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Wenn Arbeitgeber Mitbestimmung verhindern

Studie des WSI zeigt: Behinderungen von Betriebsratswahlen ist keine Seltenheit

Kandidaten werden eingeschüchtert, ihnen wird sogar gekündigt oder die Bestellung des Wahlvorstandes wird verhindert. Behinderungen von Betriebsratswahlen sind in Deutschland leider keine Seltenheit, besonders, wenn es um die erstmalige Wahl einer Mitarbeitervertretung im Unternehmen geht. Das hat eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans Böckler Stiftung ergeben. Und auch wir haben bereits den einen oder anderen Fall hautnah begleitet.  

Stand:  8.10.2024
Lesezeit:  03:15 min
Behinderungen von Betriebsratswahlen ist keine Seltenheit  | © AdobeStock | Thomas Reimer

Eigentlich kaum zu glauben: Da hat das WSI in umfangreichen Studien längst klargestellt, dass mitbestimmte Betriebe bessere Arbeitsbedingungen bieten, im Mittel produktiver und oft innovativer sind als Firmen ohne betriebliche Mitbestimmung. Und trotzdem kommt es in Deutschland immer wieder zur Behinderung von Betriebsratswahlen, worauf eine neue Befragung des WSI jetzt Hinweise liefert. Allen voran dann, wenn es sich um Betriebsratsneugründungen handelt.

Ich bin überzeugt davon, dass nicht nur die Belegschaft, sondern auch die Betriebe von einem Betriebsrat profitieren.

Susanne Helmer, ifb-Bildungsreferentin und Wahlexpertin

„Ich bin überzeugt davon, dass nicht nur die Belegschaft, sondern auch die Betriebe von einem Betriebsrat profitieren“, sagt etwa ifb-Bildungsreferentin und Wahlexpertin Susanne Helmer. „Ich würde mir wünschen, dass der eine oder andere Arbeitgeber den Betriebsrat nicht als notwendiges Übel sieht, sondern als Chance begreift.“ Dennoch soll jede fünfte Neugründung laut der WSI-Befragung behindert worden sein. In knapp der Hälfte dieser Fälle, in denen sich der Arbeitgeber der erstmaligen Wahl eines Betriebsrats entgegenstellte, kam es hinterher erst gar nicht zur Wahl

Die Ergebnisse der WSI-Studie: 

In 62 Prozent der Situationen, in denen es generell zu einer Behinderung der Wahl kam, wurden mögliche Kandidaten vom Arbeitgeber eingeschüchtert. Es folgt mit 58 Prozent der Versuch, die Bestellung des Wahlvorstands zu verhindern. Bei 45 Prozent wurden unternehmensnahe Kandidaten unterstützt und 21 Prozent der Kandidaten wurde gar mit Kündigung gedroht. Besonders häufig kamen Behinderungen übrigens in Betrieben mit 51 bis 200 Beschäftigte vor (43 Prozent aller Fälle), überproportional hoch war der Anteil in inhabergeführten Unternehmen. 

Einer dieser Fälle, auf den im Grunde alles zutrifft, hat uns im Frühjahr 2023 erreicht: An der Düsseldorfer Flughafen-Filiale des Autovermieters Sixt wollten seit zwei Jahren drei Frauen einen Betriebsrat gründen. Es folgten Kündigungen und Versuche von Unternehmensseite, durch attraktive Abfindungen Aufhebungsverträge zu erreichen. Das Gericht entschied jedenfalls durchgehend zugunsten der Mitarbeiterinnen. Das Ende vom Lied? Obwohl einer Betriebsratswahl nichts mehr im Weg gestanden hätte, haben die Initiatorinnen die Wahl nicht weiter betrieben, sondern  das Unternehmen verlassen und waren selbst für die begleitende Gewerkschaft nicht mehr zu erreichen (hier weiterlesen).

Und das war und ist definitiv kein Einzelfall: Bei Lieferando in Berlin etwa hatte die Unternehmensführung – letztlich erfolglos – versucht, die allererste Betriebsratswahl gerichtlich zu beeinflussen. Führungsnahe Mitarbeiter, einige sogar in leitender Position, sollten in die Wählerlisten aufgenommen werden (hier weiterlesen). Darüber hinaus liest man immer häufiger von „alternativen“ betrieblichen Mitbestimmungsformen. Beispielsweise von einem Belegschaftsausschuss beim Profi-Fußballclub Hertha BSC Berlin oder vom Institutsrat beim Hasso-Plattner-Institut. Auch wenn sich diese nett anhören mögen, echte Alternativen sind das nicht. Viel mehr sind es Mogelpackungen im hübschen Gewand ohne rechtliche Handhabe. 

Eindeutige Gesetzeslage 

Zu Wahlbehinderungen kommt es also immer wieder, obwohl die Gesetzeslage eigentlich eindeutig ist: Wer die Betriebsratswahl beeinflusst, macht sich unter Umständen strafbar (§ 119 Absatz 1 BetrVG). Verstöße können mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden. Die Tat wird allerdings nur auf Antrag verfolgt

Wie die Untersuchungen von PD Dr. Martin Behrens und Dr. Heiner Dribbusch vom WSI zeigen, ist der gesetzliche Schutz von betrieblicher Mitbestimmung der Beschäftigten immer noch zu gering, zudem fehle es an wirksamen Sanktionen. Ein Vorschlag hiergegen wäre die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die auf gesetzwidrige Eingriffe von Unternehmen in Betriebsratswahlen spezialisiert sind. Auch die im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vorgesehene Hochstufung der Behinderung von Betriebsratswahlen vom Antragsdelikt zum Offizialdelikt stehe noch aus. So müssten die Behinderungen „von Amts wegen“ verfolgt und nicht erst angezeigt werden. 

Immer wieder positive Beispiele 

Die Zahlen seien zwar nicht repräsentativ für bundesweite Betriebsratswahlen, wie das WSI mitteilt, sie sollen aber die derzeit beste Annäherung an das Problem liefern. Positiv ist, dass ein etablierter Betriebsrat meist nicht mehr in Frage gestellt wird. Doch bis dahin ist es oft ein langer Weg. 

ifb-Wahlexpertin Susanne Helmer sagt: „Es macht immer Sinn, einen Betriebsrat zu gründen!“ Und hierfür gibt es zahlreiche Beispiel, wie den Freizeitpark auf der Bärenhöhle in Baden-Württemberg. Hier hatte sich die Inhaberin explizit einen Betriebsrat gewünscht und ihn letztlich bekommen. Mittlerweile profitiert das gesamte Unternehmen davon. (tis)

Hier finden Sie eine Pre-Print-Version der WSI-Studie von PD Dr. Martin Behrens und Dr. Heiner Dribbusch:

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