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Lexikon
Richterrecht

Richterrecht

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Redaktion
Stand:  12.7.2023
Lesezeit:  02:00 min

Kurz erklärt

Richterrecht bezeichnet die Praxis, dass Gerichte bei der Auslegung und Anwendung von Rechtsvorschriften eine gewisse Rechtsfortbildung betreiben, indem sie Entscheidungen treffen, die als Präzedenzfälle dienen. Dabei orientieren sie sich an früheren Urteilen, rechtlichen Grundsätzen und dem Prinzip der Gleichbehandlung. Richterrecht ergänzt und konkretisiert das geschriebene Gesetz und trägt zur Weiterentwicklung des Rechts bei.

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Begriff

Die Auslegung, Präzisierung und gelegentliche Ergänzung von Gesetzesvorschriften im Einzelfall durch die Rechtsprechung.

Erläuterung

Anlässe für Rechtsfortbildung

Richterrecht entsteht durch die Weiterbildung des Rechts (Rechtsfortbildung) durch die Rechtsprechung. Rechtsfortbildung ist die Antwort auf die sich verändernden rechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Durch Gesetze kann zwar eine Vielzahl von Fällen geregelt werden, doch weist der Einzelfall oft neue, vom Gesetz nicht vorhergesehene und daher nicht berücksichtigte Problemlagen auf. Rechtsfortbildung schließt Gesetzeslücken. Fehlt es in einem konkreten Streitfall an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für die vom Richter zu treffende Entscheidung, darf er nicht aus diesem Grunde die Entscheidung verweigern, sondern hat die Gesetzeslücke rechtsetzend zu schließen. So wird beispielsweise das gesetzlich ungeregelte Arbeitskampfrecht ausschließlich durch Richterrecht ausgestaltet. Die Abmahnung ist ein anderes Beispiel eines durch Richterrecht geschaffenen Rechtsinstituts. Richterrecht legt zudem die in den Gesetzen enthaltenen sogenannten „unbestimmten Rechtsbegriffe“ (z. B. „vertrauensvolle Zusammenarbeit“) für die praktische Rechtsanwendung im Einzelfall aus. Richterrecht hat eine unverzichtbare Funktion für das Arbeitsrecht.

Zulässigkeit der Rechtsfortbildung

Die richterrechtliche Rechtsfortbildung ist an strenge Voraussetzungen gebunden. Der Grundsatz der Gewaltenteilung und die Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) lassen eine Loslösung von vorgegebenen Rechtsnormen im Allgemeinen nicht zu. Eine Fortbildung des Rechts im Wege rechtsändernder Auslegung kann nur bei Gesetzesbestimmungen in Frage kommen, deren bisherige Anwendung und Auslegung

  • auf später überholten Rechtsanschauungen beruht,
  • mit den neuen Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar ist und
  • zu nicht mehr zu rechtfertigenden Ergebnissen führt und die deshalb im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsgleichheit mit dem neueren Recht in Übereinstimmung zu bringen sind.

Eine Rechtsfortbildung ist auch dann zulässig, wenn eine Vorschrift deshalb unanwendbar ist, weil sie Folgen herbeiführt, die vom Gesetzgeber nicht erkannt oder bedacht worden sind und sonst vernünftigerweise nicht in dieser Weise geordnet sein würden (BAG v. 29.3.1984 – 2 AZR 429/83). Der Bürger darf dennoch auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgestellte Rechtslage vertrauen (Vertrauensschutz), wenn sich eine Änderung der Rechtsprechung nicht im Rahmen der vorhersehbaren Entwicklung hält (BAG v. 24.3.2009 - 9 AZR 983/07). Richterrecht muss aber immer Ergebnis einer Auslegung sein, die noch dem gesetzgeberischen Ziel entspricht (Art. 20 Abs. 3 GG). Andernfalls besteht die Gefahr der Rechtsbeugung (§ 339 StGB).

Wirkung

In der Regel sind die höchstrichterlichen Entscheidungen (z. B. des Bundesarbeitsgerichts) für die Rechtsfortbildung maßgeblich. Richterrecht hat aber keine Gesetzeswirkung, da es nicht im gleichen Maße demokratisch legitimiert ist wie das vom Parlament beschlossene Recht. Gesetzgeber ist ausschließlich der Deutsche Bundestag. Rechtsfortbildende Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts in Arbeitsrechtsfragen ändern daher die Rechtslage nicht, sondern stellen diese lediglich auf Grund eines Erkenntnisprozesses in einem konkreten Fall fest (BVerfG 28.9.1992 -1 BvR 496/87).

Richtschnur für Gerichte

Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze dienen den Arbeitsgerichten und Landesarbeitsgerichten als Richtschnur bzw. Leitfaden für die Behandlung bzw. Entscheidung gleichgelagerter Fälle. Diese sind für sie aber nicht verbindlich. Den Gerichten ist es daher nicht verwehrt, von Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts abzuweichen. Weicht allerdings ein Urteil oder ein Beschluss des Arbeitsgerichts von einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ab und beruht das Urteil oder der Beschluss auf dieser Abweichung, hat das Arbeitsgericht die Berufung/Beschwerde beim Landesarbeitsgericht zuzulassen (§§ 64 Abs. 3 Nr. 3, 87 Abs. 2 ArbGG). Entsprechendes gilt für die Zulassung der Revision/Rechtsbeschwerde bei abweichenden Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts von Urteilen/Beschlüssen des Bundesarbeitsgerichts (§§ 72 Abs. 2 Nr. 2, 92 Abs. 2 ArbGG).

Rechtsquelle

Art. 20 Ans. 3 GG

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