Liebe Nutzer,
für ein optimales und schnelleres Benutzererlebnis wird als Alternative zum von Ihnen verwendeten Internet Explorer der Browser Microsoft Edge empfohlen. Microsoft stellt den Support für den Internet Explorer aus Sicherheitsgründen zum 15. Juni 2022 ein. Für weitere Informationen können Sie sich auf der Seite von -> Microsoft informieren.
Liebe Grüße,
Ihr ifb-Team
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer forderte von seinem Arbeitgeber das Recht, dauerhaft im Home-Office zu arbeiten. Sein Argument: Während der Corona-Pandemie habe er bereits zwei Jahre erfolgreich von zu Hause aus gearbeitet. Zudem stelle die Beklagte im Betrieb keinen leidensgerecht eingerichteten Arbeitsplatz zur Verfügung. Das Arbeitsgericht entschied zugunsten des Klägers.
Arbeitsgericht Wiesbaden, Entscheidung vom 27.09.2024, 3 Ca 216/22
Der Kläger verfügt über einen GdB von 50 und ist seit dem Jahr 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Im Corona-Zeitraum von März 2020 bis März 2022 arbeitete der Kläger im Home-Office. Nach der Pandemie verweigerte die Beklagte die Fortführung dieser Arbeitsform und verlangte die Rückkehr in den Betrieb. Der Kläger forderte von seinem Arbeitgeber das Recht, dauerhaft im Home-Office zu arbeiten. Der Kläger argumentierte, dass er aufgrund seiner Erkrankung (chronisches Schmerzsyndrom) im Home-Office besser arbeiten könne, insbesondere durch flexible Arbeitspositionen und reduzierte Medikamenteneinnahme, und dadurch seine Arbeitsfähigkeit aufrechterhalten könne. Während der Corona-Pandemie hätte er bereits zwei Jahre erfolgreich von zu Hause aus gearbeitet. Zudem stelle ihm die Beklagte im Betrieb keinen leidensgerecht eingerichteten Arbeitsplatz zur Verfügung. Die Beklagte lehnte dauerhaftes Home-Office mit Verweis auf die betriebliche Organisation, Sicherheitsbedenken und Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Klägers ab.
Das Arbeitsgericht entschied zugunsten des Klägers und verurteilte die Beklagte dazu, ihm die Arbeit im Home-Office unter Zurverfügungstellung der erforderlichen technischen Ausstattung zu ermöglichen. Dabei stützte sich das Gericht auf § 164 Abs. 4 SGB IX, der schwerbehinderten Menschen eine behinderungsgerechte Beschäftigung garantiert. Auch wenn die Frage, an welchem konkreten Ort die Arbeitsleistung von dem schwerbehinderten Mitarbeiter zu erbringen ist, in dem Katalog des § 164 Abs. 4 Satz 1 nicht ausdrücklich Erwähnung findet, so ist das Gericht der Auffassung, dass sich diese Frage unter den Oberbegriff der „Beschäftigung“ im Sinne von § 164 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1 SGB IX subsumieren lässt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den schwerbehinderten Menschen eine Beschäftigung zu ermöglichen, bei welcher das Leistungsvermögen der schwerbehinderten Menschen optimal zur Geltung kommt. Es stellte zudem fest, dass der Kläger seine Tätigkeit im Home-Office ohne Leistungseinbußen erbringen könne und dass die Beklagte keine unzumutbare Belastung im Sinne des § 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX nachweisen konnte. Die Beschäftigung im Home-Office habe sich während der Pandemie bewährt, es gebe keine zwingenden betrieblichen Gründe gegen diese Arbeitsweise.
Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben nach § 164 Abs. 4 SGB IX einen Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung. Arbeitgeber müssen geeignete Maßnahmen zur Anpassung des Arbeitsplatzes treffen. Die Verpflichtung zur Umgestaltung der Arbeitsorganisation kann auch die Einrichtung eines Home-Office-Arbeitsplatzes umfassen, sofern dies zumutbar und praktikabel ist. Ein durch die Pandemie etablierter Home-Office-Arbeitsplatz kann ein Indiz dafür sein, dass eine solche Lösung auch dauerhaft praktikabel ist. Arbeitgeber müssen substantiiert nachweisen, dass eine Homeoffice-Tätigkeit unzumutbar oder mit unverhältnismäßigen Belastungen verbunden wäre.
Das Urteil stärkt die Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer und verpflichtet Arbeitgeber, individuelle Lösungen ernsthaft zu prüfen. Es bestätigt die Linie des LAG Niedersachsen (Urteil vom 06.12.2010 – 12 Sa 860/10), wonach der sich aus § 164 Abs. 4 Satz1 Nr.1 SGB IX ergebende Anspruch auch die Änderung des Ortes, an dem die Arbeitsleistung zu erbringen ist, einschließen kann (Home-Office).
Auch das LAG Köln (Urteil vom 12.01.2022 – 3 Sa 540/21) bestätigt diesen Anspruch und schränkt ihn zugleich dahingehend ein, dass der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bislang nicht vorhandenen Arbeitsplatz einrichten muss. Zudem entfalle der Anspruch, wenn im Home-Office wesentliche Merkmale der Tätigkeit entfallen; dann handle es sich um einen neuen Arbeitsplatz und § 164 Abs.4 SGB IX greife nicht. (cs)