„Manchmal braucht es einfach ein offenes Ohr“

© Guido Lehmann/Conductix-Wampfler
Stand:  24.11.2025
Lesezeit:  03:45 min
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BRV Guido Lehmann über Arbeitszeit, Nachwuchssuche im Dreiländereck und Gesundheit im Arbeitsalltag

Ob Arbeitszeit, Weiterbildungen oder der lange Atem beim Thema Firmenfitness: Es gibt jede Menge Aspekte, die Guido Lehman in seinem Betriebsratsalltag umtreiben. Im Interview erzählt der 59-Jährige, seit acht Jahren Betriebsratsvorsitzender, warum Gesundheit für ihn ein Herzensthema ist, welche Rolle internationale Strukturen an seinem Standort spielen und inwieweit die BR-Wahl im kommenden Frühjahr bereits ihren Schatten vorauswirft. 

Guido Lehmann | © Gudio Lehmann/Conductix-Wampfler

Guido Lehmann

Guido Lehmann arbeitet seit 23 Jahren bei der Conductix-Wampfler GmbH in Weil am Rhein als kaufmännischer Angestellter in der Auftragsabwicklung und ist seit rund acht Jahren dort im Betriebsrat. Seither ist er auch Betriebsratsvorsitzender und für seine ehrenamtliche Tätigkeit im Elfergremium freigestellt.

Guido, Conductix-Wampfler gehört zu einer französischen Muttergesellschaft – ist diese internationale Zusammenarbeit für Euch als Betriebsrat manchmal kompliziert?

Guido Lehmann: Auch wenn wir Teil eines französischen Konzerns sind, spielt das für unsere Arbeit als Betriebsrat kaum eine Rolle. Wir sind ein erfolgreiches Unternehmen in Deutschland, und für uns gelten die deutschen Gesetze und Mitbestimmungsrechte. Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung funktioniert sehr gut, und unsere Themen sind klar auf den Standort und die Belange unserer Kolleginnen und Kollegen hier ausgerichtet.

Ihr produziert unter anderem für die Automobilindustrie, der es bekanntlich nicht gut geht: Spürt Ihr das?

Guido Lehmann: Wir sind kein klassischer Automobilzulieferer, sondern Lösungspartner bei der Ausgestaltung von Produktionslinien. Die Automobilindustrie ist für uns global ein wichtiger Markt, aber eben nur einer von vielen. Wir bedienen eine breite Palette an Branchen – von Intralogistik über Bergbau bis hin zu Industrieautomation – und diese Märkte entwickeln sich in unterschiedlichen Zyklen. Dadurch können wir Schwankungen in einzelnen Bereichen gut ausgleichen. Diese Diversifizierung hat uns in der Vergangenheit durch alle Krisen getragen, und sie macht uns auch heute sehr robust .

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Es hilft niemanden, sich zu überlasten.

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Was sind denn Inhalte, mit denen Ihr Euch derzeit im Betriebsrat beschäftigt?

Guido Lehmann: Auf jeden Fall betrifft es die Arbeitszeit und Arbeitsbelastung. Hier müssen wir die Kolleginnen und Kollegen immer wieder daran erinnern, auf ihre Gesundheit zu achten. Es geht uns keineswegs darum, ihren Elan, ihr Engagement oder ihre Einsatzbereitschaft zu bremsen. Vielmehr möchten wir klar machen, dass es niemandem hilft, sich zu überlasten. Bei vielen setzt das Bewusstsein dafür leider erst ein, wenn es schon fast zu spät ist. Es hat eine Weile gedauert, bis das Thema Gesundheit bei den Mitarbeitenden eine so hohe Priorität erhielt, dass sie ihr eigenes Handeln darauf ausrichten.

Ist der Fachkräftemangel ein Thema bei Euch?

Guido Lehmann: Betrachtet man die Lage eines Unternehmens auf der Deutschlandkarte, liegt der Einzugsbereich üblicherweise im direkten Umfeld um das Unternehmen herum. Bei uns ist dies jedoch anders, da wir im Dreiländereck Deutschland – Frankreich – Schweiz sitzen. In Richtung Frankreich ist unser Einzugsgebiet begrenzt, auch wenn wir einige französische Mitarbeitende haben. Aus der Schweiz müssen wir niemanden abwerben. Im Gegenteil, wir achten eher darauf, dass nicht zu viele dorthin abwandern. Dadurch stellt die Personalgewinnung eine besondere Herausforderung dar. Das Unternehmen investiert jedoch inzwischen stark in Lösungen: Es ist online und auf Recruiting-Veranstaltungen sehr präsent und sucht den direkten Kontakt zu Schulen und Hochschulen.

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Oft kommen wir von Betriebsratsseminaren zurück und können Beispiele mitbringen, was woanders funktioniert hat.

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Wie könnt Ihr als Betriebsrat hier unterstützen?

