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BR-Neugründung: Initiatorinnen wie vom Erdboden verschluckt

© ver.di
Stand:  13.3.2023
Lesezeit:  04:00 min
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Die unendliche Geschichte rund um die Gründung einer Interessenvertretung bei Sixt

Eigentlich klingt der Fall zu kurios, um wahr zu sein: Seit mehr als zwei Jahren möchten drei Frauen an der Düsseldorfer Flughafen-Filiale des Autovermieters Sixt einen Betriebsrat gründen. Die Folgen waren diverse Kündigungen und Versuche von Unternehmensseite, durch attraktive Abfindungen Aufhebungsverträge zu erreichen. Das Gericht entschied jedenfalls durchgehend zugunsten der Mitarbeiterinnen. Der Weg zum ersten Betriebsrat in der Sixt-Geschichte schien geebnet. Und nun? Sind die Wahl-Initiatorinnen nicht mehr zu erreichen. Auch nicht für Özay Tarim, der den Fall als Verdi-Gewerkschaftssekretär hautnah begleitet

Einer der Frauen wurde gleich dreimal gekündigt

Es ist die Chronologie eines schier unglaublichen Falles: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat im November 2022 mehrere Kündigungen gegen drei Mitarbeiterinnen des Autovermieters Sixt einkassiert. Diese wurden ausgesprochen, nachdem die Frauen an der Sixt-Station am Düsseldorfer Flughafen einen Betriebsrat gründen wollten. Zufall? Das behauptet jedenfalls das Unternehmen. Bereits im Februar 2022 wurden die Kündigungen vom Arbeitsgericht Düsseldorf als unwirksam erachtet – die Mitarbeiterinnen genießen schließlich als Initiatorinnen einer Betriebsratswahl einen Sonderkündigungsschutz. Der Arbeitgeber legte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht ein – natürlich ohne Erfolg.

Der Hauptinitiatorin der Betriebsratswahlen hatte Sixt insgesamt sogar dreimal fristlos gekündigt. Einmal, weil sie wohl mehrmals zu spät zur Arbeit erschienen war. Eine weitere Kündigung trudelte ein, weil sie angeblich trotz Corona-Einschränkungen bewusst einen zu kleinen Raum gemietet hatte, um sich bei der Wahl in den Wahlvorstand für die Betriebsratswahl die Mehrheit zu sichern. Und zu guter Letzt habe sie Hausfriedensbruch begangen, als sie Einladungen zur Wahlversammlung in der Filiale aushängte. Aus unterschiedlichen Gründen wurde jeder ihrer Kündigungsschutzklagen stattgegeben. Allen voran aber, weil die Klägerin laut Gericht „als Wahlbewerberin ohnehin den Schutz genießt“.

An der Filiale am Düsseldorfer Flughafen sollte der Sixt-Betriebsrat gegründet werden.

Betriebsratswahl steht nichts mehr im Weg – eigentlich

 

Eigentlich sollte es bei Sixt längst einen Betriebsrat geben. Gegründet im Jahr 1912 erwirtschafteten die rund 6.400 Beschäftigten 2021 einen Jahresumsatz von 2,3 Milliarden Euro. Seit Mitte 2021 führen Alexander und Konstantin Sixt die Geschäfte beim Pullacher Autovermietungskonzern und betonen seither immer wieder, nichts gegen einen Betriebsrat zu haben. Einige Beispiele – wie das der Düsseldorfer Mitarbeiterinnen – lassen jedoch genau das Gegenteil vermuten.

 

Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts schien der erste Sixt-Betriebsrat jetzt ganz nah. Doch nur wenige Wochen später sieht es komplett anders aus, ein Betriebsrat ist wieder in weite Ferne gerückt. Warum? Die drei Frauen sind nicht mehr zu erreichen! Noch schlimmer: Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim erhielt ein anwaltliches Schreiben, in dem steht, er solle „von allen Versuchen der Kontaktaufnahme absehen“. Die Mitarbeiterinnen hätten den Arbeitgeber um die einvernehmliche Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse gebeten – proaktiv und aus freien Stücken. „Unglaubwürdig“, findet Özay Tarim.

Ein Gespräch mit Verdi-Gewerkschaftssekretär Ozay Tarim

Özay, warum haltet Ihr es für unglaubwürdig, dass die Initiatorinnen der Betriebsratswahl Sixt aus freien Stücken verlassen haben?

