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Arbeitszeitbetrug! Kündigung eines Betriebsrats?

Arbeitsgericht Lüneburg ersetzt Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden von Amazon

Arbeitszeitbetrug ist kein Zuckerschlecken, so viel ist klar. Was aber, wenn einem freigestellten Betriebsratsmitglied vorgeworfen wird, in seinem Arbeitszeitnachweis bewusst falsche Angaben gemacht zu haben? Genau das ist beim Logistikkonzern Amazon in Winsen/Luhe passiert. Beim Arbeitsgericht Lüneburg beantragte das Unternehmen die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden. Der Klage wurde jetzt stattgegeben.

Stand:  11.4.2023
Lesezeit:  04:00 min
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Arbeitszeitbetrug! Kündigung eines Betriebsrats? | © AdobeStock | Elnur

Amazon kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus: Immer wieder versucht das Unternehmen laut Ver.di, Betriebsräte loszuwerden. Aktuell läuft beispielsweise eine Petition für Samuel, einen Amazon-Betriebsrat in Wunstorf, dessen Vertrag nicht verlängert wurde. Wegen seiner BR-Tätigkeit? Knapp 28.000 Unterschriften wurden bislang gesammelt. Amazon weist die Vorwürfe zurück, das Unternehmen lege Wert auf ein respektvolles Verhalten.

Nun steht ein anderer Betriebsrat im Fokus. Der Versandhändler hat vor dem Arbeitsgericht Lüneburg die Erlaubnis zur fristlosen Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden des Logistikzentrums Winsen (Luhe) erwirkt. Was war passiert?

Private Angelegenheiten oder Betriebsratsarbeit?

17 Betriebsräte gibt es am Standort Winsen, wo Amazon mit einer 60.000-Quadratmeter-Halle sein größte Logistikzentrum im Norden betreibt. Rund 2.000 Menschen arbeiten hier, einen Betriebsrat gibt es seit 2018.

Im Jahr 2022 besuchte der Betriebsratsvorsitzende gemeinsam mit drei weiteren Betriebsratsmitgliedern den „Deutschen Betriebsrätetag“ in Bonn. Die Reise- und Hotelkosten trug der Arbeitgeber. Dieser wirft ihm nun vor, die Veranstaltung nur an einem Tag besucht zu haben und ansonsten „ausschließlich privaten Angelegenheiten“ nachgegangen zu sein. In seinem Arbeitszeitnachweis gab der Betriebsratsvorsitzende unter anderem an, er habe im Zeitraum Betriebsratsarbeit geleistet.

Der Betriebsratsvorsitzende selbst räumte zwar ein, den Betriebsrätetag aus privaten Gründen verlassen zu haben. Aber: Er habe während der von ihm angegebenen Zeiten anderweitige Betriebsratstätigkeiten ausgeführt.

Der Arbeitgeber erhielt vom Betriebsratsgremium keine Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Vorsitzenden. Vor dem Arbeitsgericht Lüneburg wollte der Arbeitgeber nun die Ersetzung der Zustimmung erreichen – mit Erfolg.

Das sagt das Gericht

Laut Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Lüneburg (Beschluss vom 05.04.2023, 2 BV 6/22) liegt in diesem Fall ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung vor. Der BRV habe den Betriebsrätetag eigenmächtig verlassen und bis zum Schluss nicht mehr daran teilgenommen. Bereits hierin liege ein schwerwiegender Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Darüber hinaus besteht nach Überzeugung der Kammer zumindest der dringende Verdacht, „dass der Betriebsratsvorsitzende in seinem Arbeitszeitnachweis für den 9.11.2022 bewusst falsche Angaben gemacht hat. Die vom Betriebsratsvorsitzenden abgegebene Begründung, anderweitige Betriebsratsarbeit geleistet zu haben, hielt die Kammer nicht für glaubhaft. Sie steht auch im Widerspruch zu Erklärungen, die der Betriebsratsvorsitzende nach der Rückkehr gegenüber anderen mitgereisten Betriebsratsmitgliedern abgegeben hatte“.

Aufgeben ist keine Option!

Betriebsräte sind doch unkündbar, oder nicht?

„Betriebsräte sind unkündbar“, liest man immer wieder. Das stimmt so nicht ganz – die außerordentliche Kündigung ist grundsätzlich möglich, sofern der Betriebsrat zustimmt. Tut er das nicht, kann der Arbeitgeber gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG eine sogenannte Zustimmungsersetzung beantragen.

Weil das Arbeitsgericht Lüneburg nun eben diese Zustimmung ersetzt hat, ist Amazon einen Schritt weiter, die außerordentliche Kündigung auszusprechen. „Das eigenmächtige vorzeitige Verlassen des Betriebsrätetages, um privaten Interessen nachzugehen, in der Zusammenschau mit dem Verdacht einer versuchten Täuschung über stattdessen geleistete Betriebsratstätigkeit ist geeignet, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers tiefgreifend zu erschüttern. Ein solches Verhalten rechtfertigt den Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung“, so das Arbeitsgericht.

Und wie geht es jetzt weiter?

Die schriftlichen Entscheidungsgründe sind in diesem Fall noch nicht bekannt; auch nicht, wie es weitergeht – wir werden berichten. Kündigen kann Amazon erst, wenn der Beschluss aus Lüneburg (also die Zustimmungsersetzung) rechtskräftig ist. Bei Twitter liest man zu dem Fall: „Aufgeben ist keine Option!“

Betriebsräte sind gut beraten, beim Thema Arbeitszeit eine besonders große Sorgfalt walten zu lassen.

Wichtig zu wissen: Das Thema Arbeitszeitbetrug landet immer wieder vor den Arbeitsgerichten. So hat 2022 das Arbeitsgericht Gera in einem Fall entschieden, in dem es um die unterlassene Korrektur eines Arbeitszeitnachweises einer Betriebsrätin ging (Arbeitsgericht Gera, Entscheidung vom 08.03.2022, 3 BV 7/21). Damals kam die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag auf Zustimmungsersetzung nicht durch. Das Gericht war davon überzeugt, dass die Mitarbeiterin die Korrektur nicht mit der Absicht unterlassen habe, die Arbeitgeberin über ihre Arbeitszeit zu täuschen. Dreh- und Angelpunkt ist also die Täuschungsabsicht.

Fakt ist: Betriebsräte sind gut beraten, beim Thema Arbeitszeit eine besonders große Sorgfalt walten zu lassen. (cbo)

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