VW zieht Blaumacher „aus dem Verkehr“

© AdobeStock | josefkubes
Stand:  7.10.2025
Lesezeit:  01:45 min
Teilen: 

Über 500 Kündigungen bei Volkswagen wegen Fehlverhaltens – wie sieht das rechtlich aus?

Volkswagen trennt sich in auffällig großer Zahl von Mitarbeitern – mehr als 500 Kündigungen allein im ersten Halbjahr 2025, ein Großteil davon wegen „unentschuldigtem Fehlen“. Die Schlagzeile machte schnell die Runde und sorgte nicht nur im Konzern selbst für Gesprächsstoff. Was ist passiert, was sollten Betriebsräte darüber wissen und wie ist das eigentlich juristisch zu bewerten? 

„Fehlverhalten“ – so lautet das Schlagwort, mit dem Volkswagen die mehr als 500 Kündigungen im ersten Halbjahr 2025 begründet. Das hat ein Konzernsprecher der Nachrichtenagentur dpa bestätigt, nachdem zuerst die Bild-Zeitung berichtet hatte. Hinzu kommen 2.079 Abmahnungen. In einem internen VW-Bericht zur Disziplinarstatistik, der halbjährlich veröffentlicht wird, soll allen voran von unentschuldigtem Fernbleiben die Rede sein, aber auch von anderen Formen der Pflichtverletzung. Besonders betroffen: die sechs deutschen Werke der Kernmarke VW, darunter Standorte wie Wolfsburg, Braunschweig und Emden. Die Fehlzeiten verursachen – wie Markenchef Thomas Schäfer laut Bild-Bericht im vergangenen Jahr bei einer internen Veranstaltung bekannt gab – rund eine Milliarde Euro.

Was auf den ersten Blick nach einer klaren Linie gegen sogenannte „Blaumacher“ aussieht, wirft dennoch ein paar Fragen auf: Ist die hohe Zahl an Kündigungen ein üblicher Vorgang in einem Konzern dieser Größenordnung? Oder werden Kündigungen mittlerweile einfach schneller ausgesprochen, schließlich will der Konzern bis 2030 rund 35.000 Stellen in Deutschland abbauen?  

Zitat

In dieser Gemengelage sehen die vermehrten Kündigungen aus wie ein klares Signal, ganz nach dem Motto: Wer sich nicht an Regeln hält, ist raus.

Zitat

Noch keine öffentliche Reaktion des Betriebsrats 

Bislang gibt es von Seiten der VW-Betriebsräte keine öffentliche Stellungnahme zu den Kündigungen und den Medienberichten. Fakt ist, dass sich Volkswagen bekanntermaßen mitten in einer tiefgreifenden Transformation befindet – strukturell, technologisch und vermutlich auch kulturell. In dieser Gemengelage sehen die vermehrten Kündigungen aus wie ein klares Signal, ganz nach dem Motto: Wer sich nicht an Regeln hält, ist raus. Darauf deutet auch eine schärfere Kommunikation in Bezug auf unentschuldigtes Fernbleiben im VW-Intranet hin, von der die Bild-Zeitung ebenfalls berichtete. 

Was Betriebsräte jetzt wissen sollten

So oder so stehen die VW-Betriebsräte vor einer doppelten Aufgabe: Während es gilt, vertragswidriges Verhalten im Betrieb keineswegs schönzureden, müssen die Rechte der Beschäftigten natürlich in jedem Fall gewahrt bleiben – insbesondere der Schutz vor willkürlichen Kündigungen, Schnellschüssen oder disziplinarischen Pauschalmaßnahmen. Gerade in Zeiten steigender Arbeitsbelastung, psychischer Beanspruchung und wachsender Unsicherheiten ist es umso wichtiger, genau hinzuschauen: Welche Fälle liegen wirklich auf dem Tisch? Wurden Alternativen zur Kündigung geprüft? Gab es ordnungsgemäße Anhörungen? Und: Wurde der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend einbezogen? 

Und was sagt das Recht?

Inwieweit die VW-Kündigungen tatsächlich alle rechtswirksam sind, lässt sich aus der Ferne kaum beurteilen. Sicher ist: Die Anzahl hat für Aufmerksamkeit gesorgt. Deshalb ordnet für uns ifb-Bildungsreferent und Jurist Markus Brandt ein, wie weit ein Arbeitgeber gehen darf, wenn es um unentschuldigtes Fehlen geht. 

Zitat

Dass ein unentschuldigtes Fehlen grundsätzlich zu einer Kündigung führen kann, weiß eigentlich jeder Arbeitnehmer.

Markus Brandt, ifb-Bildungsreferent und Jurist

Zitat

„Für die rechtliche Einordnung ist es wichtig, dass es zwar um viele Fälle geht, aber kein Zusammenhang erkennbar ist. Jede einzelne Kündigung ist daher für sich zu betrachten. Dass ein unentschuldigtes Fehlen grundsätzlich zu einer Kündigung führen kann, weiß eigentlich jeder Arbeitnehmer. Vor allem dann, wenn deshalb schon abgemahnt wurde. Eine solche Abmahnung hat in den meisten Fällen einer verhaltensbedingten Kündigung vorauszugehen, auch wenn je nach Schwere der Verletzung der Arbeitspflicht sogar eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt.
Selbstredend war der zuständige Betriebsrat in allen Fällen zu beteiligen, eine Kündigung ohne Anhörung wäre immer unwirksam. Wahrscheinlich sind bei den genannten Kündigungen einige dabei, die vom Arbeitgeber außerordentlich und hilfsweise ordentlich erklärt wurden. In solchen Fällen ist zu beachten, dass die Anhörung sich auf beide Varianten beziehen muss und dem Betriebsrat alle Reaktionsmöglichkeiten für die jeweilige Kündigungsmöglichkeit offenstehen.“ (tis)

Kontakt zur Redaktion

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Wenden Sie sich gerne direkt an unsere Redaktion. Wir freuen uns über konstruktives Feedback!

redaktion-dbr@ifb.de

Jetzt weiterlesen