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Kritik am Arbeitgeber: Meinungsäußerung oder Schmähkritik?

Auch eine überhöhte und überspitzt formulierte Kritik am Arbeitgeber fällt grundsätzlich unter das Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Eine kündigungsrelevante Schmähkritik liegt nur dann vor, wenn allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, und ein Sachbezug fehlt.

Stand:  26.5.2020
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Das ist passiert:

Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin seit September 2001 als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Immer wieder sah sie sich durch ihre Vorgesetzten wegen ihres Geschlechts und ihrer afghanischen Herkunft diskriminiert. Im September 2008 schrieb sie in einer E-Mail an den damaligen Vorstandsvorsitzenden u.a., dass seit einigen Jahren „Guerilla-Aktionen" gegen sie geführt werden und eine „himmelschreiende Ausländer- und Frauenfeindlichkeit" herrsche. Sie drohte indirekt, die „amerikanische Presse" oder die „Oprah-Winfrey-Show" zu informieren und nannte ihren Chef einen „unterbelichteten Frauen- und Ausländerhasser". Im Februar 2009 schrieb sie u.a., dass sie unter Männerherrschaft leide und verlangte, nicht mehr mit ihrem bisherigen Vorgesetzten zusammenarbeiten zu müssen. Sie verglich ihr Leiden mit dem der Juden in Deutschland und die Vorgänge im Unternehmen mit dem Kinofilm „Der Pate". Im März 2009 warf die Arbeitnehmerin ihrem direkten Vorgesetzten in einer E-Mail u.a. Mobbing und unberechtigte Kritik vor. Die Mail versandte sie auch an zwölf weitere Mitarbeiter.

Die Arbeitgeberin verlangte von der Arbeitnehmerin, die Behauptungen zurückzunehmen, sich zu entschuldigen und derlei Äußerungen künftig zu unterlassen. Die Arbeitnehmerin gab zwar zu, dass ihre Äußerungen ein wenig „zu scharf" waren, entschuldigte sich aber nicht. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis am 24. April 2009, nachdem sie den Betriebsrat angehört hatte.

Das entschied das Gericht:

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte die Kündigung als rechtmäßig angesehen, weil es die Äußerungen der Arbeitnehmerin als Schmähkritik gewertet hatte. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) lehnte diese Sichtweise jedoch ab. Grundsätzlich könne zwar bei einer groben Beleidigung des Arbeitgebers, seiner Vertreter oder von Arbeitskollegen ein Kündigungsgrund vorliegen, wenn die Beleidigung eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeute. Unternehmensöffentliche Kritik am Arbeitgeber oder an Vorgesetzten sei aber legitim, selbst bei überspitzten Äußerungen.

Im vorliegenden Fall sei es der Arbeitnehmerin im Kern nicht um die Diffamierung ihres Vorgesetzten gegangen, sondern um die Thematisierung der behaupteten Geschehnisse. Das gelte auch für die Vergleiche mit dem Leid der Juden und dem Film „Der Pate". Sie habe damit das Verhalten ihres Vorgesetzten bewertet, das sie als demütigend empfand. Die Arbeitnehmerin habe sich zwar völlig überhöht und maßlos geäußert, sie habe damit aber eine Reaktion auf die Situation herbeiführen wollen. Solche Werturteile seien auch im Arbeitsverhältnis vom Schutzbereich der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) erfasst. Wesentliches Merkmal einer Schmähung sei dagegen eine persönliche Kränkung, die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund dränge. Um Schmähkritik handele es sich nur dann, wenn allein die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe und ein Sachbezug fehle. Das sei hier nicht der Fall gewesen.

Ein Kündigungsgrund – evtl. sogar für eine fristlose Kündigung – könne aber evtl. in der Drohung der Arbeitnehmerin liegen, die „amerikanische Presse" und die „Oprah-Winfrey-Show" zu informieren. Darin könne ein erheblicher Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme liegen. Das BAG verwies die Sache daher an das LAG zurück.

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