Im Hintergrund und doch mittendrin

© AdobeStock | sorapop
Stand:  13.10.2025
Lesezeit:  03:30 min
Teilen: 

S. Schumann ist Ersatzmitglied im Betriebsrat – und das ist mehr als eine Nebenrolle!

Zwei Amtszeiten lang war S. Schumann festes Mitglied im Betriebsrat, heute engagiert sie sich als Ersatzmitglied. Bewusst in der zweiten Reihe, aber mit klarem Blick für das Wesentliche. Ein Gespräch über die Verantwortung und Sichtbarkeit in dieser Rolle sowie die Kunst, sich einzubringen, ohne ständig bei Betriebsratssitzungen dabei zu sein.

Du warst zwei Amtsperioden lang vollwertiges Betriebsratsmitglied, jetzt bist Du – ganz bewusst – Ersatzmitglied: Was ist das Komplizierteste daran?

S. Schumann: In meinem Fall ist es so, dass ich nicht ganz so viel mitbekomme. Wie ist die Stimmung, welche Themen liegen auf dem Tisch? Trotzdem kümmere ich mich zur Unterstützung um den regelmäßigen Mitarbeiter-Flyer. Da ist es natürlich gut, hier und da in einer Sitzung dabei zu sein, um reinzuhören, wo die Schwerpunkte liegen. Was mir nicht gefällt, sind immer wieder die Kommentare: Wie, Du musst schon wieder in den Betriebsrat? Du bist doch gar keiner mehr …

Zitat

Wie, Du musst schon wieder in den Betriebsrat? Du bist doch gar keiner mehr …

Zitat

Wie sehen Deine Vorbereitungen als Ersatzmitglied auf Betriebsratssitzungen aus?

S. Schumann: Vorbereitung ist mir ganz wichtig. Wenn ich nachgeladen werde, lese ich mir die entsprechenden Niederschriften und auch die Einladung mit der Agenda durch und überleg zudem, welche Themen wir im letzten Flyer behandelt haben. Gibt es außerdem irgendwelche Punkte, die ich einbringen möchte? Das schreibe ich mir alles zusammen und gehe dann so in die Sitzung.

Kann es vorkommen, dass die Einladungen relativ kurzfristig erfolgen?

S. Schumann: Bei außerordentlichen Sitzungen kann es schon mal kurzfristig sein, das hatte ich aber erst ein Mal. Normalerweise werde ich eine Woche vorher eingeladen.

Du bringst ein Thema ein, das Dir am Herzen liegt,  bist aber bei der nächsten Sitzung gar nicht mehr dabei – fällt Dir das schwer?

S. Schumann: Wenn ich mir das Protokoll durchlese und sehe, dass da gar kein Thema mit aufgenommen wurde, ist das nicht ganz einfach. Es ist halt schwer zu sagen, ich übernehme das oder das jetzt federführend. Aber durch den Flyer habe ich immerhin die Möglichkeit, auf bestimmte Aspekte aufmerksam zu machen.

Deine Firma ist im Facility Management und vor allem im Bereich Haustechnik beheimatet: Was sind dort die besonderen Herausforderungen als Betriebsrat?

S. Schumann: Da die meisten unserer Mitarbeiter nicht in der Firmenzentrale arbeiten, sondern direkt vor Ort bei den Kunden, ist es immer von Vorteil, aus den Objekten einen für das Gremium zu gewinnen. Einfach, um breit aufgestellt zu sein. Auf der anderen Seite neigt man dazu, in jedem Objekt nach den individuellen Vorgaben der Kunden zu arbeiten – entsprechend unterschiedlich sind die Menschen auch eingestellt, uns zuzuarbeiten. Zumal sich viele mehr mit dem Kunden als mit der eigenen Firma identifizieren. Irgendwo verständlich, wenn ich jahrein, jahraus in dessen Gebäude reinspaziere. Da ist Kommunikation immer der Knackpunkt, aber das ist nicht das Einzige. 

