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News Betriebsrat Interessenvertretung in Frankreich

Interessenvertretung in Frankreich

Croissant trifft Kaffeeküche: Was französische Betriebsräte anders machen

Wer denkt, Betriebsräte seien eine typisch deutsche Erfindung, sollte mal einen Blick über den Rhein werfen. In Frankreich heißt die Arbeitnehmervertretung  CSE (Comité Social et Économique).  Ihre Gründung ist Pflicht ab 11 Beschäftigten. Aber: Mitreden heißt in Frankreich nicht gleich mitentscheiden! 

Stand:  6.6.2025
Lesezeit:  02:15 min
Französischer Betriebsrat | © AdobeStock | Savvapanf Photo ©

Drei in einem: Frankreichs All-in-one-Betriebsrat

Während sich bei deutschen Interessenvertretungen in der Regel verschiedene Gremien und Ausschüsse  spezialisieren, hat Frankreich das Ganze pragmatisch gebündelt: Der Comité Social et Économique ( kurz CSE) übernimmt alle Aufgaben – von Mitbestimmung über Gesundheitsschutz bis zur sozialen Planung.

Entstanden ist das „Super-Gremium“ im Zuge einer Arbeitsrechtsreform unter Präsident Macron. Seit 2020 ersetzt der CSE gleich drei Vorgänger: den früheren Betriebsrat (comité d’entreprise), die Arbeitnehmerdelegierten (délégués du personnel) und den Arbeitssicherheitsausschuss (CHSCT). Ziel: weniger Bürokratie, schnellere Entscheidungen, mehr Effizienz.
Wichtig für Arbeitgeber: Bereits ab elf Beschäftigten ist ein CSE Pflicht. Wer in Frankreich tätig ist, muss also auch französisch mitbestimmen  – ganz konsequent.

Der französische Betriebsrat – pardon,  CSE – ist so etwas wie das Schweizer Taschenmesser der Mitarbeitervertretung: Alles drin, alles dran.

Zwischen Wirtschaft und Sozialem

Der französische Betriebsrat – pardon,  CSE – ist so etwas wie das Schweizer Taschenmesser der Mitarbeitervertretung: Alles drin, alles dran. Arbeitsschutz, Sozialplanung, wirtschaftliche Themen. Ab 50 Beschäftigten bekommt der CSE richtig Gewicht: mit eigenem Budget, Einsichtsrechten in die unternehmensweite Datenbank (BDSE) und einem festen Platz am Tisch bei größeren Umstrukturierungen.

Aber: Mitreden heißt in Frankreich nicht gleich mitentscheiden. Anders als der deutsche Betriebsrat hat der CSE meist nur ein Anhörungsrecht. Er wird informiert, darf seine Meinung sagen – doch am Ende entscheidet der Arbeitgeber allein. Initiativrecht? Non, merci. 

Der CSE ist somit Ansprechpartner für nahezu alle Belange: von der ergonomischen Büroausstattung bis zur Standortschließung.

Alles unter einem Dach

Der CSE ist somit Ansprechpartner für nahezu alle Belange: von der ergonomischen Büroausstattung bis zur Standortschließung. Er führt Gespräche mit der Geschäftsleitung, überwacht die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften und kann bei Bedarf sogar externe Sachverständige hinzuziehen – etwa bei geplanten Betriebsänderungen oder psychischen Belastungen am Arbeitsplatz.

Für die Arbeitnehmer ist das praktisch: eine zentrale Stelle für alle Themen. Für Unternehmen heißt das: weniger Ansprechpartner, dafür aber geballte Verantwortung auf der anderen Seite des Tisches. Und für die CSE-Mitglieder? Jede Menge Themen auf der Agenda.

Auch die Mitglieder des CSE genießen weitreichenden Schutz.

