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News Wirtschaft Kommt die 4-Tage-Woche jetzt nach Deutschland?

Kommt die 4-Tage-Woche jetzt nach Deutschland?

Das Pilotprojekt in England wurde abgeschlossen

Die Studienauswertung zur 4-Tage-Woche steht. Anhand von Zwischenergebnissen ist zu erkennen: In den Test-Firmen kommt das neue Modell gut an. Und das nicht nur bei den Arbeitnehmern, auch die Arbeitgeber waren positiv überrascht. Aber war die England-Studie wirklich repräsentativ? Kann sie 1:1 auf andere Länder und auf verschiedene Branchen übertragen werden? Erfahren Sie mehr über die detaillierten Ergebnisse der Studie. 

Stand:  6.4.2023
Lesezeit:  03:45 min
Durch 4-Tage Woche mehr Freizeit | © AdobeStock | Brilliant Eye

Endlich Freitag! Sie bleiben länger im Bett oder planen eine Radtour. Sie frühstücken gemütlich und bereiten entspannt den Haushalt für das Wochenende mit der Familie vor. Ist das ein Traum? Oder leben Sie schon die 4-Tage-Woche? In England wird er jetzt für viele Vollzeit-Mitarbeiter mittelständischer und großer Unternehmen wahr. 70 Unternehmen nahmen an einem Experiment der Organisation „4 Day Week Global“ teil. Es profitierten fast 3.300 Mitarbeiter von dem neuen Arbeitszeitmodell. Das Pilotprojekt lief von Juni bis Dezember 2022. In Deutschland würden laut einer Studie des Versicherers HDI und des Meinungsforschungsinstituts Yougov die Hälfte der Arbeitnehmer in Teilzeit wechseln, wenn sie die Möglichkeit vom Arbeitgeber bekommen würden. Drei von vier Befragten hätten gerne eine 4-Tage-Woche – jeder Siebte würde dafür Lohneinbußen in Kauf nehmen. Aber können wir uns das aufgrund des Fachkräftemangels überhaupt leisten?

Wer nahm bei der Studie aus England zur 4-Tage-Woche teil?

Die Branchen der teilnehmenden Unternehmen sind ein bunter Mix aus Pflegeeinrichtungen, Dienstleistern, Banken, Chip-Herstellern und einem Fish-und-Chips-Shop. Sie konnten sich freiwillig für diese Studie bewerben. Scheinbar kann sich das Ergebnis sehen lassen: Die Krankenquote sank, Teilnehmer waren weniger gestresst und kündigten seltener, Ökonom Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hält die Studie für wenig repräsentativ, da die Unternehmen nicht zufällig ausgewählt wurden und Dienstleister mit Bürotätigkeit und Non-Profit-Organisationen überwiegen. Auch konnten die Firmen selbst entscheiden, wie die vier Tage umgesetzt wurde.

Ähnliche Experimente laufen derzeit in Irland, den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Israel. Spanien und Schottland planen ebenfalls eigene Studien und Tests. Island war mit seinen Studien von 2017 - 2019 ein Vorreiter des New Works. Das fleißige Inselvölkchen gönnt sich seit Juli 2021 eine 35-36 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich.
In Deutschland wird hingegen noch eifrig und oft hitzig diskutiert, was z.B. im Nachbarland Belgien schon Alltag ist. Hier wurde die 4-Tage-Woche bei gleicher Arbeitszeit beschlossen und die Arbeitnehmer können künftig zwischen 4- und 5-Tage-Woche wählen.

Endergebnis der England-Studie zur 4-Tage-Woche

Trotz der Kritik von Experten an der Aussagekraft der Studie gibt es ein Ergebnis, das zumindest für die Beteiligten durchaus positiv klingt.

Umsatz:

Fangen wir mit dem Punkt an, der den meisten Unternehmern am wichtigsten ist: dem Geld! Was ist mit der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens in dem halben Jahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum passiert? Hat sich die Befürchtung der Geschäftsführer und Inhaber bestätigt, dass der Umsatz bei geringerer Arbeitszeit sinkt?
Leider haben nicht alle Firmen ihre Geschäftsdaten preisgegeben. Bei den zur Verfügung stehenden Daten wurde laut Studie ein Anstieg des Gesamtumsatzes um 8,14 % (gewichtet nach Unternehmensgröße) bis zum Ende des Prozesses berechnet. 

Mitarbeiteranzahl:

Bei den Firmen, die ihre Daten geliefert haben, hat sich aufgrund des Umsatzwachstums auch die Mitarbeiterzahl um ca. 12 % erhöht. Spannend ist, dass auffällig wenig Mitarbeiter im Vergleich zum Vorjahr gekündigt haben. Misst man die Fehlzeiten (gemessen als krank und Personentage pro Mitarbeiter und Monat), dann fielen diese von 0,56 im Vergleichszeitraum auf 0,39 während des Prozesses.

Arbeitszeit:

Die Arbeitszeit sank um sechs Stunden, von 40,83 auf 34.83 Stunden pro Woche. Das ist zwar keine volle Reduzierung auf 32 Stunden, aber es ist eine deutliche Verringerung zu den 40 Stunden. Diese Zahl kommt deshalb zustande, weil in vier Firmen zuvor durchschnittlich deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche gearbeitet wurde. Außerdem hatten einige Unternehmen keine volle 8-Stunden-Reduktion geplant. Dass die Häufigkeit der Überstunden sank, lässt sich eher auf durchschnittliche und individuelle Ergebnisse zurückführen. Die überwiegende Mehrheit der Studienteilnehmer kam mit dem 4-Tage-Zeitplan pro Woche über die gesamten sechs Monate gut zurecht. 79 % bekamen jede Woche den zusätzlichen Freizeittag, 13,76 % bekamen immerhin alle zwei Wochen einen freien Tag. Bei den restlichen 7 % funktionierte es entweder einmal im Monat oder weniger bzw. nie.

