Amazon Hoppegarten wählt erstmals einen Betriebsrat

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Stand:  11.11.2025
Lesezeit:  02:45 min
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Ein starkes Signal in einem Umfeld, in der Mitbestimmung nicht immer selbstverständlich ist

Im Amazon-Logistikzentrum Hoppegarten hat sich etwas bewegt: Erstmals haben die Beschäftigten dort einen Betriebsrat gewählt. Ein starkes Signal, das über den Standort hinaus reicht: Hin zu mehr Mitsprache in einem Unternehmen, das seit langem um echte Mitbestimmung ringt. Und auch notwendig, schließlich will der Konzern wohl 14.000 Stellen in der Verwaltung streichen. Zudem kamen US-Berichte auf, wonach Amazon zukünftig 600.000 Mitarbeiter durch Roboter ersetzen möchte.

Hoppegarten, ein Gewerbegebiet östlich von Berlin, ist seit wenigen Jahren einer der zentralen Umschlagplätze für Amazons wachsende Logistikstrukturen in der Hauptstadtregion. Tausende Pakete verlassen täglich das Areal, Hunderte Menschen sorgen dafür, dass die Prozesse reibungslos laufen. Nun wurde dort erstmals ein Betriebsrat gewählt. Die Wahlbeteiligung lag laut Gewerkschaft ver.di bei über 300 Personen, die Mehrheit der Stimmen entfiel auf die gewerkschaftsnahe Liste „Respect 4 all“.

Zitat

Die Betriebsrätebewegung in den Berliner Amazon-Verteilzentren ist ein Stück Demokratiegeschichte.

Boris Bojilov, ver.di-Gewerkschaftssekretär, in einer Pressemitteilung

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„Die Betriebsrätebewegung in den Berliner Amazon-Verteilzentren ist ein Stück Demokratiegeschichte. Beschäftigte, oftmals ohne Wahlrecht zu den Parlamenten, wählen sich in den Betrieben ihre Vertretung …“, sagt der zuständige Gewerkschaftssekretär in Berlin-Brandenburg, Boris Bojilov, in einer Pressmitteilung. Er spielt damit darauf an, dass neben dem eng durchgetakteten Schichtbetrieb besonders die Sprachbarrieren bei 80 bis 90 Prozent der Beschäftigten, die erst in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind, Herausforderungen für die Betriebsratsarbeit seien. Ebenso wie „das komplexe, hierarchisch durchorganisierte Firmengeflecht des amerikanischen Großkonzerns“, wie es in der Mitteilung weiter heißt.

Mitbestimmung nicht immer ganz einfach 

Mit der Wahl in Hoppegarten haben nun vier der fünf großen Logistikstandorte Amazons in Berlin und Brandenburg einen Betriebsrat. Generell spricht ver.di davon, dass Amazon in den Sortier- und Verteilzentren keine mitbestimmungsfreie Zone mehr sei. Allein in den letzten drei Jahren haben man in ganz Deutschland an elf von über 100 Standorten Betriebsratsgründungen erfolgreich begleitet. 

Dass der Schritt in Hoppegarten so viel Aufmerksamkeit bekommt, liegt sicherlich auch daran, dass Amazons Verhältnis zu Betriebsräten immer wieder von Spannungen geprägt ist. Über Jahre berichteten verschieden Medien von Konflikten an verschiedenen Standorten, über entlassene oder befristet beschäftigte Betriebsratsmitglieder, über juristische Auseinandersetzungen oder über Debatten um Arbeitszeiten und Leiharbeit. All das vor dem Hintergrund, wie immens schnell die US-Firma hierzulande in den vergangenen zehn Jahren gewachsen ist. Heute hat Amazon mehr als 40.000 festangestellte Mitarbeiter in Deutschland, vor zehn Jahren waren es laut ver.di noch 16.500.

Die Arbeit für den neuen Betriebsrat beginnt  

Die Wahl bei Amazon in Hoppegarten hat in jedem Fall Signalwirkung. Die neue Interessenvertretung wird sich fortan beweisen müssen – zwischen Erwartungen der Belegschaft und der Realität eines global agierenden Konzerns. Ob Hoppegarten ein positives Beispiel für Betriebsratsarbeit wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Die Beschäftigten haben ihren Willen zur Mitbestimmung klar zum Ausdruck gebracht. Und auch wenn der Weg noch weit sein mag, ist Hoppegarten ein weiterer Beweis, dass Amazons „weiße Flecken“ in Sachen Betriebsratsgremien weniger werden.

Roboter sollen 600.000 Mitarbeiter ersetzen 

Wie wichtig ein funktionierender Betriebsrat ist, dürfte sich auch dann zeigen, wenn die Schlagzeilen tatsächlich eintreffen, von denen unter anderem Heise-Online kürzlich berichteten. Angeblich will Amazon die Automatisierung mit Robotern so weit forcieren, dass bis 2033 über 600.000 Mitarbeiter ersetzt werden könnten – bei angestrebter Verdoppelung der verkauften Produkte. Die Pläne beträfen zwar zunächst die USA, aber würden bei Erfolg sicherlich global ausgerollt werden. Noch dementiert Amazon das Vorhaben, es seien vielmehr Überlegungen einzelner Teams. 

Während diese Ankündigung also noch als „Zukunftsmusik“ abgespeichert werden kann, scheint ein Stellenabbau von 14.000 Mitarbeitern in der Verwaltung beschlossen. Das Unternehmen begründet den Abbau mit Änderungen in der Organisation. Gerade im Hinblick auf die aktuellen Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz, die schnelle Innovationen erlaubten, müsse man sich möglichst schlank aufstellen. Wie viele Beschäftigte in Deutschland von den Entlassungen bedroht seien, ist noch nicht bekannt. (tis)

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