„Jetzt ist Feierabend, aber ich vertraue auf die jüngeren Kollegen!“

© Till Breznjak
Stand:  15.12.2025
Lesezeit:  04:30 min
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Ein Betriebsratsvorsitzender und sein Stellvertreter über den Generationenwechsel im Gremium

In diesem Gremium steht ein Generationenwechsel an: Hans-Heinrich Sauer ist seit 1990 im Betriebsrat, seit 1996 dessen Vorsitzender. Nun wird er sich bald in den Ruhestand verabschieden. „Es ist nicht einfach, sich nach so vielen Jahren zurückzuziehen“, sagt er. Gleichzeitig fühle es sich gut an, dass jüngere Kollegen wie sein stellvertretender BRV Till Breznjak bei der kommenden Betriebsratswahl wieder antreten werden. Wir haben mit den beiden über Herausforderungen, Zusammenarbeit und Wünsche für die Zukunft gesprochen. 

Hans, Du hast verraten, dass Du bald in Altersteilzeit gehen wirst. War es das damit in Sachen Betriebsratsamt?

Hans-Heinrich Sauer: Ja, ehrlich gesagt schon. Ich wollte nicht durch eine Wahl ausscheiden, sondern als Betriebsrat in Rente gehen. Und ursprünglich war mein Rentenplan ganz anders, dann kam die Altersteilzeit jedoch wie ein Geschenk geflogen. Alle vor mir haben abgelehnt – und plötzlich rief man mich aus der Personalabteilung an. Das Timing ist perfekt: Ende Februar höre ich auf, ab März ist Ruhephase. Es ist nicht einfach, sich nach so vielen Jahren zurückzuziehen, aber es fühlt sich gut an, dass der Betriebsrat in solchen Händen bleibt. Jetzt ist Feierabend, ich vertraue auf die jüngeren Kollegen wie Till, die das Gremium weiterführen werden.

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Es ist nicht einfach, sich nach so vielen Jahren zurückzuziehen, aber es fühlt sich gut an, dass der Betriebsrat in solchen Händen bleibt.

Hans-Heinrich Sauer

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Das klingt ja fast, als wäre mit Till bereits der Nachfolger als Betriebsratsvorsitzender gefunden?

Till Breznjak: Ich könnte es mir zumindest vorstellen, bloß steht da bekanntlich erstmal noch eine Wahl und im Erfolgsfall eine konstituierende Sitzung an. 
Hans-Heinrich Sauer: Till bringt in jedem Fall alles mit, was es braucht. Er weiß, wo es klemmt und hat Spaß dran, selbst wenn er sich mal ärgern muss.

Wie sieht es bei der kommenden Wahl generell mit Kandidaten aus?

Till Breznjak: Überraschend gut. Wir hatten mal sieben Ersatzmitglieder, dann kamen Kündigungen, das Alter, alles Mögliche, da wurde es am Ende etwas dünn. Deshalb haben wir diesmal bewusst eine Infoveranstaltung für alle vorbereitet, um Fragen ganz offen zu beantworten. Das Feedback dazu war super und wir haben inzwischen jede Menge Interessierte auf der Liste.

Das hört sich vielversprechend an – Du bist also voll motiviert?

Till Breznjak: Ja, klar. Wenn man sich einmal für das Amt des Betriebsrats entscheidet, kann man nur schwer sagen: „Jetzt ducke ich mich weg!“ Zumal wir wahrscheinlich ein paar Neulinge haben werden. Die muss man begleiten und das mache ich gern.

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Wenn man sich einmal für das Amt des Betriebsrats entscheidet, kann man nur schwer sagen: ‚Jetzt ducke ich mich weg!‘

Till Breznjak

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Es gibt viele Themen, mit denen sich Betriebsräte derzeit beschäftigen (müssen) – was sind die größten Herausforderungen bei Euch?

Hans-Heinrich Sauer: Ganz klar die Arbeitszeit und die damit verbundenen Belastungsspitzen. Wir haben einen sehr großen Auftrag, den größten der Firmengeschichte. Aber wenn die Leute dafür knapp sind, muss es eben über die Zeit gelöst werden und das kann für die Kollegen heftig sein. Und wir als Betriebsrat hängen da natürlich voll mit drin. 
Till Breznjak: Hinzu kommt, dass wir uns hier öfter neu strukturieren müssen und flexibel bleiben müssen. Teams ändern sich, Eingruppierungen, Vergütungen – solche Dinge laufen ständig. Dann natürlich die Fachkräftegewinnung und das Thema mobile Arbeit.

Mobile Arbeit steht bei vielen Unternehmen gerade im Fokus …

Hans-Heinrich Sauer: … und bei uns hat das fünf Jahre super funktioniert. Anfang 2025 meinte die Unternehmensleitung dann, es müsse an ein paar Stellschrauben gedreht werden. Da sind wir seit Monaten am Diskutieren, weil die Belegschaft das nicht will – und wir auch nicht. 
Till Breznjak: Für uns als Betriebsrat ist das ein heißes Eisen. Wir alle wissen: Wenn man IT-Leute oder Konstrukteure will, braucht es Flexibilität. Und wenn man die zurückfährt, wird der Arbeitsmarkt nicht leichter.

