Kein Verfall von Urlaubsansprüchen nach Elternzeit

Was passiert mit dem Urlaubsanspruch, wenn eine Mitarbeiterin nach einem Beschäftigungsverbot und der Elternzeit in den Beruf zurückkehrt – und der Tarifvertrag eigentlich kürzere Verfallfristen vorsieht? 

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11.09.2025, 13 SLa 316/25 

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Redaktion
Stand:  28.10.2025
Lesezeit:  01:30 min
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Das ist passiert

Eine Verkäuferin, deren Arbeitsverhältnis einem Manteltarifvertrag unterliegt, hatte Anspruch auf 30 Urlaubstage pro Jahr. Im Jahr 2021 und 2022 konnte sie insgesamt 13 Tage tariflichen Mehrurlaub nicht nehmen. Der Grund: Sie befand sich aufgrund einer Schwangerschaft ab Oktober 2021 im Beschäftigungsverbot, anschließend im Mutterschutz und danach nahtlos in Elternzeit bis Dezember 2024. 

Der Arbeitgeber vertrat die Ansicht, dieser tarifliche Mehrurlaub sei verfallen. Er argumentierte, dass die gesetzlichen Schutzvorschriften, die den Verfall von Urlaub verhindern (Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten würden, nicht aber für den zusätzlichen Urlaub aus dem Tarifvertrag. Die Arbeitnehmerin klagte, um feststellen zu lassen, dass ihr für 2021 noch 6 Tage und für 2022 noch 7 Tage tariflicher Mehrurlaub zustehen. 

Das entschied das Gericht

Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Arbeitgebers zurück und gab der Arbeitnehmerin Recht. Der tarifliche Mehrurlaub für die Jahre 2021 und 2022 ist entgegen der Meinung des Arbeitgebers nicht verfallen. 

Das Gericht stellte fest, dass spezielle gesetzliche Regelungen, nämlich § 24 Satz 2 MuSchG (Mutterschutzgesetz) und § 17 Abs. 2 BEEG (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz), einem Verfall entgegenstehen. Die Regelungen aus dem Tarifvertrag zum Verfall des Urlaubs kommen gar nicht zur Anwendung.  

Diese Spezialregelungen treffen eine von § 7 Abs. 3 Satz 1 Bundesurlaubsgesetz abweichende Regelung des Urlaubsjahres. Sie führen dazu, dass der Urlaub, der wegen der Ausfallzeiten (Beschäftigungsverbot/Elternzeit) nicht genommen werden konnte, nach der Rückkehr im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewährt werden muss. 

Da die Klägerin am 06.12.2024 aus der Elternzeit zurückkehrte, ist das gesamte Jahr 2025 das maßgebliche Urlaubsjahr für die Restansprüche. Der Urlaub verfällt daher frühestens zum 31.12.2025. 

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil ist von großer Bedeutung für Betriebsräte und alle Beschäftigten, die längere Zeit wegen Mutterschutz oder Elternzeit ausfallen: 

Der gesetzliche Schutz gegen den Verfall von Urlaub, der wegen Beschäftigungsverbot (Mutterschutzgesetz) oder Elternzeit nicht genommen werden konnte, erstreckt sich auf den gesamten Urlaubsanspruch, also sowohl auf den gesetzlichen Mindesturlaub als auch auf den tariflichen oder übertariflichen Zusatzurlaub. 

Wenn ein Tarifvertrag Verfallfristen für den Mehrurlaub vorsieht, haben die gesetzlichen Spezialregelungen Vorrang und verhindern den Verfall. (jb)