Wirksamkeit der Kündigung bei Fehlern einer Massenentlassung

Machen fehlerhafte oder fehlende Massenentlassungsanzeigen Kündigungen unwirksam? Das Bundesarbeitsgericht hatte sich an den Europäischen Gerichtshof gewendet, um die Umsetzung der sogenannten Massenentlassungsrichtlinie der EU (98/59/EG) in deutsches Recht zu klären. Die Richter am Europäischen Gerichtshof stellten nun klar: Eine ordnungsgemäße Anzeige ist Voraussetzung dafür, dass Kündigungen wirksam werden können. Fehler können nicht vom Arbeitgeber nachträglich korrigiert werden.

EuGH, Urteil vom 30.10.2025, C-134/24

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Redaktion
Stand:  18.11.2025
Lesezeit:  02:00 min
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Das ist passiert:

Der Kläger war seit 1994 bei der Beklagten beschäftigt. Am 01.12.2020 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Am 02.12.2020 kündigte die Beklagte den Arbeitsvertrag des Klägers zum 31.03.2021, ohne zuvor die nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts erforderliche Massenentlassungszeige zu erstatten.
Mit seiner Klage beantragt der Kläger die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei nichtig, da die Beklagte die Massenentlassung nicht zuvor gemäß § 17 Abs. 1 KSchG angezeigt hatte.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Revision. Das Bundesarbeitsgericht (6. und 2. Senat) setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof u.a. folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

  • Ist die Massenentlassungsrichtlinie der EU (RL 98/59/EG) dahin auszulegen, dass Kündigungen im Rahmen einer beabsichtigten Massenentlassung, die anzuzeigen ist, erst nach Ablauf der in der Richtlinie vorgesehenen Frist von 30 Tagen wirksam werden kann?
  • Lässt eine nachträgliche Anzeige fehlender/fehlerhafter Anzeigen bereit ausgesprochene Kündigungen nach Ablauf der 30‑Tage‑Frist ohne erneute Kündigung wirksam werden?

So hat das Gericht entschieden:

Der Europäische Gerichtshof stellt klar, dass die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses erst nach Ablauf der Entlassungssperre von 30 Tagen wirksam wird und diese Sperrfrist erst mit einer Anzeige der Massenentlassung zu laufen beginnt. Der Behörde soll ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung stehen, um Maßnahmen zur Milderung der arbeitsmarktpolitischen Folgen der Entlassungen zu ergreifen. Nur dadurch könne der Schutz der Arbeitnehmer und Stabilität des Arbeitsmarkts im Sinne der Norm erreicht werden.

Ein Nachholen der Anzeige nach Ausspruch der Kündigung sei nicht möglich. Der EuGH begründet dies mit dem Normwortlaut, wonach der Arbeitgeber „beabsichtigte“ Massenentlassungen anzeigen muss. Dies beinhalte, dass die Kündigungen noch nicht ausgesprochen wurden.

Praxishinweis:

Das Gericht stellt klar, dass Fehler bei der Massenentlassungsanzeige für den Arbeitgeber erhebliche Risiken hinsichtlich der Wirksamkeit von Kündigungen bergen. Ein Nachholen oder eine Korrektur der Anzeige ist ausgeschlossen. Arbeitnehmer, die von Massenentlassungen betroffen sind oder die bereits eine Kündigung erhalten haben, sollten unbedingt rechtlichen Rat einholen. (dz)