Lexikon
Fragerecht des Arbeitgebers

Fragerecht des Arbeitgebers

ifb-Logo
Redaktion
Stand:  4.10.2025
Lesezeit:  03:00 min

Kurz erklärt

Das Fragerecht des Arbeitgebers betrifft dessen Recht, einem Bewerber im Bewerbungsverfahren oder einem Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses zu beantwortende Fragen zu stellen. Diese Fragen müssen jedoch auf Informationen beschränkt sein, die für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten bedeutsam sind. Der Arbeitgeber darf keine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende Fragen stellen. Tut er dies dennoch, hat die befragte Person das Recht zur Lüge. 

Kostenlose ifb-Newsletter

Abonnieren Sie unsere Newsletter

Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unseren Newslettern für Betriebsräte, SBV und JAV.
Jetzt abonnieren

Begriff

Form der Informationsbeschaffung des Arbeitgebers für die Entscheidung über eine Bewerbung oder eine personelle Veränderung im bestehenden Arbeitsverhältnis.

Erläuterung

Allgemeines zum Fragerecht bei Einstellungsgesprächen

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber frei in der Entscheidung über den Abschluss eines Arbeitsvertrages oder dessen Ablehnung. Dessen Interesse an der Beschäftigung ausschließlich seinen Vorstellungen entsprechender Mitarbeiter beschränkt jedoch deren Recht auf freie Berufswahl. Dieses Dilemma wird nicht durch eine punktuelle Einstellungspflicht gelöst. Eine Lösung wird vielmehr durch eine Beschränkung der Informationserhebung erzielt. Diese betrifft das Fragerecht des Arbeitgebers.

Grenzen der Informationsbeschaffung

Ein Fragerecht bei Einstellungsgesprächen wird dem Arbeitgeber nur insoweit zugestanden, als er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage hat. 
Insbesondere vor Abschluss eines Arbeitsvertrags hat der Arbeitgeber eine berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung von Fragen, die für den angestrebten Arbeitsplatz und die vorgesehene Tätigkeit von Bedeutung sind (ErfK/Preis, 25.Aufl. 2025, BGB § 611a Rn. 294). 

Dies ist der Fall, wenn die erstrebte Information Voraussetzung für eine richtige Entscheidung ist. Bei Einstellungen geht es um die Besetzung eines Arbeitsplatzes mit einem geeigneten Bewerber. Entsprechend zielbezogen müssen die Fragen sein. Je höher der Arbeitsplatzbezug einer Frage ist, je geringer wiegt das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers als Grenze für dessen Pflicht zu deren wahrheitsgemäßer Beantwortung. Gibt es z.B. für die in Rede stehende Stelle ein Anforderungs- und Tätigkeitsprofil und weisen die Fragen zu diesem einen Bezug auf, sind sie vom Kandidaten wahrheitsgemäß zu beantworten. 
Insgesamt sind alle Fragen mit Bezug zu der Eignung für die vorgesehene Tätigkeit wie z.B. nach dem Ausbildungsabschluss, Berufserfahrung und früheren Tätigkeiten des Bewerbers zulässig (grundlegend BAG v. 7.6.1984 - 2 AZR 270/83 in NJW 1985,645) 

Fragen, die vor der Einstellung unzulässig sind, können nach der Einstellung zulässig sein. Das gilt z.B. für die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderteneigenschaft, die für die vorgesehene Tätigkeit bedeutungslos ist. Nach Ablauf einer sechs Monate dauernden Beschäftigungszeit ist die Frage zulässig. Sie hat dann wegen des nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX einsetzenden Kündigungsschutzes nach § 168 SGB IX Bedeutung für das Arbeitsverhältnis (Münchner Handbuch Arbeitsrecht, Band 1 , 6. Aufl. 2024, § 33 Rn. 57). 

Die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ist vor der Einstellung unzulässig (BAG v. 28.3.2000 - 1 ABR 16/99 in NZA 2000,1294). Nach Abschluss des Arbeitsvertrages ist diese hingegen wegen einer möglichen Anwendbarkeit der von dieser abgeschlossenen Tarifverträge zulässig (Münchner Handbuch Arbeitsrecht, Band 1 , 6. Aufl. 2024, § 33 Rn. 99). 

Regel für die Prüfung der Zulässigkeit/Unzulässigkeit von Fragen

Insgesamt lässt sich die Regel aufstellen, dass Fragen nach der fachlichen Qualifikation, z. B. den Tätigkeitsjahren im erlernten Beruf, die geringsten Probleme aufwerfen. Demgegenüber stehen die Fragen nach der körperlichen und gesundheitlichen Verfassung, z.B. waren Sie in den letzten Jahren regelmäßig pro Jahr 6 Wochen und mehr arbeitsunfähig, unter der stärksten Einschränkung. Zwischen diesen beiden Polen gibt es Fälle, in denen Fragen zulässig oder unzulässig sind. Die Unterscheidung ist deswegen von Bedeutung, weil die befragte Person auf zulässige Fragen zur Vermeidung der Anfechtung eines Vertragsabschlusses wahrheitsgemäß antworten muss. Auf unzulässige Fragen kann sie von "dem Recht zur Lüge" Gebrauch machen. 