Rechte, Pflichten – und ein Papagei

Zwar hat der französische Betriebsrat im Vergleich zu seinem deutschen Pendant formal etwas weniger Mitbestimmungsrechte. Wer ihn jedoch ignoriert, geht ein echtes Risiko ein. Denn in Frankreich gilt die Missachtung von Betriebsratsvorgaben als Straftat – délit d’entrave nennt sich das im Original. Klingt elegant, kann aber für Arbeitgeber sehr teuer werden.
Auch die Mitglieder des CSE genießen weitreichenden Schutz. Je nach Unternehmensgröße steht ihnen ein monatliches Kontingent an bezahlten Freistellungsstunden – heures de délégation – zur Verfügung, das sie für ihre Betriebsratstätigkeit nutzen dürfen. Diese Zeit ist dafür da, die Interessen der Belegschaft zu vertreten. Und nur dafür.

Dass das nicht immer klappt, zeigt der berühmte Fall eines fliegenden Papageis:
Ein CSE-Mitglied hatte sich mitten am Arbeitstag mit der Begründung verabschiedet, er müsse dringend seinen Papagei einfangen, der aus dem Käfig entwischt sei. Die anschließende Abwesenheit von 5,5 Stunden deklarierte er vollständig als Betriebsratszeit. Das sah der französische Kassationshof allerdings anders. Die Richter urteilten: Der Schutzstatus eines gewählten Arbeitnehmers schützt nicht vor Konsequenzen, wenn die Freistellung offensichtlich zweckentfremdet wird. Papageienrettung – ja, gerne! Aber bitte nicht auf Betriebsratsstunden.

Der CSE wird wie in Deutschland alle vier Jahre gewählt.

Gewählt wird in zwei Wahlgängen – mit großer Wirkung

Der CSE wird wie in Deutschland alle vier Jahre gewählt. Die Wahl läuft zweistufig ab: Zunächst treten die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften mit ihren Kandidaten an. Nur wenn in diesem ersten Durchgang nicht alle Sitze besetzt werden, dürfen auch nicht-gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer kandidieren. So soll sichergestellt werden, dass die Gewerkschaften eine starke Stimme im Unternehmen behalten.

Die Zahl der gewählten Mitglieder hängt – wie in Deutschland – von der Unternehmensgröße ab. Und auch das Verfahren ist strikt geregelt: von der Einladung zur Wahl bis zur Stimmauszählung. Für Arbeitgeber bedeutet das: Wer hier formale Fehler macht, riskiert eine Wahlanfechtung  – und im schlimmsten Fall die Wiederholung des gesamten Prozesses. Kommt Ihnen das bekannt vor? Allerdings mit deutlichem Unterschied. Für mögliche Wahlfehler ist das Unternehmen verantwortlich, da der Arbeitgeber die Wahl durchführt und nicht wie bei uns die Arbeitnehmer bzw. die Wahlvorstände .

Wer in den französischen Betriebsrat gewählt wird, bekommt nicht nur Verantwortung, sondern auch handfeste Rechte.

Geschützt, geschult, gefordert: Was CSE-Mitglieder dürfen – und müssen

Wer in den französischen Betriebsrat gewählt wird, bekommt nicht nur Verantwortung, sondern auch handfeste Rechte. Allen voran: einen erweiterten Kündigungsschutz. Während ihrer Amtszeit – und darüber hinaus für sechs Monate – dürfen CSE-Mitglieder nur mit behördlicher Genehmigung entlassen werden. Das schützt vor willkürlichen Maßnahmen und schafft die nötige Unabhängigkeit für eine kritische Interessenvertretung.
 Sind spezielle Kompetenzen zum Mitreden nötig, dann können sich auch die CSE Mitglieder weiterbilden lassen. Die Teilnahme findet in der Regel während der Arbeitszeit statt – inklusive Lohnfortzahlung.

Deutschland oder Frankreich – wer hat den besseren Betriebsrat?

Beide Länder haben ihre eigenen Modelle der Arbeitnehmervertretung – und beide haben gute Gründe dafür. Deutsche Betriebsräte haben durch das Betriebsverfassungsgesetz sicherlich mehr Durchsetzungskraft und Mitbestimmungsmöglichkeiten als die französischen Kollegen. Gut für Frankreich: Die Pflicht zur Wahl eines Betriebsrats. Und zwar für jedes Unternehmen ab 11 Beschäftigten. Eine sehr konsequente Haltung – sozusagen Mitsprache per Gesetz! (sw)

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