Was steht sonst noch auf der Agenda des Betriebsrats?

Hans-Heinrich Sauer: Ein großes Thema ist die Reform der Leistungszulagen. Die Zulagen wurden in der Vergangenheit oft genutzt, um Lohnerhöhungen zu verschieben, ohne die Lohngruppe der Mitarbeiter anzupassen. Das hat viele Unklarheiten und Unzufriedenheit verursacht, weil die Leute teilweise nicht wussten, warum sie mehr Geld bekommen – oder eben nicht. Wir wollen das jetzt fairer gestalten, die Leistung transparenter bewerten und das Ganze für alle nachvollziehbar machen. Es ist ein großes Projekt, das sich sicher über Monate hinziehen wird, weil es sehr sensibel und mit einigen Kosten verbunden ist. 

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Wir wollen das jetzt fairer gestalten, die Leistung transparenter bewerten und das Ganze für alle nachvollziehbar machen.

Hans-Heinrich Sauer

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Spielt die Digitalisierung für Euch als Betriebsrat eine große Rolle?

Till Breznjak: Wir sehen sie eher als Chance, aber natürlich hängen Jobs dran. Wir haben jedenfalls keine Angst, dass uns etwa die KI hier im Anlagenbau die Arbeitsplätze wegnimmt. Weiterbildung und Qualifizierung lauten die Schlagwörter. 
Hans Sauer: … und uns hilft extrem, dass wir mit Till jemanden im Gremium haben, der da fit ist. 

An Themen mangelt es Euch also nicht. Wie läuft generell die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung, besonders bei heiklen Themen?

Hans-Heinrich Sauer: Die Zusammenarbeit war früher einmal sehr harmonisch. Man konnte sich auf Augenhöhe begegnen und konstruktiv diskutieren. In den letzten Jahren hat sich das etwas verändert. Heute erleben wir, dass Entscheidungen schon mal ohne Rücksprache mit dem Betriebsrat getroffen werden. Ein Beispiel: In der Konstruktion wurde Mehrarbeit angeordnet, ohne den Betriebsrat einzubinden – obwohl dies nach dem Betriebsverfassungsgesetz zwingend mitbestimmungspflichtig ist. 

Wie geht ihr als Betriebsrat mit der Situation um, wenn es mal knirscht?

Till Breznjak: Viel reden und dranbleiben, allerdings auch klare Kante zeigen. Wenn wir wissen, dass etwas der Mannschaft schadet, dann sagen wir das und haben keinen Angst vor dem Konflikt. Wir wollen aber keineswegs einen Streit um des Streites willen. Vielmehr versuchen wir, Transparenz zu schaffen, sagen deshalb der Belegschaft offen, was momentan läuft. Damit keiner denkt, wir machen hier irgendwas hinter verschlossenen Türen aus. 

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Vielmehr versuchen wir, Transparenz zu schaffen, sagen deshalb der Belegschaft offen, was momentan läuft.

Till Breznjak

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Was sind Eure Wünsche für die Zukunft des Unternehmens und der Belegschaft?

Till Breznjak: Stabilität! Weiter wachsen wäre schön, klar. Aber vor allem: einen verlässlichen Arbeitsplatz für die Leute. Und dafür müssen wir attraktiv bleiben. Tariflich, mit unseren Betriebsvereinbarungen und menschlich.
Hans-Heinrich Sauer: Da stimme ich Till zu. Und wir brauchen ein gutes Gefühl im Unternehmen. Es geht nur mit Vertrauen. Ich hoffe natürlich, dass das Gremium so zusammengesetzt wird, dass es auf dem Niveau weitergeht. Das, was wir erreicht haben, kann sich sehen lassen. Den Standard zu erhalten, ist also schon Aufgabe genug. Ich vertraue da komplett auf die jüngere Generation – das wird funktionieren. (tis) 

Hans-Heinrich Sauer | © Till Breznjak

Hans-Heinrich Sauer

Hans-Heinrich Sauer wurde 1990 in der Babcock BSH AG erstmals in den Betriebsrat gewählt. Er wurde 1996 Betriebsratsvorsitzender, später Konzernbetriebsrat und Aufsichtsrat. Auch nach dem Verkauf des Standortes Bad-Hersfeld an das Familienunternehmen Grenzebach im Jahr 2002 blieb er weiterhin Betriebsratsvorsitzender. Im März 2026 endet nun seine ehrenamtliche Tätigkeit nach 36 Jahren – er geht in die Altersteilzeit.

Till Breznjak | © Till Breznjak

Till Breznjak

Till Breznjak hat 2003 seine Ausbildung zum Technischen Zeichner bei Grenzebach begonnen. Später wechselte er in die Konstruktion und schließlich in die CAD-/IT-Betreuung. „Wenn man in der IT arbeitet, hat man automatisch Kontakt zu extrem vielen Leuten. Das war wahrscheinlich der Punkt, als mein Interesse an der Betriebsratsarbeit begonnen hat“, sagt er. 2018 wurde er erstmals in den Betriebsrat gewählt, seit knapp zwei Jahren ist er stellvertretender Vorsitzender.

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