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Gefährdungsbeurteilung

Gefährdungsbeurteilung

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Redaktion
Stand:  27.10.2025
Lesezeit:  03:00 min

Kurz erklärt

Eine Gefährdungsbeurteilung betrifft ein Verfahren zur Erkennung und Beurteilung möglicher Gefährdungen der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz. Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung liefert die Grundlage für Abhilfemaßnahmen. Die Beurteilung ist gesetzlich vorgeschrieben.

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Begriff

Die Gefährdungsermittlung und -beurteilung bildet ein zentrales Element des technischen Arbeitsschutzes. Sie erfolgt zum Zweck des Erkennens und Bewertens von unfallträchtigen und gesundheitsgefährdenden Zuständen an den Arbeitsplätzen.
(BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06 in NZA 2009,102 Rn. 23).

Erläuterung

Vorbemerkung

Die Gefährdungsbeurteilung bildet einen Teil des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzrechtes. Dieses besteht aus Gesetzen und Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften nach § 15 SGB VII.
Über § 618 Abs. 1 BGB finden diese Vorschriften in den Arbeitsvertrag Eingang. 
Denn was gesetzlich geregelt ist, gehört als Mindeststandard auch zu den einen Arbeitgeber treffenden Pflichten, für die Gesundheit der Arbeitnehmer zu sorgen. 

Pflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind (§ 5 Abs. 1 ArbSchG). Dies gilt für alle Arbeitgeber, unabhängig von der Anzahl der in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. 

Aus § 5 Abs. 1 ArbSchG in Verbindung mit § 618 BGB folgt ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Beurteilung der mit der Beschäftigung verbundenen Gefährdung (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 21. Aufl. 2025, § 154 Rn.9). Der Arbeitnehmer hat jedoch keinen individuellen Anspruch auf von ihm vorgegebene Beurteilungskriterien und -methoden (BAG v. 12.8.2008 - 9 AZR 1117/06 in NZA 2009,102). Die Beurteilung ist gemäß § 5 Abs. 2 ArbSchG je nach der Art der Tätigkeit vorzunehmen. Ausgangspunkt für die Beurteilung sind die gesetzlichen Grundpflichten des Arbeitgebers gemäß §§ 3, 4 ArbSchG.  Der Arbeitgeber hat in einem ersten Schritt die mit der Arbeit der Beschäftigten verbundenen Gefährdungen zu ermitteln. Dabei hat er besonders auf die in § 5 Abs. 3 ArbSchG aufgeführten Gefahrenquellen zu achten. Hierbei steht die Frage im Mittelpunkt, mit welcher Wahrscheinlichkeit arbeitsbedingte Erkrankungen und Gesundheitsgefährdungen zu erwarten sind (Küttner, Personalbuch 2025, "Gefährdungsbeurteilung" Rn.3). Je nach Ergebnis dieses ersten Schrittes hat er im zweiten Schritt über die erforderlichen Maßnahmen zu deren Vermeidung zu entscheiden. 
Das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung am Arbeitsmittel entbindet nicht von der Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung (§ 3 Abs. 1 BetrSichV)

Zweck der Vorschriften

§ 5 Abs. 1 ArbSchG dient nicht allein dem Schutz der Arbeitnehmer vor Unfällen und Gesundheitsgefährdung. Sie bezweckt auch, die Entscheidungsträger des betrieblichen Arbeitsschutzes, vor allem Arbeitgeber, Betriebsrat, Sicherheitsfachkraft, Betriebsarzt und Arbeitsschutzausschuss, zu einem systematischen Vorgehen anzuhalten. 
Der Begriff der Gefährdung bezeichnet im Unterschied zur Gefahr die Möglichkeit eines Schadenseintritts oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit (BAG v. 12.8.2008 - 9 AZR 1117/06 in NZA 2009,102). Der Präventionsgedanke der Vorschrift des § 5 Abs. 1 ArbSchG ist die nötige Vorstufe des Schutzes vor einer unmittelbar drohenden Gefahr. Die Norm ist eine ausfüllungsbedürftige Rahmenvorschrift (BAG v.  18.6.2004 in NZA 2004,1175 Rn.38). Sie enthält keine zwingenden Vorgaben, wie die Gefährdungsbeurteilung durchzuführen ist. Sie eröffnet für den Arbeitgeber einen Handlungs- und damit einen Beurteilungsspielraum (BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06 in NZA 2009,102)). Die Gefährdungsbeurteilung ist Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement. Es handelt sich um den ersten Teil eines aus mehreren Schritten bestehenden kontinuierlichen Prozesses.

