Nachteile bei der Entgeltgruppe wegen früherer Befristung? Bundesarbeitsgericht schützt befristet Beschäftigte

Vier Jahre länger auf die nächste Gehaltsstufe warten – nur wegen einer vorherigen Befristung? Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, warum das unzulässig ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2025, 6 AZR 131/25

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Redaktion
Stand:  16.12.2025
Lesezeit:  02:30 min
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Das ist passiert:

Ein Arbeitnehmer war seit Juni 2019 bei der Deutschen Post als Paketzusteller beschäftigt – zunächst ein Jahr befristet, seit Juni 2020 unbefristet. Das Entgelt richtet sich nach dem im Unternehmen geltenden Entgelttarifvertrag ETV-DP AG. Die Vergütung bestimmt sich dort nach Entgeltgruppen und sogenannten Gruppenstufen, deren jeweilige Anwendungsdauer von der Beschäftigungszeit abhängt. Im Rahmen einer Umstrukturierung bei der Arbeitgeberin im Juli 2019 haben die Tarifpartner vereinbart, dass für Arbeitsverhältnisse, die nach dem 30. Juni 2019 neu begründet werden, die Laufzeiten der Gruppenstufen verlängert werden. 

Ein Beispiel: Ein Bestands-Beschäftigten erreicht die Gruppenstufe 2 nach 5 Jahren, ein nach dem Stichtag neu eingestellte Mitarbeiter aber erst nach 9 (!) Jahren. Im Klartext bedeutet das für betroffene Angestellte: Es dauert deutlich länger, bis man aufsteigt und mehr Geld bekommt.

Zwischen dem Paketzusteller und seiner Arbeitgeberin entstand ein Rechtsstreit darüber, ob diese Regelung auch Wiedereinstellungen erfasst, bei denen Beschäftigte vor dem Stichtag bereits befristet tätig waren, und ob die damit verbundene Verlängerung der Stufenlaufzeiten für diese Gruppe zulässig ist.

Der Arbeitnehmer machte geltend, dass er durch die Anwendung der verlängerten Stufenlaufzeiten gegenüber dauerhaft Beschäftigten am Stichtag benachteiligt werde und begehrte die Behandlung nach den kürzeren ursprünglichen Stufenlaufzeiten.

Die Vorinstanzen gaben seiner Klage statt. Das zentrale Argument: „Der Kläger hat in vorliegendem Fall während der Dauer seines befristeten Arbeitsverhältnisses identische Aufgaben wie unbefristet dauerbeschäftigte Arbeitnehmer verrichtet und damit die gleiche Berufserfahrung wie diese erlangt. Er konnte laufend entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsgüte und Arbeitsmenge verbessern“.

Das entschied das Gericht:

Das BAG stellte zunächst klar, dass die tarifliche Regelung vom Juli 2019 über verlängerte Gruppenstufenlaufzeiten auch für Beschäftigte gilt, die vor dem Stichtag befristet tätig waren und danach erneut eingestellt wurden. Genau in diesem Umstand liegt nach Ansicht des BAG der Verstoß gegen § 4 Abs. 2 TzBfG, der das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot für befristet Beschäftigte in deutsches Recht umsetzt.

Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrags nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet Beschäftigter, es sei denn, es liegt ein sachlicher Grund vor.

Einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung konnte die Arbeitgeberin nach Ansicht des BAG nicht darstellen. Folge: Die tarifliche Bestimmung ist nichtig und für den Arbeitnehmer gelten die ursprünglichen (Entgelt-)Stufenlaufzeiten.

Bedeutung für die Praxis:

Befristet Beschäftigte dürfen durch Stichtagsregelungen oder verlängerte Gruppenstufen nicht benachteiligt werden. Betriebsräte haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu überwachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetzte, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. 
(lg)