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Klarheit für Betriebsräte: BAG-Urteil zur Rückstufung der Vergütung

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. März 2025 grundlegend zur Anpassung der Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder entschieden. Im Fokus: Kann der Arbeitgeber eine jahrelang gezahlte Vergütung rückwirkend korrigieren – und wer trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast? Das BAG stellt klar: Betriebsratsmitglieder dürfen auf die Richtigkeit einer mitgeteilten und unter Verweis auf § 37 Abs. 4 BetrVG gewährten Vergütung vertrauen – und der Arbeitgeber muss begründen, wenn er hiervon später abrücken will.

BAG, Urteil vom 20.03.2025, 7 AZR 46/24 (führendes Urteil zu teilweise Parallelsachen)

Stand:  23.9.2025
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Das ist passiert

Der Kläger war seit Jahrzehnten bei einem großen Automobilhersteller tätig. Seit 2002 war er freigestelltes Betriebsratsmitglied. Die Vergütung des Klägers wurde seitdem wiederholt angepasst – von Entgeltstufe 13 im Jahr 2002 bis zuletzt auf Entgeltstufe 20 zum 01.01.2015, jeweils unter Hinweis auf § 37 Abs. 4 BetrVG und auf die Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer. 2023 nahm der Arbeitgeber – unter dem Eindruck einer BGH-Entscheidung zur Untreue bei überhöhter Betriebsratsvergütung (BGH vom 10.01.2023, 6 StR 133/22) – eine Neubewertung vor. Er stufte den Kläger zurück auf Entgeltstufe 17 im Februar 2023, anschließend auf Entgeltsrufe 18 ab März 2023 und verlangte für vier Monate (Oktober 2022 bis Januar 2023) eine Rückzahlung von rund 2.600 Euro.

Der Kläger klagte auf Zahlung der Differenz zur ursprünglichen Entgeltstufe 20 sowie auf Rückerstattung des bereits von ihm geleisteten Rückzahlungsbetrags. Außerdem begehrte er die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis seit dem 1. Januar 2015 nach Maßgabe der Entgeltstufe 20 zu führen sei.

Das entschied das Gericht

Das BAG gab dem Kläger teilweise Recht. Die Entscheidung des LAG Niedersachsen wurde teilweise aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und an das LAG Niedersachsen zur erneuten Prüfung des Anspruchs auf die höhere Vergütung zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Feststellungsantrag wurde als unzulässig abgewiesen (§ 563 Abs. 3 ZPO) – er sei nicht hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Klar stellte das BAG aber: Hat der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied über Jahre hinweg unter Verweis auf § 37 Abs. 4 BetrVG eine Vergütungsanpassung mitgeteilt und gezahlt, muss er später beweisen, dass diese Anpassung objektiv fehlerhaft war. Der Arbeitgeber kann sich also nicht ohne Weiteres auf einen Irrtum berufen. Vielmehr trägt er die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlerhafte Entgeltentwicklung.

Zudem betonte das BAG: Es gibt zwei rechtlich eigenständige Anspruchsgrundlagen für eine höhere Betriebsratsvergütung – einerseits die betriebsübliche Entwicklung zu vergleichbaren Arbeitnehmern nach § 37 Abs. 4 BetrVG, wobei § 37 Abs. 4 BetrVG nach der Konzeption des Gesetzgebers keine hypothetischen Verläufe beruflichen Aufstiegs erfasst, andererseits eine hypothetische Karriereentwicklung bzw. ein fiktiver Beförderungsanspruch nach § 78 Satz 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB. Der Kläger hatte sich im Jahr 2015 gegen eine Stelle als Fertigungskoordinator entschieden – das BAG stellte klar, dass auch daraus theoretisch ein Anspruch auf höhere Vergütung erwachsen könne, wenn diese Stelle tatsächlich realistisch erreichbar gewesen wäre.

Hinweise für die Praxis

Das Urteil stärkt die Position von Betriebsratsmitgliedern erheblich. Arbeitgeber können eine über Jahre hinweg gezahlte Vergütung nicht einfach rückgängig machen, nur weil sie sich später für zu hoch halten. Wird die Entgeltentwicklung unter Hinweis auf § 37 Abs. 4 BetrVG vorgenommen und kommuniziert, besteht ein schutzwürdiges Vertrauen – die Beweislast für eine etwaige Fehlerhaftigkeit trägt der Arbeitgeber.

Betriebsratsmitglieder sollten bei Rückstufungen prüfen lassen, ob der Arbeitgeber die Rückstufung sachlich und nachvollziehbar begründet hat – insbesondere, ob Vergleichspersonen korrekt ausgewählt und benannt wurden. Der Arbeitgeber kann sich nicht auf Datenschutz berufen, um die Offenlegung der Vergleichspersonen zu verweigern.

Zugleich macht das BAG deutlich: Über die „Mindestvergütung“ hinaus kann es unter bestimmten Voraussetzungen auch einen Anspruch auf eine höhere hypothetische Vergütung geben – etwa dann, wenn die Betriebsratstätigkeit eine realistische Beförderung verhindert hat. Das ist allerdings individuell nachzuweisen. (al)

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