Dieser verläuft wie folgt:
Schritt 1: Gefährdungsermittlung in bestimmten Arbeitsbereichen oder Arbeitsplätzen
Schritt 2: Bewertung der Gefährdung
Schritt 3: Festlegung erforderlicher Maßnahmen
Schritt 4: Wirksamkeitskontrolle
(siehe Oberberg/Hien in NZA 2018,18 (19) dort unter III).

Gefährdungsursachen

Gefährdungen können sich insbesondere ergeben durch

  • den Zustand der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
  • den Einsatz und Zustand von Arbeitsmitteln (Maschinen, Geräte, Anlagen, Werkzeuge),
  • die Arbeits- und Fertigungsverfahren sowie der Arbeitsorganisation,
  • Klima, Beleuchtung, Lärm, Strahlung,
  • die Auswahl und Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen,
  • unzureichende Qualifikation, Fähigkeit und Fertigkeit sowie unzureichende Unterweisung der Beschäftigten (§ 5 Abs. 3 ArbSchG).

Durchführung

Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen (§ 5 ArbSchG) hat der Arbeitgeber zunächst festzustellen, ob die Beschäftigten Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ausgesetzt sind oder ausgesetzt sein können. Ist dies der Fall, hat er alle möglichen Gefährdungen der Sicherheit und der Gesundheit der Beschäftigten zu beurteilen und dabei die Auswirkungen der Arbeitsorganisation und der Arbeitsabläufe in der Arbeitsstätte zu berücksichtigen. Bei der Gefährdungsbeurteilung hat er die physischen und psychischen Belastungen sowie bei Bildschirmarbeitsplätzen insbesondere die Belastungen der Augen oder die Gefährdung des Sehvermögens der Beschäftigten einzubeziehen. Entsprechend dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten gemäß den Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung einschließlich ihres Anhangs nach dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene festzulegen. Sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse sind zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 ArbStättV). 
Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass die Gefährdungsbeurteilung fachkundig durchgeführt wird. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, hat er sich fachkundig beraten zu lassen (§ 3 Abs. 2 ArbStättV). Im Anhang zur ArbStättV werden die bei der Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) zu prüfenden Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten im Einzelnen erläutert.

Anlässe

Arbeitsstätten

Arbeitsstätten sind:

  • Arbeitsräume oder andere Orte in Gebäuden auf dem Gelände eines Betriebes,
  • Orte im Freien auf dem Gelände eines Betriebes,
  • Orte auf Baustellen,

sofern sie zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind (§ 2 Abs. 1 ArbStättV).
Eine Erstbeurteilung ist an jedem Arbeitsplatz und je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend (§ 5 Abs. 2 ArbSchG). Er hat Gefährdungsbeurteilungen insbesondere dann zu überprüfen, wenn sich die betrieblichen Gegebenheiten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz verändert haben (§ 3 BGV A1). Eine Änderungsbeurteilung ist daher insbesondere bei Änderung von Arbeitsstoffen und Arbeitsverfahren, Neubeschaffung von Maschinen, Änderung des Standes der Technik usw. notwendig. Nachuntersuchungen müssen bei Auftreten von Unfällen, Beinahe-Unfällen oder Erkrankungen erfolgen. Die Arbeitnehmer haben einen Individualanspruch auf Durchführung einer Beurteilung der mit ihrer Beschäftigung verbundenen Gefährdung (§ 5 Abs. 1 ArbSchG i. V. m. § 618 Abs. 1 BGB). Der einzelne Arbeitnehmer kann allerdings nicht verlangen, dass die Gefährdungsbeurteilung nach bestimmten, von ihm vorgegebenen Beurteilungskriterien und -methoden durchgeführt wird (BAG v. 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06 in NZA 2009,102).

