Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Unternehmen vorwiegend als Personengesellschaft geführt. Fehlverhalten der Gesellschaft wurde durch das Prinzip der persönlichen Haftung der Gesellschafter begrenzt.
Mit der Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts wuchs der Kapitalbedarf der Gesellschaften. Personengesellschaften konnten diesen nicht mehr decken. Die Kapitalgesellschaft war nunmehr die geeignete Rechtsform, um große Projekte wie zum Beispiel Anfang des 19. Jahrhunderts den Bau von Eisenbahnen zu finanzieren. Damit war die Stunde der Aktiengesellschaft gekommen.
Bei der Aktiengesellschaft entfiel die Haftung der Aktionäre für Schulden der Gesellschaft als Ansporn zu pflichtbewusstem Verhalten. Dadurch stieg die Gefahr, dass durch Fehlentscheidungen des Leitungsorgans unbeteiligte Dritte wie die Aktionäre, die Arbeitnehmer und die geldgebenden Banken geschädigt wurden. Auswirkungen von Unternehmenskrisen auf Länder und Gemeinden waren vorhersehbar. So kam es, dass ab 1871 der Aufsichtsrat als drittes zunächst allerdings freiwilliges Organ zu den bisher nur aus Vorstand und Hauptversammlung bestehenden Organen der Aktiengesellschaft hinzugefügt wurde.
Der Aufsichtsrat als Treuhänder
In den folgenden „Gründerjahren“ erfolgten viele riskante Gründungen von Aktiengesellschaften. Diese führten zu einer Verschärfung des Aktienrechts. Damit wurde diese Rechtsform für bis dahin als kleine Personengesellschaft geführte Unternehmen uninteressant. Um auch bei diesen die Möglichkeit des Ausschlusses einer persönlichen Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden zu ermöglichen, wurde als weitere Form der Kapitalgesellschaft die GmbH eingeführt. Diese muss bei einer Mitarbeiterzahl bis einschließlich 500 Arbeitnehmern noch heute keinen Aufsichtsrat haben. Sie kann einen solchen jedoch freiwillig nach § 52 GmbHG vorsehen. Sie bedarf dessen Einrichtung aber bei einer 500 Arbeitnehmer übersteigenden Personalstärke, um die dann gesetzlich im Drittelbeteiligungsgesetz und im Mitbestimmungsgesetz 1976 vorgesehene Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat gewährleisten zu können.
Nach der vorstehend skizzierten Entwicklung vertritt der Aufsichtsrat vergleichbar einem Treuhänder die Stellung der geldgebenden Aktionäre, in der GmbH der Gesellschafter. Unter anderem dieser Umstand fördert die erwünschte weite Streuung des Aktienbesitzes. Diese wiederum erlaubt die Ausgabe von Volksaktien wie seinerzeit der Telekom und deren Einbindung in die Altersvorsorge der Bevölkerung.
Der Aufsichtsrat schützt vor Fehlentscheidungen
Der Bedeutung des Aufsichtsrats als eigenständiges Organ einer Gesellschaft trägt die Regelung seiner Rechte und Pflichten in einem besonderen Abschnitt des Aktiengesetzes mit den Paragraphen 95 – 116 Rechnung. Eingebettet stehen dieses Bestimmungen zwischen den Rechten und Pflichten des Vorstands (§§ 75 - 94 AktG) und der Hauptversammlung (§§ 118 – 149 AktG). Dadurch wird dessen Stellung als Berater des Leitungsorgans und der Geldgeber in Form von Aktionären und Gesellschaftern deutlich. Zugleich wird ersichtlich, dass der Aufsichtsrat nicht die Funktion eines Vorgesetzten des Leitungsorgans innehat. Er kann dem Leitungsorgan (Vorstand/Geschäftsführung) keine Weisungen erteilen. Er kann nicht die Geschäftsführung einer Gesellschaft anstelle des Vorstands übernehmen. Seine Aufgabe ist die beratende Begleitung der Geschäftspolitik des Leitungsorgans. Dort, wo das Leitungsorgan Prognosen erstellt und danach zu handeln beabsichtigt, also auf dem Feld der unternehmerischen Tätigkeit, setzt die Beratung des Aufsichtsrats ein. Dadurch sollen Fehlentscheidungen möglichst vermieden werden.
Aufsichtsräte in kleineren Unternehmen
Die vorstehend geschilderten Zusammenhänge gelten grundsätzlich für alle Aufsichtsräte. Die Rechtsform, der Gesellschaft (AG, GmbH, Genossenschaft, usw.) hat nur für den Umfang der Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats Bedeutung. Einem freiwillig nach § 52 GmbHG gebildeten Aufsichtsrat einer GmbH mit bis zu 500 Arbeitnehmern können die Gesellschafter mehr oder weniger Aufgaben übertragen als gesetzlich im Aktiengesetz vorgesehen. Die Gesellschafter einer GmbH mit bis zu 2000 Arbeitnehmern können sich die Bestellung der Geschäftsführer selbst vorbehalten. In einer über 2000 Arbeitnehmer zählenden AG oder GmbH fällt diese Aufgabe dem Aufsichtsrat zu.