Fehlender Vermittlungsauftrag bei der Bundesagentur für Arbeit ist Indiz für Benachteiligung

Der Arbeitgeber genügt seinen Pflichten im Bewerbungsprozess nicht, wenn er eine Stellenanzeige nur auf der Jobbörse der Agentur für Arbeit veröffentlicht, ohne parallel einen entsprechenden Vermittlungsauftrag zu schalten.   

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.03.2025, 8 AZR 123/24

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Redaktion
Stand:  21.10.2025
Lesezeit:  02:15 min
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Das ist passiert

Der Arbeitgeber, eine Dienstleistungsfirma im Bereich IT-Sicherheit (ohne Interessenvertretung), schrieb im Internet eine Stelle als „Scrum Master/ Agile Coach“ aus. Der Kläger bewarb sich am 23. August auf die Stelle und wies auf seine Schwerbehinderung hin. Nach nur zwei Tagen, noch bevor das Bewerbungsschreiben des Klägers beim Arbeitgeber eingegangen war, hatte dieser das Bewerbungsverfahren abgeschlossen und sich für einen anderen Bewerber entschieden. Erst nachdem der unterzeichnete Arbeitsvertrag einige Tage später wieder beim Arbeitgeber einging, hatte dieser die Stellenanzeige aus dem Internet genommen und den Kläger über die Absage informiert.   

Daraufhin machte der Kläger eine Entschädigung in Höhe von 1,5 Monatsgehältern geltend. Er sei aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden. Die Stelle sei zwar auf verschiedenen Stellenportalen veröffentlicht worden - unter anderem auch bei der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit (BA), ein Vermittlungsauftrag an die BA sei jedoch unterblieben. Dieses Unterlassen indiziere eine Benachteiligung, denn der Arbeitgeber habe damit seine Pflichten nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht erfüllt.  

Der Arbeitgeber sah sich als privates Unternehmen nicht in der Pflicht, der BA einen entsprechenden Vermittlungsauftrag zu erteilen. Zudem sei das Auswahlverfahren schon vor dem Eingang der Bewerbung des Klägers abgeschlossen gewesen. 

Das sagt das Gericht

Da der Kläger vor dem Arbeitsgericht nicht erschienen war, wies das Gericht die Klage durch Versäumnisurteil ab. Sein Einspruch hiergegen blieb erfolglos, das LAG wies seine Berufung ab. Das Bundesarbeitsgericht folgte zwar der Argumentation des Klägers; die Revision hatte aber aufgrund der zeitlichen Abfolge des Bewerbungsverfahrens keinen Erfolg.  

LAG und BAG stellten klar, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers, sich frühzeitig mit der Agentur für Arbeit in Verbindung zu setzen (§ 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX), auch die Verpflichtung einschließe, einen entsprechenden Vermittlungsauftrag zu erteilen. Erst dadurch könne die in § 164 Abs. 1 Satz 3 SGB IX vorgesehene Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen durch die Bundesagentur für Arbeit ermöglicht und dem Gesetzeszweck entsprochen werden. Das bloße Einstellen einer Suchanzeige auf dem Stellenportal der BA genüge den gesetzlichen Vorgaben nicht. Das Unterlassen eines Vermittlungsauftrags sei als Indiz für eine Benachteiligung zu werten. 

Den Einwand des Arbeitgebers, dass er als privater Unternehmer der BA keinen Vermittlungsauftrag erteilen müsse, teilten die Richter nicht: Der Normzweck des § 164 Abs. 1 SGB IX und § 165 SGB IX, bezogen auch die besonderen Pflichten öffentlicher Arbeitgeber, sei identisch.  Beide Regelungen dienten der Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen.  

Die Richter folgten also der Argumentation des Klägers und sahen in dem unterbliebenen Vermittlungsauftrag die gesetzliche Vermutung einer Diskriminierung. Der Arbeitgeber konnte diese Vermutung allerdings widerlegen. Am 24. August hatte er sich bereits nachweislich für den Mitbewerber entschieden, zu dem Zeitpunkt war die Bewerbung des Klägers noch nicht eingegangen. Somit konnte keine diskriminierende Ablehnungsentscheidung mehr ergehen, da der Bewerbungsprozess aus Sicht des Arbeitgebers bereits abgeschlossen war. Dieser Begründung schlossen sich die Richter an: Der Kläger habe sich auf eine nicht mehr offene, sondern bereits besetzte Stelle beworben. 

Bedeutung für die Praxis

Nach Ansicht des Gerichts war auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem die zuständige Führungskraft ihre finale Entscheidung zugunsten des Mitbewerbers getroffen hatte und nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Tatsache, dass der Arbeitgeber hierbei die Stellenanzeige bis zum Rückversand des unterzeichneten Arbeitsvertrages im Internet stehen ließ, beanstandete das Gericht nicht. Es sei gängige Praxis. (gs)