Mehr als drei Milliarden Euro lässt sich die Bundesregierung das sogenannte Qualifizierungsgeld kosten. Seit 1. April 2024 kann es ausbezahlt werden und soll Mitarbeiter bei ihrer Weiterbildung unterstützen. Bedingt durch den rasanten Strukturwandel, insbesondere aufgrund der Digitalisierung und des angestrebten Ziels der Klimaneutralität, ändern sich in vielen Branchen die Aufgabengebiete. Dadurch fallen einige Jobs weg, andere entstehen. Damit Beschäftigten und Betriebe besser gewappnet sind, soll das Qualifizierungsgeld den Weg zur Weiterbildung vereinfachen.
Fast alle Branchen und Betriebe sind in den Auswirkungen, wenn auch sehr unterschiedlich, betroffen.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
„Fast alle Branchen und Betriebe sind in den Auswirkungen, wenn auch sehr unterschiedlich, betroffen. Insofern ist keine Beschränkung des Qualifizierungsgeldes auf ein Anwendungsfeld vorgesehen“, so eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Neben der Automobilbranche inklusive all ihrer Zulieferer seien vor allem energieintensive Industrien wie die Glasherstellung oder die Metallbearbeitung zu nennen. Aber auch über die Industrie hinaus, etwa im Verlags-, Bank- oder Versicherungswesen, ließe sich ein deutlicher Strukturwandel erkennen.
60 Prozent des Nettogehaltes
Ähnlich wie beim Kurzarbeitergeld – und daran orientiere sich auch die Berechnung – ist das Qualifizierungsgeld als Lohnersatz zu verstehen. Es beträgt 60 Prozent des Nettogehaltes, bei Angestellten mit Kindern sind es 67 Prozent. Wichtig für das Verständnis: Arbeitnehmer bekommen während ihrer Weiterbildung das Qualifizierungsgeld von der Arbeitsagentur statt des normalen Gehaltes. „Arbeitgeber können den Betrag natürlich aufstocken, wenn sie mögen“, wird Irmgard Pirkl von der Bundesagentur für Arbeit im ZDF zitiert. „Das Unternehmen zahlt die Fortbildung und investiert damit in die Arbeitskräfte.“ Aber: Mitarbeiter müssen einer Weiterbildung immer erst zustimmen!
Betriebsvereinbarung als Voraussetzung – Betriebsräte gefragt
Die Förderung kann vom Arbeitgeber ganz bequem online beantragt werden, jedoch gilt es, einige Voraussetzungen zu erfüllen. So muss der Strukturwandel einen Großteil der Belegschaft betreffen: bei Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten 20 Prozent, bei kleineren Unternehmen 10 Prozent. Und – an dieser Stelle kommen Betriebsräte spätestens ins Spiel –, genau das muss im Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden (bei weniger als zehn Beschäftigten reicht eine schriftliche Erklärung). Da berufliche Weiterbildung ohnehin auch Sache des Betriebsrats ist, höchste Zeit also, Transparenz zu schaffen und auf den Arbeitgeber zuzugehen, um ihn – falls nötig – zu überzeugen: Weiterbildung ist wichtiger denn je (hier finden Sie einige passende Argumente).
Eine Schulung für eine betriebsspezifische Software kann zum Beispiel nicht gefördert werden.
Auf der Webseite der Arbeitsagentur
Eine weitere Grundvoraussetzung für den Erhalt von Qualifizierungsgeld ist laut Webseite der Arbeitsagentur: „Die berufliche Weiterbildung umfasst mehr als 120 Stunden. Diese müssen nicht am Stück absolviert werden. Die Qualifizierung kann in Vollzeit, Teilzeit oder berufsbegleitend stattfinden.“ Der Bildungsträger muss von der „Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung“ (AZAV) zugelassen sein und es müssen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die über eine ausschließlich arbeitsplatzbezogene, kurzfristige Anpassungsfortbildung hinausgehen. Explizit heißt es: „Eine Schulung für eine betriebsspezifische Software kann zum Beispiel nicht gefördert werden.“
Kritik vom Arbeitgeberverband
Bezüglich des Qualifizierungsgeldes gibt es allerdings auch kritische Töne, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mahnt laut Haufe online: „Es verkompliziert ein ohnehin bereits komplexes System weiter und schließt Unternehmen aus, die über keine einschlägige Betriebsvereinbarung oder einschlägigen Tarifvertrag verfügen.“ Der Vorwurf: Damit wäre hauptsächlich großen Unternehmen geholfen.
Generell sind die Reaktionen aber durchaus positiv, wie beispielsweise die der Industrie- und Handelskammer (IHK) zeigt. Eine IHK-Sprecherin (Bodensee-Oberschwaben) in der Schwäbischen Zeitung: „Das Qualifizierungsgeld stellt aus Sicht der IHK eine positive ergänzende Maßnahme zu den bereits bestehenden Fördermöglichkeiten, beispielsweise aus dem Qualifizierungschancengesetz, dar.“ (tis)