Handel unter Druck

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Stand:  14.10.2025
Lesezeit:  03:00 min
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Eine ganze Branche zwischen Belastung und Veränderungen – was das für Betriebsräte bedeutet

Ob Einzel-, Groß- oder Außenhandel – viele Beschäftigte in der Branche erleben ihren Berufsalltag als zunehmend fordernd. Eine aktuelle Umfrage der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zeigt, wie groß die Unzufriedenheit ist. Und genau da sollten Betriebsräte ansetzen, um die Situation im Betrieb aktiv mitzugestalten.

Der Handel in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Verändertes Konsumverhalten und ein zunehmender Fachkräftemangel prägen die Entwicklung. Der Umsatz der Einzelhandelsunternehmen beispielsweise ist laut Statistischem Bundesamt im August 2025 gegenüber Juli 2025 kalender- und saisonbereinigt um 0,2 Prozent gesunken. Schon im Juli verzeichnete der Einzelhandelsumsatz einen Rückgang von 0,5 Prozent. 

Was das alles konkret für die Arbeitsbedingungen bedeutet, zeigt nun eine bundesweite Beschäftigtenbefragung der Gewerkschaft ver.di. Über 11.700 Beschäftigte aus dem Einzel-, Groß- und Außenhandel haben darin ihrer Erfahrungen und Einschätzungen geteilt – mit ziemlich deutlichen Ergebnissen.

Vorwurf: Bezahlung wenig angemessen 

Eines der zentralen Themen: die Bezahlung. 79 Prozent der Teilnehmer geben an, dass sie ihren Lohn im Verhältnis zur geleisteten Arbeit als nicht oder nur wenig angemessen empfinden. Über die Hälfte der Befragten kommt mit dem monatlichen Einkommen „gerade so“ aus. Und fast ein Fünftel berichtet, dass der Lohn schlicht nicht reicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Auch mit Blick auf die Zukunft ist die Einschätzung zurückhaltend: 68 Prozent glauben nicht, dass ihre spätere Rente ausreichen wird.

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Unsere Befragungsergebnisse sind niederschmetternd und zeigen, dass Veränderungen dringend erforderlich sind …

Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer in einer Pressemitteilung

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„Unsere Befragungsergebnisse sind niederschmetternd und zeigen, dass Veränderungen dringend erforderlich sind, wenn der Handel Personal halten und gewinnen will“, kommentiert das für den Handel zuständige ver.di-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer die Ergebnisse in einer Pressemitteilung. „Gerade diese Branche, die ja für die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs verantwortlich ist, muss durch gute Arbeitsbedingungen gekennzeichnet sein, um die Versorgung dauerhaft abzusichern. Viele Beschäftigte kehren dem Handel schon jetzt den Rücken zu, weil sie die Arbeitsbedingungen nicht mehr ertragen.“

Belastung nimmt spürbar zu

Neben der finanziellen Situation berichten viele Beschäftigte von einer zunehmenden Arbeitsbelastung. Zwei Drittel der Befragten fühlen sich durch ihre Tätigkeit gesundheitlich stark oder sehr stark beansprucht, 78 Prozent können sich nicht vorstellen, bis zur Rente im aktuellen Beruf durchzuhalten. Alarmierend: 62 Prozent würden, wenn sie könnten, den Arbeitsplatz wechseln. Darüber hinaus spielt die fortschreitende Digitalisierung eine Rolle. Aber: Neue technische Systeme führen nicht immer zu Entlastung – im Gegenteil: 49 Prozent der Befragten erleben sie als zusätzliche Belastung. „Digitalisierung wird im Handel vor allem als Kontrollinstrument eingesetzt. Dies führt zu erheblichem Stress. Damit wird die Digitalisierung in ihr Gegenteil verkehrt: Anstatt die Beschäftigten zu entlasten, belasten die digitalen Prozesse die Mitarbeitenden zusätzlich“, so Silke Zimmer.

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Digitalisierung wird im Handel vor allem als Kontrollinstrument eingesetzt.

Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Silke Zimmer in einer Pressemitteilung

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Nicht nur Arbeitsmenge und Technik beschäftigen die Mitarbeiter, auch der zwischenmenschliche Umgang hinterlässt offensichtlich Spuren. Knapp die Hälfte der Befragten berichtet (sehr häufig oder oft) von respektlosem Verhalten im Arbeitsalltag durch Kundschaft, Kollegen oder Vorgesetzte. Dabei ist in einem anspruchsvollen Umfeld ein wertschätzender Umgang oft entscheidend für die langfristige Motivation.

Rolle der Betriebsräte: Gestalten statt nur reagieren

Die Ergebnisse der Befragung unterstreichen, wie wichtig eine aktive betriebliche Interessenvertretung ist. Für Betriebsräte bedeutet das, strukturelle Themen wie faire Entlohnung, gesunde Arbeitsbedingungen und Digitalisierung mitzugestalten – und auf die konsequente Einhaltung gesetzlicher sowie tariflicher Standards zu achten.

Das betrifft etwa den Umgang mit digitalen Überwachungssystemen, neue Arbeitszeitmodelle, Personalplanung oder Qualifizierungsangebote im Zuge der digitalen Transformation. Gerade in Veränderungsphasen ist es wichtig, Beschäftigte zu unterstützen und ihre Interessen gegenüber der Unternehmensseite klar zu vertreten. (tis)

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