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Kein Zweifel: Corona schüttelt die Wirtschaft durch und damit auch die Arbeit von Betriebsräten. Die vielen Schlagzeilen wie z.B. „Wenn trotz Hilfen die Pleite droht“, „Easyjet streicht weitere Flüge“ oder „Corona-Schub für Vitamin-Hersteller“ machen deutlich, dass Corona die einzelnen Branchen und Unternehmen völlig unterschiedlich trifft. Wie in jeder Krise gibt es auch jetzt Verlierer und Gewinner. Eine Frage bleibt: Können Betriebsräte gestärkt aus der Krise hervorgehen oder kommt die betriebliche Mitbestimmung im Krisenmodus unter die Räder?
Dr. Klaus Watzin
Kommunikationstrainer
© AdobeStock_moodboard
Betrachtet man die rechtliche Seite der Krise, so sieht es in Bezug auf Betriebsräte eigentlich nach mehr betrieblicher Mitbestimmung aus. Denn viele Themen, die derzeit heiß diskutiert werden, sind klassische Mitbestimmungsthemen: das Erstellen von Hygienekonzepten, Kurzarbeit, vorübergehende oder dauerhafte Regelungen fürs Home-Office, Umstrukturierungen oder Corona-bedingter Personalabbau. So gesehen spricht vieles für eine Stärkung der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“.
Der Blick auf die praktische Umsetzung zeigt allerdings häufig ein anderes Bild. Viele Entscheidungen werden im Krisenmodus sehr kurzfristig getroffen. Damit wächst der Zeitdruck, unter dem Betriebsräte entscheiden müssen. Gleichzeitig konnten viele Gremien sich zum Teil über Monate nicht persönlich vor Ort treffen, während die Voraussetzungen für virtuelle Treffen erst einmal geschaffen werden mussten und vielerorts noch immer nicht optimal sind. Der „kurze Dienstweg“, über den sich sonst Informationen beschaffen oder Kompromisse vorbereiten lassen, entfällt, weil viele Mitarbeiter*innen im Home-Office arbeiten und deshalb Kantinen, Kaffee- und Raucherecken verwaist sind. Und dazu kommt noch ein Punkt: Nutzen einige Arbeitgeber die Krise womöglich auch aus, um unpopuläre Entscheidungen unter dem Mantel einer Corona-bedingten Notwendigkeit durchzusetzen? Keine Frage also: Auch in den kommenden Monaten wird Verhandlungsgeschick notwendig sein. Ganz praktisch gedacht, gilt es zu klären: Was müssen Betriebsräte tun, um auch in Krisenzeiten erfolgreich zu verhandeln?
Verhandlungsführung muss nicht neu erlernt werden.
Ein Satz sei zur Beruhigung vorausgeschickt: Verhandlungsführung muss nicht neu erlernt werden. Das klassische Handwerkszeug behält natürlich seine Gültigkeit. Die richtige Frage zum richtigen Zeitpunkt ist weiterhin hilfreich. Eine gute Rollenverteilung im Verhandlungsteam funktioniert auch in der Videokonferenz. Und ohne klar formulierte Ziele und passende Alternativen geht es auch derzeit nicht. Wer als Betriebsrat aber gestärkt aus der Krise hervorgehen möchte, sollte im Krisenmodus einige zusätzliche Punkte beachten.
Generell ist es derzeit wichtig, die „Stammtischhoheit“ im Unternehmen nicht dem Arbeitgeber allein zu überlassen. Versorgen Sie die Belegschaft mit Ihrer Sicht der Dinge. Machen Sie öffentlich, an welchen Themen der Betriebsrat dran ist, welche Positionen er vertritt, was der Stand der Dinge ist oder was konkret bereits erreicht wurde. Mitarbeiter*innen in vielen Unternehmen fühlen sich in der Krise durch ihre Arbeitgeber schlecht informiert. Hier kann der Betriebsrat punkten.
Krisenzeiten sind schnelllebig. Seien Sie bei der Informationsbeschaffung deshalb aktiver als sonst. Vielleicht lässt sich wenigstens hin und wieder ein zusätzliches Jour fix auch zwischen den Monatsgesprächen vereinbaren. Oder der Wirtschaftsausschuss tagt häufiger als üblich. Und nutzen Sie im Bedarfsfall auch andere persönliche Kontakte in möglichst alle Abteilungen oder Bereiche Ihres Unternehmens, um auf dem Laufenden zu bleiben. Nehmen Sie auch mal das Telefon in die Hand, um zu hören, was Sie früher vielleicht in der Raucherecke erfahren haben. Erkundigen Sie sich aktiv, was den Mitarbeiter*innen in der aktuellen Lage am Herzen liegt.
Neue Probleme erfordern neue, kreative Lösungen.
