Was ist das Ziel der Unternehmensmitbestimmung?
Durch verschiedene Mitbestimmungsorgane sollen das Unternehmen geschützt und die Unternehmensentwicklung positiv beeinflusst werden. Ziel ist, Managementfehler und Verstöße gegen bindende Vorschriften zu verhindern. Ein alleiniges Streben nach einer möglichst hohen Kapitalrendite – um jeden Preis – soll vermieden werden. Gleichzeitig gilt es, Risiken und Chancen für das Unternehmen zu erkennen und zukunftsfähige Lösungen zu finden.
Die (moralische) Richtschnur: der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK)
Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist dabei die Richtschnur, an der sich alle Unternehmen in Deutschland messen lassen müssen - also der rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens. In der Präambel des DCGK heißt es: „" Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält Grundsätze, Empfehlungen und Anregungen für den Vorstand und den Aufsichtsrat, die dazu beitragen sollen, dass die Gesellschaft im Unternehmensinteresse geführt wird.”
Der Kodex verdeutlicht die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre und der Belegschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen. "Diese Prinzipien verlangen nicht nur Legalität, sondern auch ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Verhalten (Leitbild des ehrbaren Kaufmanns).“
Der Kodex richtet sich an börsennotierte Gesellschaften und Gesellschaften mit Kapitalmarktzugang im Sinne des § 161 Abs. 1 S. 2 AktG (Aktiengesetz). Aber auch nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften sollen die Empfehlungen und Anregungen des Kodex zur Orientierung dienen.
Wer ist innerhalb einer Gesellschaft wofür zuständig?
Der Aufsichtsrat ist ein Pflichtorgan in Aktiengesellschaften, großen GmbHs und Genossenschaften. Bei weitem nicht alle Gesellschaften haben jedoch einen Aufsichtsrat gebildet. Andere Länder kennen die duale Unternehmensverfassung aus Deutschland nicht. In Gesellschaften mit internationalen Eigentümern oder Verflechtungen besteht daher häufig Aufklärungs- und Überzeugungsbedarf hinsichtlich der Arbeit des Aufsichtsrats. Eine Vereinheitlichung zumindest der europäischen Unternehmensverfassungen ist mittelfristig nicht absehbar.
Abhängig von der Unternehmensgröße ist nach Drittelbeteiligungsgesetz oder Mitbestimmungsgesetz ein Drittel beziehungsweise die Hälfte der Aufsichtsratssitze mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen.
Der Aufsichtsrat überwacht die Geschäftsführung – aber wo fängt man damit an?
Im Aktiengesetz sind die genauen Aufgaben und Zuständigkeiten der Mitglieder des Aufsichtsrats festgelegt. Es beschreibt die Aufgabe des Aufsichtsrats in § 111 Abs. 1 wie folgt: „Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.“ Außerdem werden dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft in Einzelfällen Zuständigkeiten übertragen, z. B. in § 84 AktG die Zuständigkeit zur Bestellung der Vorstandsmitglieder und in § 172 AktG die Feststellung des Jahresabschlusses.
In einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung fallen gemäß § 46 GmbHG beide Vorgänge in die Zuständigkeit der Gesellschafter. Nur wenn die Gesellschaft mit beschränkter Haftung mehr als 2000 Arbeitnehmer zählt und damit dem Mitbestimmungsgesetz unterliegt, gilt nach § 32 MitbestG etwas anderes. Dann werden auch in einer GmbH die Geschäftsführer vom Aufsichtsrat bestellt.
Auswahl des Vorstands als wichtige Aufgabe des Aufsichtsrats
Die Auswahl der Mitglieder des Leitungsorgans ist die wohl wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats. Bei ihrer Erfüllung soll der Aufsichtsrat versuchen, die am besten geeigneten Personen zu finden. Nach Ziffer 5.1.2. des Deutschen Corporate Governance Kodex soll der Aufsichtsrat bei der Zusammensetzung des Vorstands auf die Vielfalt achten und z. B. eine Zielgröße für weibliche Vorstandsmitglieder festlegen. In der Praxis unterbreitet nicht selten der Vorstand dem Aufsichtsrat Vorschläge für die Besetzung freier Vorstandsposten.