Sprechblase | © AdobeStock | qopoo

Mitarbeiterstimme aus der Studie:
„Es war eine wunderbare Initiative. Ich bin 59 Jahre alt und habe mein ganzes Leben Vollzeit schwer gearbeitet. Seit Jahren träume ich von einer Reduzierung meiner Arbeitswoche um einen Tag. Aber aufgrund finanzieller Verpflichtungen hat das nie funktioniert. Vollzeit zu arbeiten, wird für eine absehbare Zukunft so bleiben, aber immerhin nur vier Tage die Woche!“.

Arbeitsfähigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit

Laut Studie fühlten sich die Menschen während des Prozesses produktiver und lieferten bessere Arbeit ab. Das lag sicher daran, dass die Mitarbeiter mehr Kontrolle über ihre Zeitpläne bekamen und damit mehr Eigenverantwortung.

Wichtigster Punkt der Mitarbeiterzufriedenheit: Im Endergebnis führte die 4-Tage-Woche im Durchschnitt nicht zu einer Steigerung der Arbeitsintensität oder dem Arbeitstempo. Während des Prozesses spürten etwas mehr als ein Drittel der Mitarbeiter anfangs einen Anstieg, doch genauso viele einen Rückgang – der Rest bemerkte keine Veränderung. Das spricht für eine gelungene Re- oder Neustrukturierung, die nicht über Arbeitsbeschleunigung, sondern über eine nachhaltige oder wünschenswerte Strategie erreicht wurde.
Noch eine willkommene Erkenntnis war, dass die Mitarbeiter ihren freien Tag nicht für einen Zweitjob nutzten.

Sprechblase | © AdobeStock | qopoo

Mitarbeiterstimme aus der Studie:
„Ich liebe die 4-Tage-Arbeitswoche absolut. Es brauchte Zeit, um sich anzupassen, aber Monate später bin ich produktiver und zufriedener in meinen Job, während ich deutlich weniger arbeite als vor dem Prozess.“

Gesundheit und Wohlbefinden

Wen wundert es? Der Stress nahm während des Versuchszeitraums ab. Auf einer Skala von 1-5 – von nie Stress bis immer Stress –, ging der gemeldete Arbeitsstress von 3,15 vor dem Versuch auf 2,95 nach dem Versuch zurück.
Burnout-Erkrankungen gingen ebenfalls zurück – und zwar deutlich! Wieder gemessen auf der 1-5-Skala von 2,74 auf 2,30. Die Teilnehmer berichteten zudem von Verbesserungen ihrer körperlichen Gesundheit. Mehr Freizeit hatte gesundheitsfördernde Aspekte, denn es gab einen kleinen Anstieg in der Häufigkeit der wöchentlichen Bewegung! Die oben genannte Radtour oder der Gang zum Fitnessstudio haben hier mit Sicherheit einen Beitrag geleistet. Die Schlafqualität hat bei den Mitarbeitern ebenfalls zugenommen. Der Ermüdungswert ist um 9,25 % gesunken und Schlafprobleme haben um 8,25 % abgenommen. Eine 4-Tage-Woche hat ein großes Potenzial, die Kosten der Gesundheitsvorsorge zu reduzieren.

Work-Life-Balance

Positive Veränderungen traten darüber hinaus bei der Schnittstelle von Beruf und Familie auf. In dem Zeitraum der Studie nahmen häusliche Konflikte ab. Eigentlich logisch, denn endlich können z.B. Hausarbeiten, persönliche Termine und Kinderbetreuung wesentlich entspannter bewältigt werden.

Was ist das Fazit aus dieser Studie?

Das Ergebnis der Studie war positiv. Die Unternehmen berichten, dass sie mit der Leistung, der Produktivität und ihren allgemeinen Erfahrungen zur 4-Tage-Woche sehr zufrieden sind. Mitarbeiter äußern ähnliche Gefühle. Trotzdem gibt es einige Kritikpunkte an den Ergebnissen, beispielsweise ist lediglich der Umsatz und nicht die Produktivitätssteigerung ermittelt worden. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht in dem britischen Experiment eher eine Kampagne als eine wissenschaftliche Untersuchung. Er weist darauf hin, dass die Universität Cambridge die Studie in Zusammenarbeit mit der Organisation „4 Day Week Global“ durchgeführt hat – einer Organisation, die sich weltweit für die Einführung einer 4-Tage-Woche stark macht.  Auch der Aussage zur Produktivitätserhöhung durch verkürzte Meetings oder Optimierung der Arbeitsabläufe steht er skeptisch gegenüber. Solche Maßnahmen hätten mit der 4-Tage-Woche nichts zu tun und sind genauso bei 3-5 Tagen Arbeit sinnvoll. Kürzere Arbeitszeiten lassen sich zwar in manchen Bürojobs gut umsetzen, aber längst nicht in allen Branchen, kritisieren weitere Experten. 

Ob eine 4-Tage-Woche bei Ihnen im Betrieb funktioniert, müssen Sie als Betriebsrat individuell mit dem Arbeitgeber prüfen. Ihre Kollegen wären jedenfalls zum Großteil dabei. (sw)

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