Neue Probleme erfordern neue, kreative Lösungen. Eine erfolgreiche Verhandlungsführung setzt voraus, nicht immer nur auf – vermeintlich alternativlose – Vorschläge der Gegenseite zu reagieren. Viele Gremien haben derzeit dieselben Sorgen. Nutzen Sie deshalb Ihre Kontakte im Gesamt- oder Konzernbetriebsrat, zu den Gewerkschaften oder in anderen Netzwerken, um zu erfahren, welche Lösungen für die anstehenden Probleme dort gefunden wurden. Es ist im Zweifelsfall immer besser, mit eigenen konkreten Vorschlägen zu einer anstehenden Thematik in die Verhandlung zu gehen.
Online zu tagen bringt trotz des fehlenden direkten Kontaktes nicht nur Nachteile mit sich. Die Erfahrung zeigt, dass Videokonferenzen häufig effizienter und weniger emotional ablaufen. Fehlende körperliche Nähe lässt so manch eine persönliche Animosität weniger stark ins Gewicht fallen. Vielleicht lassen sich „schwere Brocken“ so sogar leichter angehen. Sehen Sie es also positiv. Und noch ein ganz praktischer Tipp: Die meisten Tools haben eine Chatfunktion, die sich auf einzelne Teilnehmer*innen beschränken lässt. Auf diese Weise lassen sich auch während eines Online-Meetings unauffällig Informationen zwischen den Betriebsratsmitgliedern austauschen. Und noch ein Tipp: Übergeben Sie, wo es passt, ganz gezielt den Wortbeitrag auch von einem zum anderen Betriebsratsmitglied („Das kann uns XY sicher noch besser erläutern …“). Auf diese Weise erhöhen Sie den eigenen Redeanteil.
In der Politik gilt der Grundsatz: Krisenzeiten sind Zeiten der Exekutive, also der Regierungen. Doch genau wie Parlamente tun sich auch Betriebsratsgremien mit kurzfristigen Entscheidungen meist eher schwer. Das Gebot der Stunde ist allerdings nicht, sich dem Zeitdruck durch ein taktisches Verzögern zu entziehen. Vieles muss tatsächlich sehr kurzfristig beschlossen werden. Nehmen Sie sich dennoch die Zeit für notwendige Beratungen. Treffen Sie sich im Bedarfsfall häufiger als sonst im Gremium oder in den entsprechenden Ausschüssen. Vereinbaren Sie Spielregeln mit dem Arbeitgeber, wann und in welcher Form Vorlagen oder Informationen an den Betriebsrat geleitet werden, damit Entscheidungen zeitnah aber trotzdem fundiert getroffen werden können.
Deals funktionieren nur auf Gegenseitigkeit.
Neue Herausforderungen führen oft zu Lösungen in juristischen Grauzonen. Nutzen Sie das für Deals. Lassen Sie bei Vorschlägen des Arbeitgebers auch mal fünf grade sein, wo dies vertretbar und im Sinne der Kolleg*innen sinnvoll ist. Nutzen Sie gerade jetzt auch die Möglichkeit „weiche“ Verhandlungsergebnisse zu erzielen, also z.B. Regelungen auf Probe oder zeitlich befristete Vereinbarungen. Wenn Sie es akzeptabel finden, können Sie einer Sache z. B. auch mal ohne 100-prozentige Kontrollmöglichkeit zustimmen. Sprechen Sie Ihr Entgegenkommen aber deutlich aus und fordern Sie dafür im Gegenzug Zugeständnisse bei Themen, die Ihnen am Herzen liegen. Allerdings gilt: Deals funktionieren nur auf Gegenseitigkeit.
Digitale Formen der Öffentlichkeitsarbeit werden generell wichtiger. Corona beschleunigt diese Tendenz nur. Nutzen Sie daher alle Möglichkeiten, die Ihnen die Infrastruktur Ihres Unternehmens bietet. Machen Sie es der Belegschaft möglichst leicht, an Ihre Informationen zu kommen. Wichtige Mitteilungen könnten auch gut auf verschiedenen Kanälen zugänglich gemacht werden: Nutzen Sie z. B. ruhig auch Videobotschaften, um die Menschen hinter den Beschlüssen auch sichtbar zu machen. Zudem bleiben Sie damit auch präsent.
Fazit: Auch wenn Corona die Arbeit von Betriebsräten nicht überall gleichermaßen durchgeschüttelt hat: Vieles wird wohl auch in Zukunft nicht mehr in den eingefahrenen Bahnen der Vor-Corona-Zeit laufen. Es liegt daher in Ihrer Hand, als Betriebsrat das Bestmögliche aus der Situation zu machen und im idealen Fall auch gestärkt aus der Krise zu kommen.
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