Was tun als Betriebsrat, wenn die BR-Sitzung ansteht, die eigentliche Arbeit aber besonders dringend zu sein scheint?
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat hier entschieden: Im Einzelfall kann die Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds auch dann gegeben sein, wenn sich das betroffene Betriebsratsmitglied in einem Interessenkonflikt zwischen Amts- und Arbeitspflicht befindet.
Nur wenn Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Entscheidung des jeweiligen Betriebsratsmitglieds vorliegen, muss der Betriebsratsvorsitzende den genannten Hinderungsgrund überprüfen. Eine interessante Entscheidung, die so manchen BRV zum Grübeln bringt.
In seiner Stellung als Arbeitnehmer unabkömmlich?
Hohes Arbeitsaufkommen als Verhinderung?
Der Betriebsratsvorsitzende hatte keine Ersatzmitglieder nachgeladen. Passiert war folgendes: Der Betriebsratsvorsitzende nahm im Mai 2017 an einer Schulung teil. Der Entsendebeschluss zu diesem Seminar wurde in einer Betriebsratssitzung gefasst, bei der sieben von insgesamt neun Mitgliedern anwesend waren. Ein Betriebsratsmitglied war krank. Das geladene Ersatzmitglied und ein weiteres Betriebsratsmitglied hatten sich wegen erhöhten Arbeitsaufkommens telefonisch von der Sitzung abgemeldet.
Der Betriebsratsvorsitzende war der Ansicht, dass die Nichtteilnahme an der Sitzung wegen des hohen Arbeitsaufkommens keine Verhinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG darstelle und hatte keine Ersatzmitglieder geladen. Der Arbeitgeber hielt den Beschluss zur Seminarteilnahme deshalb für unwirksam und verweigerte die Kostenübernahme für die Schulung. Dagegen ging der Betriebsrat gerichtlich vor.
Überprüfungspflicht nur bei konkreten Anhaltspunkten für pflichtwidriges Verhalten
Ohne Erfolg. Das Gericht entschied: Eine zeitweilige Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds liegt vor, wenn es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, die anstehenden Amtsgeschäfte wahrzunehmen. Dies kann im Einzelfall auch dann der Fall sein, wenn das Betriebsratsmitglied in seiner Stellung als Arbeitnehmer unabkömmlich ist, weil die geschuldete Arbeitsleistung unbedingt sofort erbracht werden muss. Das Betriebsratsmitglied muss unter Beachtung seiner Verpflichtung zur gewissenhaften Amtsführung darüber entscheiden, welcher Pflicht es den Vorrang einräumt.
Wenn sich das Betriebsratsmitglied bei einem Interessenkonflikt zwischen Amts- und Arbeitspflicht für die Arbeit entscheidet, muss der Betriebsratsvorsitzende regelmäßig davon ausgehen, dass ein Verhinderungsfall vorliegt. Nur dann, wenn Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Entscheidung des Betriebsratsmitglieds vorliegen, muss er den genannten Hinderungsgrund prüfen und ggf. auf die Ladung eines Ersatzmitglieds verzichten. Hier wäre es Aufgabe des Betriebsratsvorsitzenden gewesen darzulegen, welche konkreten Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten der beiden Betriebsratsmitglieder ihn dazu veranlasst hatten, auf die Ladung der Ersatzmitglieder zu verzichten.
Fazit: Nur als Ausnahme!
Im Gremium sollte besprochen und eventuell in der Geschäftsordnung festgehalten werden, wie mit solchen Situationen umgegangen wird. Es sollte keinesfalls zum Normalfall werden, dass die Betriebsratsarbeit hinten angestellt wird. Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass die Ladung eines Ersatzmitgliedes in Betracht kommt, wenn eine gewissenhafte Prüfung des wegen dringender Arbeit verhinderten BR-Mitglieds stattgefunden hat.
Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 08.12.2017, 13 TaBV 72/17