Beispielsfälle

Nach dieser Regel sind z.B. zulässig Fragen nach

  • einer Vorbeschäftigung als Ausschlussgrund für eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG 
  • dem Vorliegen einer Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis
  • dem bisherigen Gehalt, wenn dieses Aufschluss über die Qualifikation gibt  
  • der Bereitschaft Schichtdienst zu leisten
  • im Rahmen einer Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG bedeutsamen sozialen Gesichtspunkten

Unzulässig sind Fragen nach

  • allen in § 1 AGG aufgeführten Merkmalen
  • familiären Verhältnissen, z.B. Betreuungspflichten gegenüber Kindern
  • Krankheiten ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis
  • Schwangerschaft oder Kinderwunsch
  • Vermögensverhältnissen
  • Lohnpfändungen, da diese sich in der Regel nicht im Arbeitsverhältnis auswirken
  • Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit
  • Gründe für die Kündigung eines vorangehenden Arbeitsverhältnisses (Münchner Handbuch Arbeitsrecht, Band 1 , 6. Aufl. 2024, § 33 Rn. 96). 
  • Betätigung als Betriebsratsmitglied in einem vorangehenden Arbeitsverhältnis

(Einzelheiten siehe z.B. Fitting , BetrVG, 32. Aufl. 2024, § 94 Rn. 14 ff; ErfK., 25. Aufl. 2025 BGB § 611a Rn. 294 ff).

Arglistige Täuschung

Wird einem Bewerber oder Arbeitnehmer eine zulässige Frage gestellt, so ist er zu deren wahrheitsgemäßer Beantwortung verpflichtet. Die falsche Beantwortung dieser Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war (§ 123 Abs. 1 BGB). Eine Täuschung kann durch positives Tun, also insbesondere durch Behaupten, Unterdrücken oder Entstellen von Tatsachen erfolgen. Sie kann aber auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zur Offenbarung der fraglichen Tatsache verpflichtet ist. Dies gilt auch im Zusammenhang mit der Anbahnung von Arbeitsverhältnissen. Der Tatbestand der arglistigen Täuschung erfordert in objektiver Hinsicht, dass der Arbeitnehmer/Bewerber durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Arbeitgeber einen Irrtum erzeugt, der in seine Entscheidung einfließt. Die Täuschung muss sich auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen. Subjektive Werturteile genügen nicht (BAG v. 21.2.1991 - 2 AZR 449/90). Arglistig ist die Täuschung, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalb oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim (künftigen) Arbeitgeber entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Arbeitgeber (BAG v.20.3.2014 - 2 AZR 1071/12). Wird ein Arbeitsvertrag erfolgreich angefochten, so ist er vom Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB). Die Anfechtung einer anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt (§ 124 BGB).

Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers

Nur ausnahmsweise müssen Arbeitnehmer und Bewerber den Arbeitgeber von sich aus auf bestimmte, die eigene Person betreffende Tatsachen hinweisen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist ein Bewerber offenbarungspflichtig, wenn er erkennt, dass bestimmte persönliche Umstände die Erfüllung der vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht unmöglich machen oder sonst von ausschlaggebender Bedeutung für die Tätigkeit an dem in Betracht kommenden Arbeitsplatz sind (z. B. wegen unzureichender Qualifikation oder körperlicher Einschränkungen, BAG v. 21.2.1991 - 2 AZR 449/90). Ein Dachdecker müsste z.B. angeben, dass er inzwischen schwindelt und deshalb seinen Beruf auf dem Dach nicht mehr ausüben kann. Ein Bewerber muss z.B. auf eine unmittelbar bevorstehende Operation oder Kur hinweisen (ErfK/Preis, 25. Aufl. 2025, BGB  § 611a Rn.319). Es besteht keine Offenbarungspflicht, wenn die Frage des Arbeitgebers unzulässig ist (z. B. die Frage nach einer Schwangerschaft). Kommt der Bewerber seiner Offenbarungspflicht nicht nach, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).

Bezug zur Betriebsratsarbeit

Der Inhalt von Personalfragebogen unterliegt nach § 94 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Dasselbe gilt für die Durchführung standardisierter Tests zur Feststellung des Potentials von Arbeitnehmern für bestimmte Aufgaben (Fitting, BetrVG, 32. Aufl. 2024 § 94 Rn. 27).

Rechtsquellen

§§ 123, 124, 142 BGB, §§ 32 Abs. 3, 53 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz (BZRG)

Diese Lexikonbegriffe könnten Sie auch interessieren