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Grillfleisch mitgenommen: Abmahnung entbehrlich?

Verletzt ein Arbeitnehmer rechtswidrig das Eigentum oder das Vermögen seines Arbeitgebers, stellt dies in der Regel einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Hierbei ist der Sachwert des verletzten Rechtsguts unerheblich. Liegt jedoch eine unklare Weisungslage vor, nach der der Arbeitnehmer von der Rechtmäßigkeit seiner Handlung ausgehen durfte, ist die Abmahnung nicht entbehrlich.

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 04.11.2022, 10 Sa 778/22

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Redaktion
Stand:  31.1.2023
Lesezeit:  02:45 min
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Das ist passiert

Arbeitnehmer und Arbeitgeberin streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen, das Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im medizinischen Bereich anbietet, in welchem der Arbeitnehmer seit 2017 im Sekretariat tätig ist.
Der Arbeitnehmer befindet sich derzeit in einem Adoptionsverfahren im Bezug auf zwei Kinder, welche schon längere Zeit bei ihm wohnen.
Im September 2021 veranstaltete die Arbeitgeberin eine Examensfeier, zu welcher sie Grillgut im Wert von 200 Euro kaufte. Nach der Feier blieben zwei eingeschweißte Packungen Grillgut im Wert von jeweils ca. 20 Euro im Kühlschrank der Arbeitgeberin übrig. Drei Tage später nahm der Arbeitnehmer das Fleisch nach Rücksprache mit Kollegen zur Eigenverwertung mit nach Haus, wo er es einfror.
Nachdem die Arbeitgeberin von dem Vorfall erfuhr, brachte der Arbeitnehmer das Fleisch umgehend zurück. Infolgedessen wurde der Arbeitnehmer zunächst bis Ende des Monats von der Arbeit freigestellt. 
Mit Schreiben vom 30. September 2021 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich bis zum 31. Oktober 2021. Hiergegen wehrt sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage.
Das Amtsgericht Frankfurt am Main stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 31. Oktober beendet worden ist. Ein außerordentlicher Kündigungsgrund läge nicht vor. Die Arbeitgeberin legte Berufung ein. Sie ist der Ansicht, dass eine Abmahnung im vorliegenden Fall entbehrlich gewesen sei. 
 

Das entschied das Gericht

Die Berufung der Arbeitgeberin hatte keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Hessen folgt im Ergebnis und der Begründung den Ausführungen der Vorinstanz.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machen. Hierbei werden alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und die gegenseitigen Interessen abgewogen. 
Eigentums- und Vermögensdelikte von Arbeitnehmern zulasten des Arbeitgebers stellen in der Regel einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Hierdurch verletzt der Arbeitnehmer die Pflicht der Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers, was einen schweren Vertrauensmissbrauch darstellt.
Der Wert der entwendeten Sache spielt dabei keine Rolle.
Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, ob ein milderes Mittel, wie insbesondere eine Abmahnung oder eine fristgerechte Kündigung, zumutbar war.
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung wird eine Abmahnung regelmäßig vorausgesetzt. Hiervon gibt es zwei Ausnahmen: Entweder es liegen Umstände vor, die eine Verhaltensänderung nach einer Abmahnung nicht zu erwarten lassen oder es liegt eine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber unzumutbar wäre.
Beides ist vorliegend nicht gegeben. Nachdem der Arbeitnehmer auf den Verbleib des Grillguts angesprochen wurde, räumte er sein Verhalten umgehend ein und brachte das Grillgut zurück. Außerdem handelte es sich hierbei um einen einmaligen Verstoß. Demnach spricht alles dafür, dass der Arbeitnehmer das abgemahnte Verhalten unterlassen würde.    
Außerdem wurde durch den einmaligen Verstoß das Vertrauensverhältnis nicht derart zerstört, dass die Hinnahme durch den Arbeitgeber unzumutbar wurde.
Hierbei spricht für den Arbeitnehmer, dass er nicht heimlich vorgegangen ist, sondern sich vorher mit seinen Kollegen abgesprochen hatte. Da es im Betrieb üblich gewesen sei, zubereitete Speisen, die nicht lange haltbar sind, mit nach Hause zu nehmen, erschien es dem Gericht plausibel, dass der Kläger glaubte, keine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis zu begehen.
Der Umstand, dass sich eine außerordentliche Kündigung negativ auf das Adoptionsverfahren des Arbeitnehmers auswirken könnte, kann zu seinen Gunsten in die Interessenabwägung eingebunden werden - obwohl es nur seine Privatsphäre betrifft. Dem komme allerdings nur ein geringfügiges Gewicht zu, so das Gericht, und hatte vorliegend keinen Einfluss auf die Interessenabwägung.

Hinweise für die Praxis

Wenn Sie jetzt denken: "Welchen Wert haben denn schon ein oder zwei Stücke Grillgut?" - dann sollten Sie eines bedenken:  Nach der ständigen Rechtsprechung des  Bundesarbeitsgerichts gilt, dass auch die Entwendung einer geringwertigen Sache einen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen kann. Gleiches trifft zu, wenn Lebensmittel konsumiert werden und wenn Schrott oder abgeschriebene Ware entwendet werden. Im vorliegenden Fall lag die Besonderheit in einer unklaren Weisungslage bezüglich der Mitnahme von übrig gebliebenen Speisen. (nw)

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