Regeln im Unternehmen gibt, z.B. durch eine Betriebsvereinbarung. Es gibt auch technische Lösungen, die aber nicht immer überzeugen. Nehmen wir beispielsweise das Abschalten eines Programms: Nutzt das Unternehmen einen Teil der Technik nicht, schränkt das natürlich das Potential ein. Auch die Blockade zu einer bestimmten Uhrzeit, z.B. ab 20 Uhr keine Mails mehr schicken können, überzeugt mich nicht. Denn schlimmstenfalls bekommt man das Thema bis zum Morgen nicht mehr aus dem Kopf. Oder man weicht auf andere Kanäle wie WhatsApp aus und hat damit noch mehr Vermischung zwischen Arbeits- und Privatleben. Viel liegt deshalb an den Führungskräften und der klaren Kommunikation im Unternehmen. Führungskräfte müssen vorleben, dass eben nicht erwartet wird, dass Mails abends noch gelesen werden. Leistung zeigt man in der Regel nicht durch Anwesenheit und dadurch, dass abends noch das Licht brennt. Wichtig ist, genau das klar zu kommunizieren. Das ist auch ein Thema für den Betriebsrat. Außerdem ist es wichtig, an den eigenen Befürchtungen zu arbeiten und diese zu hinterfragen.

Viel hilft viel: Gilt das auch für die Technik am Arbeitsplatz?

Mehr Technik ist nicht automatisch besser und hilft nicht immer! Die Kernfrage ist: Welche Technik brauchen die Arbeitnehmer:innen für ihre Arbeit? Mehr Technik bedeutet auch, dass mehr kaputtgehen kann und Systeme vielleicht nicht zueinander passen. Jeder muss am Arbeitsplatz Routine entwickeln im Umgang mit der notwendigen Technik. Denn mangelnde Routine ist oft ein großes Problem. Bluetooth, Kamera, Bildschirme, Funkmaus, Mikro: Schulungen sind wichtig, Technik darf nicht immer als gegeben vorausgesetzt werden.

Wie kann konzentriertes Arbeiten gelingen – trotz aller (technischen) Unterbrechungen?

Konzentriert zu arbeiten muss möglich sein, egal ob im Betrieb oder im Home-Office. Sofern möglich, sollte sich jeder digitale Auszeiten suchen, in denen man z.B. das E-Mail-Programm schließt. Regelungen hierzu können vielleicht auch in einer Betriebsvereinbarung Einzug halten. Wichtig ist immer auch das Handy: Nicht nur lautlos schalten, sondern auch weglegen. Liegt es im Sichtfeld, denkt man oft: „Ich könnte etwas verpassen“. Es gilt also, sich Freiräume zu schaffen, um nicht unterbrochen zu werden.

Und das beginnt im Unternehmen, also auch bei den Betriebsräten.

Dauerhaft abschalten, wäre das nicht auch eine Lösung?

Von Digital Detox, der „Entgiftung vom Digitalen“, liest man immer wieder. Ich halte nicht viel davon, auch wenn es vielleicht im Einzelfall sinnvoll sein kann. Aber wir müssen es eher schaffen, als Gesellschaft einen sinnvollen und dauerhaft tragfähigen Umgang mit der Digitalisierung zu erreichen. Und das beginnt im Unternehmen, also auch bei den Betriebsräten. Allen muss bewusst sein, wie problematisch Multitasking ist – weil wir es nicht können. Gerade in Corona-Zeiten denkt man vielleicht bei den vielen Videokonferenzen, man könne schnell noch etwas anderes nebenher machen. Das stresst. Wichtiger ist, sich nicht ablenken zu lassen und die technischen Systeme richtig zu konfigurieren: Benachrichtigungen von Outlook ausstellen, WhatsApp-Gruppen stummschalten.

Also ist letztlich Digitalkompetenz der Schlüssel?

Ja, denn keiner ist den modernen Anforderungen schutzlos ausgeliefert. Man kann sich selbst schützen, wenn man lernt, damit umzugehen. Das heißt nicht, dass plötzlich jeder programmieren lernen muss. Und es müssen auch nicht alle wissen, wo welcher Stecker am Computer hingehört. Das schadet zwar nicht, aber es sind ganz andere Stressoren, mit denen ich sinnvoll umgehen muss, z.B. die Konfiguration des Mailprogramms. Wo setze ich das Häkchen? Wo muss ich klicken? Routine ist auch wichtig. Und bei Systemen, die ich nicht so oft brauche, hilft eine Dokumentation. So kann der Stress erst gar nicht entstehen. Wichtig dabei ist: Die Last liegt nicht nur bei Arbeitnehmer:innen, auch die Arbeitgeber:innen sind da natürlich in der Pflicht. Fortbildung ist der Schlüssel. Und jeder muss das Thema ernst nehmen. Wir gehen in die richtige Richtung, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns, auch vor Betriebsräten. Ich verspreche: Wir forschen weiter an dem Thema und bringen weiter viele Sichtweisen wie Gesundheit, Technik und Psyche zusammen. (CB)

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