Dirk Sievers hat eine beeindruckende Karriere in der Interessenvertretung hingelegt. Bereits seit 1994 gehörte er dem Betriebsrat einer Thyssenkrupp-Sparte an, zuvor war er schon in der Jugend- und Auszubildendenvertretung engagiert. Im Konzernbetriebsrat war er seit 2010, zu dessen Vorsitzenden wurde er 2018 gewählt – entsprechend war Sievers auch Mitglied des Aufsichtsrats. Doch damit ist erst einmal Schluss. Der 52-Jährige suchte eine neue berufliche Herausforderung und wechselt die Position innerhalb des Konzerns. Dem Vernehmen nach soll er Arbeitsdirektor der Thyssenkrupp-Tochter Rasselstein werden, ein auf die Produktion von Weißblech spezialisiertes Unternehmen und wohl eine der rentabelsten Sparten im Konzern. Warum dieser Wechsel?
Seit über 35 Jahren im Unternehmen
Sicherlich dürfte sich die neue Aufgabe bei Rasselstein in Andernach für Dirk Sievers finanziell lohnen. Zudem kann man ihm die Verbundenheit zum Unternehmen beileibe nicht absprechen. Vor mehr als 35 Jahren begann er bei den Stahlwerken Bochum, einem Vorgängerunternehmen des heutigen Stahl- und Industriekonzerns Thyssenkrupp. Es gibt jedoch nicht wenig Kritik daran, dass Thyssenkrupp in Sievers‘ Zeit als Konzernbetriebsratsvorsitzender von fast 160.000 Mitarbeiter unter die 100.000er Marke gefallen ist. Hauptgrund hierfür war der Verkauf der Aufzugssparte Thyssenkrupp Elevator Technology für 17,2 Milliarden Euro. Wird man als Gewerkschaftler oder Betriebsrat also belohnt, sofern man sich in schwierigen Zeiten bewährt? Und ist solch ein Wechsel moralisch überhaupt vertretbar?
Sievers‘ Wechsel nicht der erste dieser Art
Fakt ist, Dirk Sievers ist sicherlich nicht der erste Betriebsrat, der einen solchen Wechsel vollzieht. Es kann durchaus Sinn ergeben, schließlich sind erfahrene Interessenvertreter in Sachen Betriebsverfassungs- und Arbeitsrecht top ausgebildet, was für einen Personalmanager nicht die schlechteste Voraussetzung darstellt. Hinzu kommen das Netzwerk sowie das Verständnis für die „andere Seite“. Speziell bei Thyssenkrupp schlugen bereits einige Vorgänger Sievers‘ einen ähnlichen Weg ein. Deutschlandweit Schlagzeilen machte auch der Fall des ehemaligen VW-Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh. Er wechselte aus dem Betriebsratsgremium auf den Posten des Personalchefs der Traton SE in München, einer Gesellschaft der Lastwagenmarken MAN und Scania (hier weiterlesen).
Der Wunsch nach beruflicher Entwicklung ist nur allzu nachvollziehbar, den dürfen logischerweise auch Betriebsräte hegen.
Der Wunsch nach beruflicher Entwicklung ist nur allzu nachvollziehbar, den dürfen logischerweise auch Betriebsräte hegen. Und doch bleibt ein gewisser Beigeschmack – das weiß sicherlich auch Dirk Sievers. Sollte sich eine gegenüber Unternehmensverantwortlichen wohlwollende Betriebsratspolitik karrieretechnisch tatsächlich auszahlen, käme das einem Schlag ins Gesicht vieler engagierter Interessenvertreter in Deutschland gleich. Getreu dem Motto: Die eine Hand wäscht die andere. Noch dazu, so kann man es zumindest an einigen Stellen nachlesen, soll Dirk Sievers bei Rasselstein einen Personalabbau einleiten. Sollte das der Fall sein, wird es spannend zu beobachten, wie er erstmals unmittelbar auf den Betriebsrat trifft.
Nachfolger bereits gefunden
Nachfolger als Konzernbetriebsrat bei Thyssenkrupp wird Tekin Nasikkol, derzeit Betriebsratschef der Stahlsparte. Er wurde in einer Sitzung des Konzernbetriebsrats gewählt. „Gemeinsam wollen wir die zukünftigen Herausforderungen selbstbewusst und im Interesse aller Thyssenkrupp-Mitarbeitenden angehen“, zitiert das Handelsblatt Nassikol aus einem Mitarbeiterbrief. Keine ganz einfache Aufgabe, schließlich soll der Konzern umfassend umgebaut und umstrukturiert werden. (tis)