Özay Tarim: Wir haben 14 Monate einen Kampf geführt und in der Zeit haben die drei Kolleginnen jegliches Angebot, das es außergerichtlich gab, abgelehnt. Selbst der Richter am Landesarbeitsgericht hatte den Hinweis gegeben, dass in diesem Fall große Summen fließen müssten. Die Frauen sind durch die Hölle gegangen, haben alle Verfahren gewonnen und standen vor dem letzten Schritt – haben sogar noch die Versammlung zur Wahl der Wahlvorstände einberufen. Und plötzlich sind sie nicht mehr zu erreichen? Das passt nicht ins Bild. Es sind schon sehr viele Zufälle, auch wenn ich es nicht beweisen kann.

Was glaubst Du, ist passiert?

Özay Tarim: Die Unternehmensseite hat sich die Zähne an den Dreien ausgebissen, das wurde ihr bewusst. Dann haben sie sich einvernehmlich verständigt, getrennte Wege zu gehen. Wir glauben aber nicht, dass das zum Nulltarif geschehen ist. Wir haben ja gehört, welche Summen da vor dem Landesarbeitsgericht genannt wurden. Die drei stehen nicht mehr mit uns in Kontakt – vermutlich auch Teil der Vereinbarung.

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Ich finde nur das Vorgehen eines Global Players erschreckend, der offensichtlich nichts von Betriebsräten und Mitbestimmung hält.

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Wenn Du an den ganzen Fall denkst: Was macht das mit Dir?

Özay Tarim: Mich haben viele Kollegen gefragt, ob ich es als Niederlage beschreiben würde. Aber wir können ja nur begleiten und unterstützen. Wenn sich Menschen dann entscheiden, das Unternehmen zu verlassen, dann müssen wir das akzeptieren. Ich finde nur das Vorgehen eines Global Players erschreckend, der offensichtlich nichts von Betriebsräten und Mitbestimmung hält. Und noch erschreckender ist es, dass die Politik nichts dagegen unternimmt.

Wie genau könnte die Politik eingreifen?

Özay Tarim: Arbeitsminister Hubertus Heil hatte angekündigt, dass jeder Arbeitgeber, der die Betriebsratsarbeit behindert, mit der Staatsanwaltschaft Bekanntschaft macht. Jetzt haben wir einen Arbeitgeber gezeigt, der häufiger so handelt – der Fall am Düsseldorfer Flughafen war ja nicht der erste. Ob durch Kündigungen, Schadensersatz oder Abfindungen schafft es der Arbeitgeber, Betriebsrats-frei zu bleiben. Obwohl das bekannt ist, das Landesarbeitsgericht von Behinderung der Betriebsratswahl spricht, dürfen diese Arbeitgeber in unserem Land einfach weitermachen.

Siehst Du als Gewerkschaftssekretär mittlerweile vermehrt solche Fälle von Union Busting?

Özay Tarim: Ja, auf jeden Fall, zumindest in dem Bereich, in dem ich tätig bin. Ein Beispiel: Das Bundesinnenministerium hat am Düsseldorfer Flughafen offene Bereiche wie die Fluggastkontrolle an ein privates Sicherheitsunternehmen vergeben. Und da erscheint dieser Auftragnehmer des Staates seit zwei Jahren nicht zur Betriebsversammlung, weil er wörtlich „nicht an Propaganda-Veranstaltungen teilnehmen möchte“. Die haben sogar Führungskräfte vor die Versammlung gesetzt, um zu notieren, wer reingeht. Und obwohl wir in allen Instanzen Recht bekommen haben, ist hier von Seiten des Staates nichts passiert.

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Ich habe auf jeden Fall die Hoffnung und fordere die Beschäftigten auch ganz klar dazu auf.

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Ob es bei Sixt jemals einen Betriebsrat geben wird?

Ist ein Betriebsrat bei Sixt dennoch realistisch?

Özay Tarim: Interessanterweise gibt es aufgrund dieser Auseinandersetzung vermehrt Anfragen von anderen Standorten. Der Wunsch scheint also vorhanden zu sein. Und es soll ja kein Angriff auf den Arbeitgeber sein, sondern es geht lediglich um die Teilhabe an den Betriebsprozessen. Ich habe auf jeden Fall die Hoffnung und fordere die Beschäftigten auch ganz klar dazu auf. Dank des Betriebsverfassungsgesetzes ist ein Betriebsrat schließlich eine Selbstverständlichkeit – und nichts Illegales. (tis)

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