… Du sprichst von weiteren Schwierigkeiten?

S. Schumann: Bei uns sind vorrangig Handwerker beschäftigt, in den Handwerksbetrieben wird allerdings mehr Geld verdient als in der Dienstleitung. Wir sind nicht tarifgebunden, weil es eben eine Dienstleistung ist und nicht zum Handwerk zählt – man müsste da zu viele Gewerke unter einen Hut packen. Darüber hinaus haben wir ganz große kulturelle Unterschiede in unserer Belegschaft sowie Sprachbarrieren, was zu einigem Konfliktpotenzial führt. 

Ist Arbeitszeit ein großes Thema für den Betriebsrat?  

S. Schumann: Da die Objektleiter in den Objekten dabei sind, sehen die natürlich, wo betrogen werden kann. Wir haben eine Zeiterfassung, die ist mittlerweile digital und ganz strikte Betriebsvereinbarungen, wobei unser Betriebsrat schwer dahinter ist, das zu kontrollieren. Damit keine Überstunden aus Willkür verteilt werden. Im Großen und Ganzen läuft das ganz wunderbar.

Zitat

Erstmal haben wir gut aufgeräumt.

Zitat

Was konntet Ihr in den letzten Jahren als Gremium erfolgreich auf den Weg bringen?

S. Schumann: Erstmal haben wir gut aufgeräumt. Als der Betriebsrat gegründet wurde, mussten zunächst ganz viele Kämpfe durchgemacht werden, um später mit der Geschäftsleitung auf Augenhöhe zu sprechen – und das ist uns gelungen. Das sieht man vielleicht daran, dass wir bis jetzt noch kein einziges Mal eine Einigungsstelle gebraucht haben. Wir haben viele gute Betriebsvereinbarungen auf den Weg gebracht. Haben es beispielsweise geschafft, dass nicht die billigsten Arbeitshosen eingekauft werden oder konnten für Rufbereiter – also für die Techniker, die auch nachts bereit sein müssen, in den Betrieb zu fahren – einiges erreicht. Wir haben unseren Urlaub auf 30 Tage stemmen können plus Sonderurlaubspunkte und habe es geschafft, die Betriebsversammlungen auf die vorgeschriebene Zahl pro Jahr zu bringen. Das ist für unsere dezentrale Struktur ein ganz großes Plus.

Andersrum: Wo gibt es noch Nachholbedarf?

S. Schumann: Hinsichtlich der Gesundheitsförderung könnten wir etwas mehr machen. Wir haben zwar das BEM-Verfahren etabliert, die psychische Gefährdungsbeurteilung mit der Geschäftsführung auf die Füße gestellt und das Jobrad eingeführt, aber Luft nach oben gibt es immer.

Stichwort BR-Wahl: Wärst Du zukünftig gerne wieder vollwertiges Mitglied oder bist Du in Deiner Rolle als Ersatzmitglied ganz zufrieden?

S. Schumann: Ehrlicherweise habe ich mich noch gar nicht getraut, mir Gedanken darüber zu machen, weil da ein paar private Überlegungen mitreinspielen. Zu sagen, ich unterstütze das Betriebsrat-Team weiterhin von außen, bin aber mit meiner Welt gerade noch bei mir – da könnte die Tendenz hingehen. (tis)

S. Schumann

S. Schumann ist über einen Ferienjob in der Telefonzentrale jener Firma gelandet, in der sie noch heute tätig ist. 2014 wird sie erstmals in den Betriebsrat gewählt, auch in der folgenden Amtsperiode gehörte sie dem Gremium an. 2022 entscheidet sie sich – aus privaten Gründen – dafür, weiter unten in der Liste zu kandidieren und wurde schließlich als Ersatzmitglied in den Betriebsrat gewählt.

Kontakt zur Redaktion

Haben Sie Fragen oder Anregungen? Wenden Sie sich gerne direkt an unsere Redaktion. Wir freuen uns über konstruktives Feedback!

redaktion-dbr@ifb.de

Jetzt weiterlesen