1. Mythos: Wenn der Unternehmer etwas als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis deklariert, dann muss er es dem Wirtschaftsausschuss (WA) nicht mitteilen.
Das stimmt so nicht ganz. Zuerst einmal ist wichtig zu wissen, was als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gewertet werden kann. Dazu gibt es folgendes Prüfschema:
- Das „Geheimnis“ muss in wirtschaftlicher oder technischer Art im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Unternehmens stehen. Das können z. B. neue Produktionsverfahren, Preiskalkulationen oder Kundenkarteien sein.
- Das „Geheimnis“ darf nur einem begrenzen Personenkreis bekannt sein. Also nur Personen, die für strategische Entscheidungen zuständig sind oder mit der Entwicklung oder Entstehung des „Geheimnisses“ betraut sind (z.B. Mitarbeiter aus der Entwicklungs- oder Finanzabteilung), kennen die relevanten Tatsachen. Wenn die Information z. B. bereits vielen Mitarbeitern bekannt ist, im Intranet zu lesen oder gar in einer Fachzeitschrift veröffentlich wurde, ist sie kein Geheimnis mehr.
- Der Unternehmer muss ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung haben. Ein berechtigtes Interesse könnte sein, dass im Falle des Bekanntwerdens ein wirtschaftlicher Schaden für das Unternehmen besteht, weil z. B. ein Patent nicht mehr angemeldet werden kann oder der Mitbewerber Einblick in die Preiskalkulation bekommt. Übrigens: Auch das berechtigte Interesse der Belegschaft ist hier zu berücksichtigen. Tatsachen, die Arbeitsplätze gefährden, können nicht zu einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis erklärt werden, um den Betriebsrat an der Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte zu hindern.
- Der Unternehmer oder sein Vertreter muss das „Geheimnis“ eindeutig und unmissverständlich als „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ kennzeichnen. Die Bezeichnung „vertraulich“ oder „persönlich“ ist nicht ausreichend.
Wenn diese vier Punkte alle mit „ja“ beantwortet werden können, dann liegt ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vor.
Aber auch dann muss der Unternehmer dem Wirtschaftsausschuss die Informationen trotzdem weitergeben, außer er ist objektiv begründbar der Meinung, dass durch die Information des Ausschusses die Tatsache gefährdet ist (§ 106 Abs. 2 S. 1 BetrVG), obwohl die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses nach § 79 Abs. 2 BetrVG der Geheimhaltung verpflichtet sind. Das kann objektiv eigentlich nur der Fall sein, wenn genau in dieser Gremienkonstellation schon einmal ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis durch ein Mitglied des WA oder BR an die Öffentlichkeit gelangt ist.
2. Mythos: Der Unternehmer kann verlangen, dass der Wirtschaftsausschuss dem Betriebsrat Informationen nicht weitergibt
Laut § 106 Abs. 1 S. 2 BetrVG hat der Wirtschaftsausschuss zwei originäre Aufgaben: Wirtschaftliche Angelegenheiten sollen mit dem Unternehmer beraten und der Betriebsrat darüber unterrichtet werden. Diese Unterrichtung umfasst alle Beratungsgegenstände und alle Informationen, die der WA erhalten hat. Den Zusatz „wenn ich es erlaube“ denken sich manche Unternehmer gerne dazu und sprechen dies gegenüber dem Wirtschaftsausschuss auch aus, was verständlicherweise häufig zu Verunsicherung im Gremium führt. Verweisen Sie hier gerne auf § 79 BetrVG, denn hier ist eindeutig geregelt, dass die Geheimhaltungspflicht nicht gegenüber dem Betriebsrat gilt. In der Kommentierung dazu wird sogar nochmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es in der internen Kommunikation zwischen Wirtschaftsausschuss und Betriebsrat keine Beschränkungen gibt (Fitting, 32. Auflage, Rn 20 zur § 79 BetrVG). Das gilt auch für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.