Geschäftsverteilungsplan im Leitungsorgan
Die Geschäftsverteilung innerhalb des Vorstandes oder der Geschäftsführung kann der Aufsichtsrat regeln, indem er das spezielle Fachwissen der Mitglieder berücksichtigt. So können einem Mitglied des Leitungsorgans für seinen Zuständigkeitsbereich einzelne Entscheidungskompetenzen vom Aufsichtsrat übertragen werden. Trotz solch einer Ressortaufteilung bleibt der Vorstand ein einheitliches Leitungsorgan und in der Gesamtverantwortung für seine Entscheidungen.
Der Vorstand trägt nicht allein die Verantwortung – zustimmungspflichtige Geschäfte
Nach dem Prinzip der „Gewaltentrennung“ obliegt dem Leitungsorgan (also dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung) die alleinige Verantwortung für die Leitung des Unternehmens. Dieses Prinzip der Alleinverantwortung kann allerdings durchbrochen werden. Der Aufsichtsrat kann zum Beispiel nach § 111 Abs. 4 AktG die Vornahme von Geschäften mit existenzieller Bedeutung für die Gesellschaft von seiner Zustimmung abhängig machen. Das Leitungsorgan darf dann eine solche Grundsatzentscheidung erst umsetzen, wenn der Aufsichtsrat diese zuvor gebilligt hat. Beispiele dafür sind Veränderungen strategischer Ziele, der Verkauf wichtiger Beteiligungen oder ein Personalabbau großen Umfangs. Wichtige Weichenstellungen für das Unternehmen müssen immer zwischen Leitungsorgan und Aufsichtsrat abgestimmt werden.
Informationen und Berichte für den Aufsichtsrat
Neben der Beratung des Leitungsorgans ist es die Aufgabe des Aufsichtsrats dieses zu überwachen. Die Grundlage der Überwachung bilden die in § 90 AktG aufgeführten Berichte des Vorstands und deren Themen. § 90 Abs. 1 AktG gilt dabei auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (über § 1 DrittelbG und § 25 MitbestG jeweils in Verbindung mit § 90 Abs. 3 AktG).
Für seine Überwachungstätigkeit ist der Aufsichtsrat auf die Informationen in den Berichten des Vorstands oder der Geschäftsführung angewiesen. Denn abgesehen von den Arbeitnehmervertretern besteht das Gremium aus Personen, die nicht zum Unternehmen gehören. Die Versuchung ist daher groß, im Bericht an den Aufsichtsrat positive Entwicklungen zu betonen und über negative Tendenzen nur beiläufig zu berichten.
Dieses Ungleichgewicht des Wissenstands können die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat durch eigene Kenntnisse ausgleichen. Sie sind somit für den gesamten Aufsichtsrat eine wichtige Informationsquelle. Nur sie können aufgrund ihres Wissens aus der Arbeit, z. B. im Betriebsrat oder Wirtschaftsausschuss, gezielt ergänzende Informationsanfragen nach § 90 Abs. 3 AktG an das Leitungsorgan richten.
Betriebswirtschaftliches Wissen erforderlich
Neben der in die Vergangenheit gerichteten Überwachung gemäß § 90 AktG muss der Aufsichtsrat auch die künftigen Risiken und Entwicklungen im Auge behalten. Die Unterstützung durch den Abschlussprüfer in der Aktiengesellschaft hilft hierbei. Ferner ist die Bilanzsitzung des Aufsichtsrats ein geeigneter Rahmen, um die Überwachungsfunktion auszuüben. Moderne Kennzahlensysteme und Benchmarking sind ein weiterer Schritt, um Risiken zu minimieren und die Finanzlage des Unternehmens richtig einzuschätzen.
