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Fachartikel Schwerbehindertenvertretung Hier ist die Schwerbehindertenvertretung gefordert: Ein anspruchsvolles Tätigkeitsgebiet

Hier ist die Schwerbehindertenvertretung gefordert: Ein anspruchsvolles Tätigkeitsgebiet

Ihre Aufgaben als SBV und wie Sie ihre Rechte durchsetzen

Die Schwerbehindertenvertretung ist im Betrieb bzw. in der Dienststelle das Organ, das die Interessen aller schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Arbeitnehmer vertritt. Hier erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten Aufgaben der SBV sowie die rechtlichen Instrumentarien, die ihr zur Verfügung stehen.

Gisela Scholz | ifb

Stand:  23.2.2024
Lesezeit:  03:15 min
Aufgaben der SBV | © AdobeStock_236451502-Viacheslav Yakobchuk

Überblick über die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung

Die Aufgaben der SBV sind in § 178 SGB IX umrissen: Sie fördert die Eingliederung schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Arbeitnehmer in den Betrieb, vertritt ihre Interessen und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Zu Ihren Kernaufgaben gehören: 

  • die Überwachung der zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen; insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach §§ 154, 155 und §§ 164 bis 167 SGB IX obliegenden Verpflichtungen; 
  • die Beantragung von (insbesondere auch präventiven) Maßnahmen, die den schwerbehinderten Arbeitnehmern dienen; 
  • die Entgegennahme von Anregungen sowie Beschwerden von schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Kollegen; 
  • die Unterstützung der Beschäftigten bei der Antragsstellung auf Feststellung einer (Schwer-)Behinderung bzw. einer Gleichstellung.  
Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung | © ifb GmbH & Co.KG

SBV-Tipp!
Im Zuge der Veranlagung zur Ausgleichsabgabe ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Schwerbehindertenvertretung Abschriften der Verzeichnisse der bei ihm beschäftigten schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Menschen auszuhändigen (gemäß § 163 Abs. 2 SGB IX). Diese Verzeichnisse sind für die Schwerbehindertenvertretung notwendig, um ihre Aufgaben angemessen zu erfüllen. Die Schwerbehindertenvertretung sollte die erhaltenen Abschriften daraufhin überprüfen, ob sie vollständig sind, insbesondere wenn sie ihre Kollegen bei der Beantragung der Anerkennung einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung unterstützt.

Von der Einstellung bis zur Kündigung: Die SBV ist vor jeder Entscheidung zu informieren und anzuhören

Um ihren Aufgaben gerecht zu werden, besitzt die Schwerbehindertenvertretung Informations-, Anhörungs- und Mitwirkungsrechte (§ 178 Abs.2 SGB IX). Der Arbeitgeber muss die SBV in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen schwerbehinderten Menschen oder die schwerbehinderten Arbeitnehmer als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten und vor einer Entscheidung anhören. Er muss ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitteilen. Solche „Angelegenheiten“ sind beispielsweise die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Arbeitsumfeldes sowie die berufliche Weiterbildung schwerbehinderter Arbeitnehmer. Wird die Schwerbehindertenvertretung – entgegen der Anhörungspflicht – bei einer Entscheidung nicht beteiligt, kann sie verlangen, dass die Entscheidung für die Dauer von einer Woche ausgesetzt und die Beteiligung nachgeholt wird. 
Wichtig: Ist die Entscheidung bereits vollzogen oder durchgeführt worden, bleibt die fehlende Anhörung der Schwerbehindertenvertretung allerdings folgenlos. Eine Personalmaßnahme wird durch die fehlende Anhörung nicht unwirksam (Ausnahme: Kündigung, siehe weiter unten). 

SBV-Tipp!
Im Gegensatz zum Betriebsrat hat die SBV keine Mitbestimmungsrechte. Kraft Gesetzes werden ihr nur Mitwirkungsrechte eingeräumt. Deshalb sollte die Vertrauensperson eng mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten. Sie sollte keine Gelegenheit versäumen, ihre Argumente in den Betriebsratssitzungen und den jeweiligen Ausschüssen vorzutragen, um für die Belange der schwerbehinderten Kollegen zu sensibilisieren. 

Unterstützung bei Anträgen auf Schwerbehinderung und Gleichstellung 

In § 178 Abs.1 Satz 3 SGB IX ist es ausdrücklich festgeschrieben: Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt ihre Kollegen bei Anträgen auf Feststellung des Grades einer Behinderung (GdB), einer (Schwer-)Behinderung und einer Gleichstellung. 