Arbeitsmittel

Die Gefährdungsbeurteilung soll bereits vor der Auswahl und der Beschaffung der Arbeitsmittel begonnen werden. Dabei sind insbesondere die Eignung des Arbeitsmittels für die geplante Verwendung, die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation zu berücksichtigen. Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden. Verfügt der Arbeitgeber nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse, so hat er sich fachkundig beraten zu lassen (vgl. z. B. § 11 Abs. 2 ArbStättV und § 3 Abs. 3 BetrSichV).

Dokumentation

Arbeitsstätten

Der Arbeitgeber muss gemäß § 6 Abs. 1 ArbSchG über die je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten erforderlichen Unterlagen verfügen, aus denen

  • das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung,
  • die von ihm festgelegten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und
  • das Ergebnis ihrer Überprüfung ersichtlich sind.

Bei gleichartiger Gefährdungssituation ist es ausreichend, wenn die Unterlagen zusammengefasste Angaben enthalten (§ 6 Abs. 1 ArbSchG). Der Arbeitgeber hat die Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der Tätigkeiten zu dokumentieren. In der Dokumentation ist anzugeben, welche Gefährdungen am Arbeitsplatz auftreten können und welche Maßnahmen durchgeführt werden müssen (§ 3 Abs. 3 ArbStättV).

Arbeitsmittel

Der Arbeitgeber hat das Ergebnis seiner Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 Abs. 8 BetrSichV vor der erstmaligen Verwendung der Arbeitsmittel zu dokumentieren. Dabei sind mindestens anzugeben

  1. die Gefährdungen, die bei der Verwendung der Arbeitsmittel auftreten,
  2. die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen,
  3. wie die Anforderungen dieser Verordnung eingehalten werden, wenn von dem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales errichteten Ausschuss für Betriebssicherheit bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse (§ 21 Abs. 4 Nr.1 BetrSichV) abgewichen wird, und
  4. Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen sowie die Fristen der wiederkehrenden Prüfungen
  5. das Ergebnis der Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen

Die Dokumentation kann auch in elektronischer Form vorgenommen werden (§ 3 Abs. 8 BetrSichV).

Spezielle Vorschriften

Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen wurde und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Die Gefährdungsbeurteilung darf nur von fachkundigen Personen durchgeführt werden (§ 7 Abs. 10 GefStoffV). Bei der Beurteilung der Arbeitsbedingungen hat der Arbeitgeber bei Bildschirmarbeitsplätzen die Sicherheits- und Gesundheitsbedingungen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher Probleme und psychischer Belastungen zu ermitteln und zu beurteilen (§ 3 BildschArbV).

Eine spezielle Vorgabe für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung enthält § 10 MuSchG. Siehe dazu Fitting, BetrVG, 32. Aufl. 2024, § 87 Rn. 307).

Bezug zur Betriebsratsarbeit

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG gehört der Gesundheitsschutz zu den zentralen Aufgaben des Betriebsrats. Zudem hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die geltenden Gesetze und damit alle Arbeitsschutzgesetze und die dazu ergangenen Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften eingehalten werden. Zur Durchführung dieser Aufgabe steht dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG ein Recht auf rechtzeitige und umfassende Unterrichtung und Einsichtnahme in entsprechende Unterlagen zu. Der Betriebsrat hat ferner nach § 80 Abs. 2 Satz 4 BetrVG ein Recht auf Zuziehung geeigneter Auskunftspersonen und nach § 80 Abs. 3 BetrVG von Sachverständigen.

