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Wie weit geht die Verschwiegenheitspflicht eines Arbeitnehmers?

Als Arbeitnehmer Geschäftsgeheimnisse ausplaudern? Das müssen Arbeitgeber zurecht nicht dulden! Doch nicht alle betriebsinternen Vorgänge sind automatisch Geschäftsgeheimnisse und nicht alle Vertragsklauseln, die den Arbeitnehmer zum Stillschweigen verpflichten, führen zu einer Geheimhaltungspflicht. Eine sogenannte Catch-all-Klausel benachteiligt Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. Oktober 2024, 8 AZR 172/23 

Stand:  28.1.2025
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Das ist passiert

Die Arbeitgeberin streitet mit dem ehemaligen Arbeitnehmer über die Untersagung der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen.

Die Arbeitgeberin ist Herstellerin von Füllmaschinen für Lebensmittel und Getränke sowie des dazu passenden Verpackungsmaterials. Im Hinblick auf spezifische Verpackungsmäntel (sog. Sleeves) konnten Konkurrenzunternehmen vergleichbare Produkte bislang nicht in der entsprechenden Dimension auf den Markt bringen. 

Der Arbeitnehmer war maßgeblich an der Weiterentwicklung von Produkten beteiligt und stand in engem Austausch mit Mitarbeitern aus dem Bereich Forschung und Entwicklung. Zuletzt war er als Central Technology Manager tätig. Sein Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

„Herr D wird über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft Stillschweigen bewahren. Er wird dafür Sorge tragen, dass Dritte nicht unbefugt Kenntnis erlangen. Die Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus und umfasst auch die Inhalte dieses Vertrages.“

Der Arbeitnehmer kündigte sein Arbeitsverhältnis und wechselte zum Hauptkunden der Arbeitgeberin. Dort ist er als Global Technology Manager tätig.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfuhr die Arbeitgeberin, dass der Arbeitnehmer noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses unter einem Pseudonym verschiedene E-Mails mit Anlagen an die Gesellschafter eines damals potentiell konkurrierenden Unternehmens versandt hatte. Die Anlagen zu den E-Mails enthielten unter anderem spezifische Leistungsdaten und Prozessparameter von Maschinen sowie Geometrie- und Toleranzdaten der Sleeves. 

Die Arbeitgeberin mahnte den Arbeitnehmer ab. Die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung verweigerte der Arbeitnehmer. Im Klageweg vertritt die Arbeitgeberin die Auffassung, sie habe einen Unterlassungsanspruch. Der Arbeitnehmer habe durch den Versand der E-Mails unter anderem in gravierendem Maß gegen seine arbeitsvertragliche Geheimhaltungsverpflichtung verstoßen.

Das entschied das Gericht

Die Arbeitgeberin hat keinen Anspruch auf die begehrte Unterlassung, so das Gericht. 

Zunächst stellte das Gericht fest, dass sich das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs nach § 6 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) beurteile. Das im April 2019 in Kraft getretene GeschGehG habe insoweit ohne eine Übergangsregelung die §§ 17 bis 19 UWG aF abgelöst.

Im vorliegenden Fall könne die Arbeitgeberin die streitgegenständliche Unterlassung jedoch nicht nach § 6 Satz 1 GeschGehG verlangen. Die Arbeitgeberin sei keine Inhaberin eines Geschäftsgeheimnisses in diesem Sinne, denn bei den fraglichen technischen Daten handle es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse nach § 2 Nr. 1 GeschGehG.

Es könne dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Daten als Informationen im Sinne des Gesetzes anzusehen seien. Ausgehend vom Vortrag der Arbeitgeberin fehle es nämlich an den erforderlichen „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG.

Im Weiteren könne ein Anspruch auf Unterlassung auch nicht auf die Geheimhaltungsklausel im Arbeitsvertrag gestützt werden. Die über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus uneingeschränkte Geheimhaltungsverpflichtung sei unwirksam.

