Die Zahlen sind erschreckend: Nach einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat nahezu jede und jeder Dritte in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt. Insgesamt haben sich in den letzten 10 Jahren mehr als 15 000 Menschen an das Beratungsteam der Antidiskriminierungsstelle gewandt.
Hohe Ziele, harte Realität?
In Kraft getreten war das das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz am 18. August 2006. Es hat zum Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Ein Schwerpunkt ist das Recht auf Gleichbehandlung im Arbeitsleben.
Wenn Menschen dieses Recht durchsetzen wollen, sind die Hürden aber oft zu hoch, meint die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Sie hat aus diesem Grund eine Reihe von Reformvorschlägen vorgelegt:
- Die Frist zur Geltendmachung von Entschädigung und Schadensersatz müsse von zwei auf sechs Monate verlängern werden. Die Beratungspraxis zeige, dass viele Betroffene zögern, eine Diskriminierung öffentlich zu machen; oder aber nicht ausreichend über ihre Rechte informiert seien.
- Es solle eine Verbandsklagemöglichkeit geschaffen werden. Betroffene schreckten oft vor den Belastungen zurück, als alleinige Kläger Diskriminierungen vor Gericht zu schildern. Daher sollten Verbände Prozesse für Betroffene führen können.
- Es müsse ein erweiterter Schutz vor sexueller Belästigung geschaffen werden. Sexuelle Belästigung ist nach dem AGG nur am Arbeitsplatz verboten, nicht aber, wenn sie zum Beispiel von einem Kunden in einem Geschäft widerfährt.
- Die Anwendung des AGG soll auf den Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen ausgeweitet werden. Derzeit gelten die Regelungen nur für echte Leiharbeit.
- Ansprüche sollten nicht nur gegen den potentiellen Arbeitgeber, sondern auch gegen Personalvermittler geltend gemacht werden können. Die Beauftragung eines Dritten dürfe nicht dazu führen, dass die Haftung umgangen wird.
- Im AGG müsse klargestellt werden, dass es eine verbotene Diskriminierung darstellt, wenn für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zur Barrierefreiheit unterbleiben.
Wieviel davon tatsächlich umgesetzt wird? Warten wir es ab!
AGG 2.0
Schon bevor das AGG verabschiedet wurde, war es heiß umstritten. Die erwartete „Klageflut" ist aber ausgeblieben. Trotzdem sind nach 10 Jahren die Schwachstellen des Gesetzes sichtbar geworden. Ein guter Zeitpunkt, um mit dem AGG 2.0 zu starten. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber das auch so sieht ...