Ganz praktisch gesprochen: Was sollte ein Wirtschaftsausschuss mit einer Information des Unternehmers anfangen, wenn er sie nicht an den Betriebsrat weitergeben darf? Er hat keinerlei Mitbestimmungs- oder Mitwirkungsrechte, die er mit dem Wissen zu bestimmten Vorgängen im Unternehmen ausüben könnte. Seine einzige Funktion ist die Informationsbeschaffung für den Betriebsrat. Wenn diese unterbunden wird, dann verliert der Ausschuss seinen Sinn und Zweck.
Wichtig ist allerdings: Wenn der Arbeitgeber Ihnen ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis mitteilt, dann müssen Sie dies gegenüber dem Betriebsrat auch eindeutig so benennen und über den Geheimhaltungsbedarf informieren.
3. Mythos: Unterlagen zu wirtschaftlichen Angelegenheiten dürfen nicht an den Betriebsrat weitergegeben werden
Wenn der Unternehmer dem Wirtschaftsausschuss Unterlagen auch nach der Sitzung zur Einsicht oder Dokumentation der ausgetauschten Informationen überlässt, dann dürfen diese selbstverständlich auch an den Betriebsrat weitergegeben werden. Sie sind Teil der Unterrichtung des Betriebsrats und unterstützen die Darstellung der wirtschaftlichen Angelegenheiten. Dürften die Unterlagen dem Betriebsrat nicht gezeigt werden, dann würde ein wichtiges Instrument zur visuellen Unterstützung des Berichts an den Betriebsrat fehlen. Die Alternative wäre eine eigene Darstellung der Sachverhalte aus der Sitzung, die ggf. Sachverhalte nicht korrekt darstellen und einen unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand für den Wirtschaftsausschuss bedeuten.
Werden die Unterlagen vom Unternehmer nach der Sitzung wieder eingezogen, dann empfiehlt sich eine möglichst detaillierte Protokollierung der darstellten Themen, damit die Unterrichtung des Betriebsrats lückenlos erfolgen kann.
4. Mythos: Die Weitergabe von Insiderinformationen an den Wirtschaftsausschuss ist verboten
Die Verwendung von Insiderinformationen ist lt. Verordnung (EU) Nr. 596/2014 v. 16.4.2014 über Marktmissbrauch (MMVO) verboten. Insiderinformationen sind Informationen, die sich z. B. auf den Preis einer Aktie erheblich auswirken könnten. Die Einhaltung dieses Verbots wird von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) überwacht.
Nach Art. 14 der Marktmissbrauchsverordnung ist nicht nur der Insiderhandel, sondern auch die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen verboten. Gerne begründen Unternehmer die mangelnde Informationsweitergabe an den Wirtschaftsausschuss damit, dass Sie sich strafbar machen, da es sich um eine Insiderinformation handelt. Aber auch hier kommt es, wie beim Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, auf den genauen Wortlaut der Regelung an. Die „unrechtmäßige“ Offenlegung ist lt. MMVO verboten. Die Information des Wirtschaftsausschusses ist aber nicht unrechtmäßig, sondern im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes sogar vorgeschrieben. Und auch die Weitergabe der Informationen an den Betriebsrat durch den Wirtschaftsausschuss ist durch das Betriebsverfassungsgesetz gerechtfertigt. Wichtig ist allerdings zu wissen, dass dieser Personenkreis dann ebenfalls zu „Insidern“ wird, für den die Regelung zum Verbot von Insidergeschäften und der Weitergabe von Insiderinformationen gilt.
Mein Tipp: Die Arbeit in den verschiedenen betriebsverfassungsrechtlichen Gremien ist davon abhängig, dass alle Mitglieder ihre Informationen austauschen. Einzige Ausnahme bilden hier die Daten oder Anliegen von Mitarbeitern, die das persönlichen Gespräch mit einem Gremienmitglied gesucht und der Weitergabe nicht zugestimmt haben.
Lassen Sie sich von Aussagen wie „Das bleibt unter uns“ nicht in die Rolle eines Geheimnisträgers drängen. Kommunizieren Sie offen, dass die Weitergabe von Informationen durch den § 79 BetrVG gedeckt ist und Sie alle Unterlagen und Beratungsergebnisse an Ihren Betriebsrat weitergeben werden.