Nach § 89 Abs. 1 BetrVG hat sich der Betriebsrat für die Durchführung des Arbeitsschutzes, der Unfallverhütung und des Umweltschutzes im Betrieb einzusetzen. Er hat für den Arbeitsschutz zuständige Behörden und die Träger der Unfallversicherung durch Anregungen, Beratung und Auskunft zu unterstützen. Der Betriebsrat hat sich durch stichprobenartige Besichtigungen ein eigenes Bild vom Stand des Arbeitsschutzes zu machen. Ihm steht zu diesem Zweck ein umfassendes Zutrittsrecht zu den Arbeitsplätzen zu (Münchner Handbuch Arbeitsrecht, 6. Aufl., Band 2, 2024, § 174 Rn. 57). Eventuelle Feststellungen über Gefahren hat er dem Arbeitgeber zu übermitteln. 
Der Betriebsrat ist unter anderem mit dem Ziel der Vermeidung künftiger verschiedener Gefährdungen der Mitarbeiter nach § 4 ArbSchG mit § 90 BetrVG zu beteiligen. Dies gilt, wenn der Arbeitgeber die Änderung von technischen Anlagen wie Maschinen und Maschinengruppen, der Arbeitsverfahren wie schweißen statt nieten oder Bildschirmarbeitsplätze statt manueller Datenverarbeitung plant. Dasselbe gilt für die Umgestaltung von Arbeitsabläufen, z.B. in welcher Reihenfolge in welcher Halle bestimmte Teile gefertigt werden. Schließlich steht dem Betriebsrat in der Planungsphase auch bei dem Einsatz künstlicher Intelligenz nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht zu.

Gefährdungen z.B. psychischer Art kann der Betriebsrat durch sein Beteiligungsrecht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG im Vorfeld zu vermeiden helfen. Das kann z.B. durch die eine Kommunikation unter den Mitarbeitern ermöglichende Form der Anordnung der Arbeitsplätze geschehen. Werden erst später nach Veränderungen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung psychische Fehlbelastungen der Mitarbeiter erkannt, sind die Maßnahmen zu deren Abbau im Mitbestimmungsprozess nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG festzulegen.

Der Betriebsrat hat bei Regelungen zur Ausfüllung eines nach anderen Gesetzen, Rechtsverordnungen und Unfallverhütungsvorschriften bestehenden Beurteilungsspielraums des Arbeitgebers nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen (BAG v. 13.8.2019 - 1 ABR 6/18 in NZA 2019,1717 mit insgesamt wichtigen Aussagen zum Mitbestimmungsrecht des BR bei Gefährdungsbeurteilungen). 

Das Mitbestimmungsrecht steht dem örtlichen Betriebsrat zu. Der GBR ist unzuständig. Denn es geht um einen einzelnen Betrieb betreffende Maßnahmen (BAG v. 18.7.2017 - 1 ABR 59/15 in NZA 17,1133). 
Das Mitbestimmungsrecht des BR folgt aus dem Charakter des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG als ausfüllungsbedürftiger Rahmenvorschrift. Dabei geht es immer um deren betriebsbezogene Umsetzung.

Den Ausgangspunkt dafür bildet § 3 Abs 1 Satz 1 ArbSchG. Dieser verpflichtet den Arbeitgeber bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von den dort aufgeführten Grundsätzen auszugehen.  
Um diese Maßnahmen ergreifen zu können, hat der Arbeitgeber anlasslos für jede Tätigkeit zu ermitteln, ob konkrete Gefährdungen (nicht Gefahr) bestehen. Das BAG betont, dass eine Gefährdungsbeurteilung im Sinne von § 5 Absatz 1 ArbSchG unerlässlich sei, wenn Gefährdungen nicht feststehen. Denn die Pflichten des § 3 Absatz 1 Satz 1 ArbSchG ließen sich nur anhand einer konkreten ermittelten Gefährdung umreißen. Dies geschieht in Form der Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 Absatz 1 ArbSchG. Deren Ziel ist die Ermittlung, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind (BAG v. 28.3.2017 - 1 ABR 25/17 in NZA 2017,1132 Rn. 22). 

Für die Beurteilung der Gefährdungen gibt es je nach deren Art verschiedene Beurteilungsmethoden. Dazu gibt es u.a. einen sehr zu empfehlenden "Leitfaden für die Gefährdungsbeurteilung" von Gruber/Kittelmann/Barth.

Nach der Art der Gefährdung richtet sich die Beurteilungsmethode. Deshalb gibt es in  § 3 ArbStättV Aussagen über die Vorgehensweise bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 6 GefStoffV. Sie befasst sich mit den zu beurteilenden Gefahren, wenn bei Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können. Ebenso verlangt § 3 BetrSichV die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen mit dort vorgegebenen Zielsetzungen.  Zu verweisen ist insoweit auch auf die LärmVibrationsArbSchV.

