Bei der vom Betriebsrat außerordentlich einberufenen Betriebsversammlung im Januar hatte sich ein noch düstereres Szenario abgezeichnet. Bereits da war von einem Kahlschlag in der Produktentwicklung und weiterem erheblichen Stellenabbau in den Verwaltungsbereichen die Rede. Weil die Geschäftsleitung schwieg und zu diesem Zeitpunkt klare Aussagen verweigerte, wurde von vielen das Allerschlimmste befürchtet. Und das hätte bis zu 3.200 Beschäftigten den Job kosten können.
3.800 Stellen werden in Europa abgebaut
Der massive Stellenabbau sei laut Unternehmen im Zuge der Umstellung auf Elektromobilität nötig. Auch in anderen Ländern wird Personal reduziert, insgesamt sollen 3.800 Stellen in Europa betroffen sein. In Großbritannien etwa fallen 1.000 Jobs in der Produktentwicklung und 300 in der Verwaltung weg. Die Ford-Geschäftsleitung spricht von einem notwendigen Schritt, um wettbewerbsfähige Kosten zu erreichen und den „Weg in eine nachhaltig profitable Zukunft zu ebnen“, so Deutschland-Chef Martin Sander laut dpa. Ford setzte relativ spät auf Elektromobilität, nichtsdestotrotz sollen in diesem Jahr die ersten in Europa hergestellten reinen Ford-Elektroautos in Köln produziert werden.
Immerhin konnten wir jetzt 900 gute, qualifizierte Arbeitsplätze und wichtige Kompetenzen für die Zukunft unserer Produktentwicklung sichern.
Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Ford-Gesamtbetriebsrats
Besonders die Produktentwicklung betroffen
Am Dienstag, 14. Februar 2023, wurde die Belegschaft nun also vom Betriebsrat über die Ergebnisse der Verhandlungen zu „Ford Future“, der Zukunft von Ford in Köln und in Deutschland, informiert. Und die lauten: Von den rund 3.600 Beschäftigten in der deutschen Produktenwicklung wird in den kommenden drei Jahren knapp die Hälfte – 1.700 Mitarbeiter – das Unternehmen verlassen. Hinzu kommen etwa 600 Beschäftigte in den Verwaltungsbereichen, deren Positionen gestrichen werden. Dahinter stecken jede Menge Einzelschicksale, und doch können die Verhandlungen als Erfolg für den Betriebsrat gesehen werden, denn: Bis zum 31. Dezember 2032 sind betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland ausgeschlossen! Damit haben Tausende Beschäftigte und ihre Familien des größten Arbeitgebers der Stadt Köln zumindest Planungssicherheit. „Wir hätten gerne noch mehr Arbeitsplätze in unserer Produktentwicklung gesichert, denn sie steht am Anfang der Wertschöpfungskette“, sagt Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. „Immerhin konnten wir jetzt 900 gute, qualifizierte Arbeitsplätze und wichtige Kompetenzen für die Zukunft unserer Produktentwicklung sichern, die in der ursprünglichen Planung des Unternehmens weggefallen wären.“
Lange Verhandlungen seit Anfang Februar
Dem Ford-Betriebsrat zufolge wurden die Verhandlungen seit dem 1. Februar geführt und dauerten mehr als 60 Stunden. Dabei gab es wohl weitere Zusagen für die Produktentwicklung. Es soll weiter möglich sein, trotz der Zentralisierung der Entwicklung in den USA, komplette Fahrzeuge zu entwickeln und Aufgaben im Bereich globaler Hard- und Software zu übernehmen. Weil amerikanischen Entwicklern häufig das Know-how über Besonderheiten des europäischen Absatzmarktes fehle, liegt genau darauf zukünftig der Schwerpunkt in Köln.
Wir schauen jetzt zuversichtlich in die Zukunft.
Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Ford-Gesamtbetriebsrats
Benjamin Gruschka in einer Pressemitteilung des Betriebsrats: „Wir glauben an unseren Standort, wir glauben an unsere Marke, wir wissen, was wir können, wir stehen für Qualität. Im Oktober beginnen wir mit der Produktion des ersten vollelektrischen Ford aus unserem ‚Cologne Electrification Center‘. Das werden tolle Autos, die unsere Kundinnen und Kunden begeistern werden. Wir schauen jetzt zuversichtlich in die Zukunft.“ Der Personalabbau soll in jedem Fall sozialverträglich umgesetzt werden, also mit möglichst überschaubaren wirtschaftlichen Nachteilen für die Betroffenen. (tis)