Welche Behörde ist zuständig?

Das Versorgungsamt ist in der Regel zuständig für Anträge auf Feststellung des Grades einer Behinderung und einer Schwerbehinderung, § 152 Abs.1 SGB IX. In manchen Bundesländern ist die Zuständigkeit der Behörden abweichend geregelt. So ist z.B. in Bremen das Amt für Versorgung und Integration, in Hessen das Amt für Soziales und Versorgung und in Niedersachsen die Außenstelle des Amtes für Soziales, Jugend und Familien zuständig. Der Antrag auf Gleichstellung wird bei der Agentur für Arbeit gestellt, § 178 Abs.1 Satz 3 SGB IX. 

Wie kann die Schwerbehindertenvertretung sinnvoll unterstützen?

Die SBV gibt Formulierungshilfen. Sie achtet darauf, dass die Anträge für den Sachbearbeiter inhaltlich nachvollziehbar sind. 

Mit praktischen Tipps kann die Vertrauensperson dazu beitragen, die Erfolgsaussichten eines Antrages zu erhöhen:  

  • Dem Antrag sollten möglichst aussagekräftige Arzt- und Befundberichte beigefügt werden. 
  • Auch Fotos von der Arbeitsplatzsituation oder technische Erläuterungen zu Hilfsmitteln können dem Antrag beigelegt werden. 
  • Machen Sie als SBV dem Betroffenen klar, dass der Sachbearbeiter einer Behörde aufgrund der Aktenlage entscheidet! Deshalb sollte der Antrag umfassend, klar strukturiert und – keine Selbstverständlichkeit! – gut lesbar formuliert sein.

SBV-Tipp!
Keinesfalls sollte die Schwerbehindertenvertretung den Antrag selbst ausfüllen oder ihn in eigenem Namen oder als Stellvertreter des Betroffenen unterzeichnen! In einem solchen Fall würde das Risiko der Fristversäumnis oder fehlerhaften Antragstellung auf die SBV übergehen. 

Einflussmöglichkeiten der SBV bei der Einstellung schwerbehinderter Menschen

Wie sichern Sie als Vertrauensperson die Interessen möglicher schwerbehinderter Bewerber, wenn eine neue Stelle besetzt werden soll? An welche gesetzlichen Vorgaben muss sich Ihr Arbeitgeber halten? Was muss er bereits vor der Stellenausschreibung tun und inwieweit muss er die SBV während des Bewerbungsverfahrens beteiligen? All das ist ausführlich in § 164 Abs.1 SGB IX geregelt. Für Ihren schnellen Überblick haben wir alle relevanten Punkte in drei Schaubildern zusammengefasst. Besonderer Nutzen: Sie erkennen auf einen Blick, wann und wie der Arbeitgeber die SBV beteiligen muss. 

Wie in den Schaubildern deutlich wird, kommt der Schwerbehindertenvertretung bei der Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer eine besondere Bedeutung zu: Der Arbeitgeber ist verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können (§ 164 Abs. 1 SGB IX). Er muss Bewerbungen von Schwerbehinderten mit der Vertrauensperson erörtern und dem Betriebsrat deren Stellungnahme unterbreiten. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um eine interne Bewerbung, eine Initiativbewerbung oder um eine Bewerbung aufgrund einer Stellenausschreibung handelt. Eine Vorauswahl des Arbeitgebers unter den Bewerbern ist unzulässig. Die Schwerbehindertenvertretung muss bei allen Vorstellungsgesprächen beteiligt werden. 

Rechte der Schwerbehindertenvertretung bei geplanten Kündigungen behinderter Arbeitnehmer

Was tun, wenn die Kündigung behinderter Arbeitnehmer im Raum steht? Gerade bei diesem unerfreulichen Kapitel im Arbeitsleben zeigt sich, wie wichtig das Amt der Schwerbehindertenvertretung im Betrieb ist. 

Im Rahmen des besonderen Kündigungsschutzverfahrens für schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte behinderte Menschen muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen, § 168 SGB IX. Damit das Integrationsamt eine fundierte Aussage zum Sachverhalt treffen kann, holt es Stellungnahmen des Betriebs- bzw. Personalrats sowie der SBV ein, § 170 Abs. 2 SGB IX. 