Der Aufsichtsrat und sein Einfluss auf Personalpolitik
Das Leitungsorgan muss dem Aufsichtsrat insbesondere über die Personalpolitik in Form der Personalplanung berichten (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Dazu gehören z .B. die Felder der Personalbedarfsplanung und Personalentwicklungsplanung, die nach § 92 BetrVG mit dem Betriebsrat behandelt werden müssen.
Der Aufsichtsrat muss zunächst nur die Plausibilität der in den Berichten aufgeführten Daten und Bewertungen prüfen. Dabei ist u. a. auf die Rechtmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Vorhaben zu achten. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sollten dabei natürlich besonders die Auswirkungen etwaiger Vorhaben auf die Mitarbeiter im Blick haben.
Vorstandsvergütung
In die Zuständigkeit des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit mehr als 2000 Arbeitnehmern fällt auch die Festsetzung der Bezüge der Vorstände und Geschäftsführer. Damit befassen sich der Grundsatz 23 und die Empfehlungen G.1 bis G.16 des Deutschen Corporate Governance Kodex. Mit einer attraktiven Höhe, Struktur und Ausgestaltung der Vergütung verfolgen die Unternehmen das Ziel, möglichst hoch qualifizierte Manager zu gewinnen, zu Leistungsanstrengungen zu motivieren und an sich zu binden. Der Aufsichtsrat muss dabei unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips auf die Vertretbarkeit der Kosten achten.
Organisation der Aufsichtsratsarbeit
Wie wird die Arbeit und Aufgabenverteilung im Aufsichtsrat organisiert? Hinweise und Vorschläge dazu gibt unter anderem der Deutsche Corporate Governance Kodex Hinweise und Vorschläge.
Der Aufsichtsrat bildet eines von drei Organen der Gesellschaft. Das Leitungsorgan (Vorstand/Geschäftsführung) kann aus einer Person bestehen. Ebenso kann die Gesellschafterversammlung und theoretisch auch die Hauptversammlung aus einer Person bestehen, wenn die Anteile (Aktien/GmbH-Anteile) alle in einer Hand liegen. Einer Geschäftsordnung bedarf es dann nicht.
Einem Aufsichtsrat gehören hingegen immer mehrere Personen an. Es handelt sich um ein mehrköpfiges Gremium. Deshalb empfiehlt der DCGK in D.1 dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, eine Geschäftsordnung für sich zu beschließen. In seiner Präambel legt der Kodex deren Erlass auch den nicht börsennotierten Gesellschaften nahe. Zu diesen Gesellschaften gehören insbesondere die Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats
Der mögliche Inhalt einer Geschäftsordnung ist manchem Aufsichtsratsmitglied aus der Betriebsratsarbeit bekannt. Es handelt sich um Fragen der Organisation der eigenen Arbeit, z. B. zur Bestellung und zu den Befugnissen eines Vorsitzenden, der Bildung und den Aufgaben von Ausschüssen, der Beschlussfassung und der Sitzungsniederschrift.
Beachten müssen Sie dabei, dass verschiedene Quellen bereits Vorgaben für die Arbeit des Aufsichtsrats enthalten. So regelt z. B. § 107 Absatz 2 AktG wesentliche Punkte zu Form und Inhalt der Sitzungsniederschrift, die bindend sind. In der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag kann auch schon geregelt sein, dass bestimmte Geschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Dann kann der Aufsichtsrat solche für ihn bindende Vorgaben in seiner Geschäftsordnung nicht ändern (§ 77 Abs. 2 Satz 2 AktG in entsprechender Anwendung). Er kann diese aber ergänzen und z. B. weitere zustimmungspflichtige Geschäfte benennen.