Guido Lehmann: Abgesehen davon, dass ein Betriebsrat grundsätzlich ein Vorteil ist – viele Bewerber legen heute großen Wert darauf –, dreht sich vieles um gute Ideen. Oft komme ich oder meine Betriebsratskollegen von Seminaren zurück und können Beispiele mitbringen, die anderswo bereits erfolgreich umgesetzt wurden. Wichtig ist, dass wir in diesem Bereich aktiv bleiben, denn auch bei uns wird sich die Alterspyramide bemerkbar machen. Inzwischen versuchen wir deshalb sogar, bestimmte Ausbildungsplätze doppelt zu besetzen.

Verwandt damit ist das Thema Weiterbildung …  

Guido Lehmann: Weiterbildung ist aus meiner Sicht ein äußerst wichtiges Thema für uns im Betriebsrat. Unser eigener Anspruch ist es, die Belegschaft bestmöglich und mit fundiertem Fachwissen zu unterstützen. Auch im Unternehmen gewinnt dieses Thema zunehmend an Bedeutung und wird auch durch E-Learning-Angebote gestützt.

Die Amtsperiode neigt sich langsam dem Ende zu: Was konnte der Betriebsrat in den letzten Jahren erfolgreich umsetzen?

Guido Lehmann: Wichtig war unter anderem die Überarbeitung unserer Betriebsvereinbarung „Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz“, die wir an unsere örtlichen Gegebenheiten angepasst haben. Jetzt ist für alle kompromisslos klar: Das gesamte Gelände ist – abgesehen von ausgewiesenen Bereichen – rauchfrei. Mein größtes Erfolgserlebnis in diesem Jahr war jedoch die Einführung von „Hansefit Firmenfitness“ im Mai. Das Programm erfordert eine bestimmte Lizenz, wird vom Arbeitgeber monatlich bezuschusst und bietet den Mitarbeitenden vielfältige Möglichkeiten, etwas für ihre Gesundheit zu tun: vom Fitnessstudio über Thermalbäder bis hin zu Boulderhallen und vielem mehr. Dafür habe ich über sieben Jahre lang gekämpft. Rund 80 der 420 Mitarbeitenden nutzen das Angebot bereits und jeden Monat steigt die Teilnehmerzahl.

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Mir macht die Aufgabe als Betriebsrat wirklich Freude und ich glaube, die Kollegen merken, dass ich sie mit Herzblut angehe.

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Die Wahl steht an: Wie lauten Deine konkreten Ziele?

Guido Lehmann: Mir macht die Aufgabe als Betriebsrat wirklich Freude und ich glaube, die Kollegen merken, dass ich sie mit Herzblut angehe. Besonders liegen mir die Gesundheitsthemen am Herzen, und in diesem Bereich ist die Firma mittlerweile sehr gut aufgestellt. Darüber hinaus ist es wichtig, die Jugend und andere Betriebsratsmitglieder zu gewinnen, denn schließlich ist die Betriebsratsarbeit keine One-Man-Show.

Gibt es denn ausreichend Kandidaten für die nächste Wahl?

Guido Lehmann: Während meiner ersten Amtszeit hatten wir zwar immer ausreichend Kandidaten, aber leider nicht genügend Ersatzmitglieder. Einige sind ausgeschieden und am Ende der Wahlperiode waren wir tatsächlich nur noch das Neunergremium. Diesmal war die Situation deutlich besser: Wir haben elf Betriebsratsmitglieder und sechs Ersatzmitglieder. Außerdem haben wir einen sehr engagierten Wahlvorstand, und auch wir als Betriebsrat sorgen aktiv für Aufmerksamkeit, zum Beispiel auf unseren Betriebsversammlungen.

Denkst Du bereits über die nächste Amtsperiode hinaus?

Guido Lehmann: Ja, selbstverständlich. Mein Hauptaugenmerk liegt zunächst auf der aktuellen Amtsperiode. Im kommenden Jahr würde ich mich sehr freuen, erneut sowohl in den Betriebsrat gewählt zu werden als auch das Amt des Vorsitzenden zu übernehmen. Mit dann 59 Jahren kann ich meine umfassende Erfahrung einbringen. Gleichzeitig hoffe ich, dass auch jüngere Kolleginnen und Kollegen motiviert sind, sich aktiv einzubringen.

Es scheint, als bereitet Dir das Betriebsratsamt noch großes Vergnügen.

Guido Lehmann: Auf jeden Fall! Die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ist, auch wenn es wie überall oft ums Geld geht, sehr angenehm und – was noch wichtiger ist – von Vertrauen geprägt. Ich habe ein ausgeprägtes „Helfersyndrom“, glücklicherweise aber ein gesundes. In Seminaren habe ich gelernt, gut auf mich zu achten. Interessant ist, dass meine Frau ebenfalls Betriebsratsvorsitzende ist, allerdings in einem anderen Unternehmen. Wir haben uns darauf verständigt, nach Feierabend höchstens fünf bis zehn Minuten über berufliche Themen zu sprechen – nur wenn es nötig ist und dabei stets den Datenschutz im Blick zu behalten. So bekomme ich aus erster Hand mit, wie es ist, nicht freigestellt zu sein und kann die Arbeitsbedingungen in unserem eigenen Unternehmen noch mehr wertschätzen. (tis)

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