Wichtig: Die Zustimmung des Integrationsamtes ist nicht erforderlich in den Fällen des § 173 SGB IX. Hauptanwendungsfälle sind hierbei Kündigungen von Arbeitsverhältnissen, die noch nicht länger als sechs Monate zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bestehen und Kündigungen von Arbeitnehmern, bei denen zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter bzw. gleichgestellter Beschäftigter nicht nachgewiesen ist. 

Auch die SBV ist bei der beabsichtigten Kündigung zu beteiligen: Der Arbeitgeber muss die Vertrauensperson über die geplante Kündigung informieren und sie vor seiner Entscheidung anhören. Die arbeitgeberseitige Kündigung eines (schwer-)behinderten bzw. gleichgestellten Kollegen ohne die Unterrichtung und Anhörung der SBV ist unwirksam, § 178 Abs. 2 SGB IX.  

Wichtig: Selbst wenn die Schwerbehindertenvertretung nicht in den Kündigungsprozess involviert ist, muss der betroffene Arbeitnehmer die Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der schriftlichen Kündigung vor dem Arbeitsgericht anfechten. Andernfalls wird die Kündigung automatisch wirksam, und das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Kündigungsfrist.

Die Schwerbehindertenvertretung als wertvolle Stütze im Betrieblichen Eingliederungsmanagement

Die Vertrauensperson spielt auch eine entscheidende Rolle im Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Bei langzeiterkrankten Mitarbeitern sucht der Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und bei schwerbehinderten oder gleichgestellten Mitarbeitern auch mit der Schwerbehindertenvertretung (SBV), sowie dem betroffenen Arbeitnehmer, sofern dieser zustimmt, nach Lösungen, um die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und den Arbeitsplatz zu erhalten.

Welche Möglichkeiten stehen der Schwerbehindertenvertretung zur Durchsetzung ihrer Rechte zur Verfügung?

Wie weiter oben bereits ausgeführt, besitzt die SBV keine „harten“ Mitbestimmungsrechte; gesetzlich werden ihr nur Mitwirkungsrechte nach § 178 Abs. 2 SGB IX eingeräumt. Umso wichtiger ist es, dass die Vertrauensperson alle Möglichkeiten ausschöpft, um ihren Einfluss geltend zu machen und in sämtlichen Gremien ihre Argumente aus SBV-Sicht darzulegen. 

SBV-Tipp!
Eine kooperative und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat erweitert den Handlungsspielraum der Vertrauensperson erheblich. Wenn der Betriebsrat die Argumente der Schwerbehindertenvertretung in Belangen schwerbehinderter und gleichgestellter Mitarbeiter unterstützt, kann er möglicherweise durch seine Mitbestimmungsrechte zusätzliche Maßnahmen zugunsten der betroffenen Kollegen erreichen.

Teilnahmerecht der Schwerbehindertenvertretung an Sitzungen

Die SBV hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebsrats und dessen Ausschüssen (z.B. Ausschuss für Arbeitssicherheit) beratend teilzunehmen, unabhängig davon, ob die zu besprechenden Themen die Belange der behinderten Kollegen betreffen oder nicht. Dementsprechend muss der Betriebsrat die Vertrauensperson zu allen Terminen unter Beifügung der Tagesordnung einladen. Die Schwerbehindertenvertretung kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne Schwerbehinderte oder schwerbehinderte Arbeitnehmer als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen (§ 178 Abs. 4 SGB IX). Umgekehrt kann sie auch beantragen, einen Beschluss des Betriebsrats auszusetzen, wenn sie glaubt, dass damit eine Beeinträchtigung wichtiger Interessen von behinderten Kollegen verbunden ist, oder wenn sie nicht an der Sitzung beteiligt worden ist. Der beanstandete Beschluss muss dann für die Dauer einer Woche ausgesetzt werden. Danach muss der Betriebsrat erneut entscheiden. 

Auch bei den Monatsgesprächen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat muss die SBV hinzugezogen werden. 

Die Schwerbehindertenversammlung

Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, einmal im Kalenderjahr und bei Bedarf auch öfter eine Versammlung schwerbehinderter Menschen im Betrieb abzuhalten (gemäß §178 Abs. 6 SGB IX). Bei dieser Gelegenheit informiert sie umfassend über ihre Tätigkeiten. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Versammlung strategisch genutzt werden kann, insbesondere durch die Präsentation des Tätigkeitsberichts. Dadurch kann das Meinungsbild des Arbeitgebers möglicherweise durch Solidaritätsbekundungen aus dem Kollegenkreis beeinflusst werden. Achtung: Denken Sie bei der Versammlung an Ihre Geheimhaltungspflichten!

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