In der Praxis sollten sowohl die gesetzlich vorgesehenen Bestimmungen als auch satzungsmäßige Vorgaben in die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats eingearbeitet werden. Nur so ergibt sich für das einzelne Aufsichtsratsmitglied aus der Geschäftsordnung ein vollständiges Bild aller geltenden Regelungen. Diese Praxis folgt dem „Prinzip der Vollständigkeit“.
Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats wird im Geltungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes unabänderlich mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen, ergänzt oder geändert. Dabei kann der Vorsitzende des Aufsichtsrats unter der Voraussetzung des § 29 Abs. 2 MitbestG seine Zweitstimme einsetzen. In Gesellschaften mit weniger als 2000 Arbeitnehmern kann die Satzung vorsehen, dass der Erlass der Geschäftsordnung einer qualifizierten Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrats bedarf. Der Aufsichtsrat sollte die Praxistauglichkeit der Bestimmungen seiner Geschäftsordnung regelmäßig prüfen (Ziffer 5.6 des Deutschen Corporate Governance Kodex).
Aufgaben des Aufsichtsratsvorsitzenden
Der Aufsichtsrat muss einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden wählen. Für Gesellschaften mit mehr als 2000 Arbeitnehmern enthalten § 27 und § 29 Abs. 2 MitbestG dazu zwingende Sondervorschriften. In den übrigen Gesellschaften kann die Satzung Vorgaben zum Wahlverfahren und den erforderlichen Mehrheiten enthalten. Grundsätzlich gilt das Prinzip der einfachen Mehrheit. Wie bei der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden kann der Kandidat selbst an der Abstimmung teilnehmen.
Zu den Aufgaben des Vorsitzenden gehören aufsichtsratsinterne Angelegenheiten. Dazu zählen die Vorbereitung, Einberufung und Durchführung der Sitzungen des Aufsichtsrats. Der Vorsitzende darf eine Sitzung auch aufheben oder verlegen oder die Tagesordnung ändern. Ein Mehrheitsbeschluss des Aufsichtsratsgremiums hat jedoch immer Vorrang vor der Entscheidung des Vorsitzenden, z. B. wenn die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte geändert werden soll. Die Funktion ist mit der Stellung des Vorsitzenden in einem Betriebsratsgremium vergleichbar.
Weitere Aufgaben des Vorsitzenden bestehen im Kontakt zu den anderen Organen der Gesellschaft, z. B. dem Vorstand/den Geschäftsführern; oder der Abgabe von Erklärungen in der Hauptversammlung. Immer gilt jedoch, dass der Aufsichtsrat ein reines Innenorgan der Gesellschaft ist. Nach außen wird die Gesellschaft nur durch den Vorstand oder die Geschäftsführung vertreten, nicht jedoch durch den Aufsichtsratsvorsitzenden.
Ausschüsse des Aufsichtsrats
Um die Gremienarbeit möglichst effektiv zu gestalten, empfehlt der Deutsche Corporate Governance Kodex die Bildung von Ausschüssen im Aufsichtsrat (Ziffern D.2 bis D.5 des DCGK). Diesen sollen, wie auch in der Betriebsratsarbeit üblich, bestimmte Aufgaben übertragen werden. Einem Ausschuss können auch Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden, solange dabei die Grenzen des § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG beachtet werden. In der Praxis ist am häufigsten der Präsidialausschuss anzutreffen. Dieser bereitet die Auswahl der Vorstandsmitglieder vor und handelt deren Vertragsbedingungen aus.
Fehler und Haftung vermeiden: Aus- und Fortbildung für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat
Angesichts des Umfangs der Aufgaben und Zuständigkeiten des Aufsichtsrats sind der Grundsatz 18 und die Empfehlung D.12 des Deutschen Corporate Governance Kodex verständlich. Danach müssen die Mitglieder des Aufsichtsrats die für ihre Aufgaben erforderlichen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen eigenverantwortlich wahrnehmen. Dabei sollen sie von der Gesellschaft angemessen unterstützt werden. Die dazu durchgeführten Maßnahmen sollen in den Bericht des Aufsichtsrats aufgenommen werden.