Alsdann sind abhängig von deren Ausgang zu deren Ausschluss oder Verringerung geeigneten Maßnahmen im Sinne des § 3 ArbSchG zu ergreifen.
Für die nach § 3 ArbSchG zu ergreifenden Maßnahmen gibt es wiederum in den das Arbeitsschutzgesetz ergänzenden vorstehend genannten Verordnungen bestimmte Vorgaben zu erfüllender Anforderungen und dementsprechend umzusetzender Maßnahmen. So kann z. B. der Anhang zur Arbeitsstättenverordnung als Checkliste für die Prüfung erforderlicher oder entbehrlicher Maßnahmen herangezogen werden. 

Sind Maßnahmen zu ergreifen und bestehen insoweit Auswahlmöglichkeiten ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Absatz 1 Nr.7 BetrVG für erforderliche Maßnahmen eröffnet. 
Als Abgrenzungskriterium für erforderliche Maßnahmen dient im ersten Schritt die Eintrittswahrscheinlichkeit eines aufgrund der Gefährdung entstehenden Gesundheitsschadens. Es gilt in Abhängigkeit von Grad der Wahrscheinlichkeit ein Zusammentreffen von Mensch und Gefahr möglichst auszuschließen. Dies hat unabhängig von der Anfälligkeit der einer bestimmten Gefahr ausgesetzten Menschen für bestimmte z.B. Asbestallergie bestehenden Veranlagung zu geschehen (vgl. Oberberg/Hien in NZA 2018, Seite 21).  

In einem zweiten Schritt wird die Maßnahme zur Begegnung festgestellter Gefährdungen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die "erforderlichen" Maßnahmen begrenzt. 
Erforderlich können je nach der Art der Gefährdung verschiedene Maßnahmen sein. Unter Mitbestimmung einschließlich des Initiativrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sind diese zu erarbeiten. Diese müssen bestimmt, tauglich, notwendig und verhältnismäßig sein (vgl. Oberberg/Hien in NZA 2018, Seite 23, Fn. 41).  

Mit dem Abbau Psychischer Fehlbelastungen z.B. durch Schulungen, der Verbesserung von Informationsflüssen sowie der Änderung von Zeitdrucksituationen befasst sich der Abschlussbericht "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt" der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“. Der Bericht befindet sich auf der Website der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Der Link zur offiziellen Seite mit dem Bericht lautet: BAuA – Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt.

Die Methode der Gefährdungsbeurteilung ist zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Einzelnen zu vereinbaren. Teil der Methode ist - vergleichbar der für die Lohnfindung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG - auch die abstrakte Bestimmung der Person des Untersuchenden, z. B. nicht der unmittelbare Vorgesetzte einer psychisch gefährdeten Person.
Die in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.8.2019 - 1 ABR 6/18 in NZA 2019, 1717 wiedergegebene Betriebsvereinbarung "Gefährdungsbeurteilung" ist als Muster informativ. Ebenso kann auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7.12.2021 - 1 ABR 25/20 in NZA 2022, 504 verwiesen werden. Danach erfasst das Verfahren zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nicht die Beantwortung der Frage, welche konkreten Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer angesichts einer festgestellten Gefährdung ergriffen werden können.

Der Betriebsrat hat nach BAG v. 18.8.2009 - 1 ABR 43/08 in NZA 2009, 1434 Rn. 20 kein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber externe Personen oder Stellen mit der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen oder Unterweisungen beauftragt. Anderer Ansicht wohl Fitting, BetrVG, 32. Aufl., § 87 Rn. 306.
Eine unterlassene Gefährdungsbeurteilung gibt dem Betiebsrat kein Recht zur Verweigerung seiner Zustimmung zu einer Einstellung (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 21. Aufl. 2025, § 154 Rn. 10).

Rechtsquellen

§§ 3 Abs. 1, 5 u. 6 ArbSchG, § 3 u. Anhang ArbstättV, § 618 Abs. 1 BGB, § 3 ArbStättV, § 7 GefStoffV, § 87 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 BetrVG, § 7 Abs. 1 u. 7 GefStoffV, § 3 BildschArbV, § 3 Berufsgenossenschaftliche Vorschrift für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGV A1), Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

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