Es handele sich um eine sogenannte Catch-all-Klausel, die uneingeschränkt und unendlich zur Verschwiegenheit verpflichten solle. Das benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Unabhängig davon, ob die Klausel im Arbeitsvertrag für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden sei, oder ob es sich jedenfalls um eine sogenannte Einmalbedingung im Sinne der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften handle, unterliege sie den Auslegungsmaßstäben für Allgemeine Geschäftsbedingungen und einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. 

Die Klausel sei ihrem klaren Wortlaut nach als eine umfassende Stillschweigensverpflichtung bezüglich aller internen Vorgänge zu verstehen. Sie beziehe sich sowohl auf „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ als auch auf „alle sonstigen … im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft“ und sehe in Satz 3 eine zeitlich unbegrenzte Erstreckung der Geheimhaltungspflicht auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus vor.

Dies benachteilige den betroffenen Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 BGB.

Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht könne sich bei überwiegendem Interesse des Arbeitgebers am Schweigen des Arbeitnehmers allenfalls auf einzelne, konkret bestimmte Geschäftsgeheimnisse beziehen. Eine umfassende Stillschweigensverpflichtung, wie sie hier vorliege, schränke demgegenüber die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers übermäßig ein und stehe in Widerspruch zum gesetzlichen Konzept des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nach §§ 74 ff. HGB.

Würde – wie vorliegend – kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Sinne des §§ 74 ff. HGB vereinbart, sei der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, dem Arbeitgeber keinen Wettbewerb zu machen. Im Rahmen einer neuen Tätigkeit dürfe er sein im vorherigen Arbeitsverhältnis erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen einsetzen und in den Kundenkreis des Arbeitgebers eindringen.

Die hier zu beurteilende Klausel sei außerordentlich weit gefasst und würde bei ihrer Wirksamkeit einem ehemaligen Arbeitnehmer die Nutzung seines Wissens bei einem neuen Arbeitgeber in adäquater Position faktisch untersagen. Gleiches gelte bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Die Klausel käme damit ohne jede zeitliche Beschränkung einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot gleich. Dies berücksichtigt die Interessen des Arbeitnehmers in keiner Weise. Hätte die Arbeitgeberin eine Verwertung von Wissen (zeitlich befristet) verhindern wollen, hätte sie ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach §§ 74 ff. HGB vereinbaren und eine Karenzentschädigung zahlen müssen. 

Ein Unterlassungsanspruch könne auch nicht aus der gesetzlich normierten Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB abgeleitet werden, so das Gericht.

Praxishinweis

Wie aus der Entscheidung zu entnehmen ist, kann sich eine Verschwiegenheitsverpflichtung für Arbeitnehmer aus verschiedenen Vorschriften ergeben. Arbeitnehmervertreter haben darüber hinaus noch eine weitere Regelung zu beachten. Nach § 79 Abs. 1 S. 1 BetrVG (Geheimhaltungspflicht) sind die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten. Diese Verpflichtung gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat. Über § 79 Abs. 2 BetrVG wird Verschwiegenheitspflicht auch auf andere Arbeitnehmervertretungen, wie zum Beispiel den Wirtschaftsausschuss, ausgedehnt. Betriebsräte sollten diese Vorschrift gut im Blick behalten. Allerdings behaupten Arbeitgeber auch einfach gerne mal, dass der Betriebsrat in einer bestimmten Angelegenheit gegenüber der Belegschaft absolutes Stillschweigen zu wahren habe, weil es um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis gehe. Der Betriebsrat sollte diese Aussage in jedem Einzelfall selbst hinterfragen, denn die Belegschaft hat in weiten Teilen ein Recht darauf zu erfahren, mit welchen Themen sich der Betriebsrat gerade befasst. Es gilt der Grundsatz: Ein Betriebsrat ist kein Geheimrat! (sf) 

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